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Re: [InetBib] Die Open-Access-Heuchelei der Bibliothekare



Guten Abend,

Am 28. Juni 2010 19:24 schrieb Najko Jahn <najko.jahn@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Liebe Liste,

gerne leite ich Ihnen im Namen der LIBREAS.Library Ideas Redaktion unseren
Standpunkt zu der aktuellen Debatte über die Verortung unserer Zeitschrift
weiter.

http://libreas.wordpress.com/2010/06/28/zwischen-spex-und-bibliothekarischem-feuilleton-was-ist-libreas/

Ich bin so frei den Text zu "kopiereneinfügen" - für weitere
Diskussionen kann man dann bequemer drauf Bezug nehmen... So lang ist
er meines Erachtens nicht als dass man hier nur mit einem Link
arbeiten müsste. ;-)

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Liebe LIBREAS-Leserschaft, liebe Liste,

der Einwurf von Klaus Graf zu LIBREAS. Library Ideas in inetbib gibt
uns zu denken. Dies umso mehr, als wir nie auf die Idee gekommen
wären, uns in irgendwelchen Rankings zu positionieren. Wir anerkennen
jedoch, dass Wissenschaft und Gesellschaft zu weiten Teilen auf
Ranglisten und Vergleichbarkeit basiert. Insofern sind wir weit
entfernt davon, uns darüber zu empören, dass wir solchen Kriterien
unterworfen werden. Daher ist nichts dagegen einzuwenden, dass Herr
Graf uns in dem von ihm skizzierten Wertesystem für wenig relevant
hält. Allerdings ist sein Kontext nicht der unsere und vielleicht muss
man ab und an deutlicher daran erinnern, was LIBREAS ist und sein
soll.

Wir gründeten im Jahr 2005 als Studierende am damaligen Institut für
Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin LIBREAS.
Library Ideas, weil wir eine Zeitschrift machen wollten, die es uns
ermöglicht, jenseits des von uns damals als erstarrt wahrgenommenen
bibliothekarischen und bibliothekswissenschaftlichen
Publikationswesens ein wenig lockerer und offener auszuprobieren, was
man mit den zeitgemäßen und niedrigschwelligen
Publikationsmöglichkeiten des WWW anfangen kann. Mittlerweile sind
sowohl das Web, als auch der Status der durchgängig ehemals
Studierenden gereift. Die Redaktion besteht aus nicht mehr blutjungen,
aber immer noch entdeckungsfreudigen Absolventen/Graduierten und
Wissenschaftlern, die nach wie vor das nicht ganz Orthodoxe lieben.

Dass die Inhalte frei im Web zur Verfügung stehen, war für uns von
Anfang an nicht nur selbstverständlich, sondern überhaupt nicht anders
denkbar. Man kann demnach von einem internalisierten Open Access
sprechen. Wie wir uns für wessen straffe Definition des goldenen Wegs
als passend oder unpassend erweisen werden, war uns in diesem
Zusammenhang nicht wichtig.

Aufregenderweise führte dieser relativ organische Umgang mit „Open
Access“ dazu, dass sich mit Uwe Jochum auch ein erklärter Gegner
zumindest des Goldenen Weges und von Publikationsmandaten – mitunter
meint man von Open Access allgemein – bereitfand, bei uns zu
publizieren, weil er es für passend erachtete. So jedenfalls seine
Aussage jüngst in der Staatsbibliothek zu Berlin. Diese Publikation
führte zu zwei Folgepublikationen, die ihn nicht ohne Wucht
attackierten.

Im Resultat stand ein kleiner Diskurs, dessen Textinhalt vielleicht
nicht den strengen wissenschaftlichen und methodologischen Kriterien
entspricht, die manch einer für bibliothekswissenschaftliche
Publikationen heranzieht. Sondern ein Austausch.

LIBREAS.Library Ideas ist eine Fachzeitschrift, aber eben nicht nur
und nicht im schmal gefassten traditionellen Sinn.

Wir verstanden und verstehen uns von Anfang an als Diskursmedium. Im
Gegensatz zu den meisten Publikationsorganen „der ersten Reihe“ ist
uns das reine Vermelden weniger wichtig als der Dialog. Dies
umzusetzen erweist sich allerdings als erstaunlich schwer, denn
erfahrungsgemäß sind sowohl von ihren zeitlichen Ressourcen wie auch
ihrer Ausrichtung nur eher geringe Teile der Fachwelt für einen
solchen zu gewinnen. Wo es funktioniert, ist es jedoch hoch
erfrischend.

Fraglos pulsiert die deutsche Bibliothekswissenschaft immer noch nicht
so rege, wie wir uns schon als Studierende erträumten. Ihr
Hauptdilemma und ihr großes Potential liegen im Wandern auf dem Grat
zwischen einem naturwissenschaftlicher Paradigma des Erkennens, einem
sozialwissenschaftlichen des Erklärens und einem
geisteswissenschaftlichen der Interpretation und schließlich der
Dauerdebatte, ob es überhaupt so etwas wie eine
Bibliothekswissenschaft gibt. Dies spiegelt sich auch in den
Interessenlagen innerhalb der Redaktion wider. Da uns nicht an Fronten
liegt, lösen wir das Ganze, indem wir diese Andersheiten anerkennen.
Wichtig an LIBREAS ist uns seit je und auch heute, dass wir uns nicht
gezwungen sehen, einem anderen Leitbild zu folgen, als dem jeweiligen
bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Interesse. Dies
schließt die permanente Suche auch nach Andockmöglichkeiten an andere
Disziplinen mit ein. Eine reine Selbstbespiegelung führt unserer
Meinung nach besonders in unserer Disziplin geradewegs in eine
Sackgasse, an deren Ende sich einfach nichts über den Tag hinaus
Relevantes entdecken lässt. Zweifellos kommen wir aus einer
Generation, mit deren Naturell eine monodimensionale Ausrichtung nicht
vereinbar ist.

Aus diesem Grund hinterfragen wir unser Fach nicht (mehr) auf seine
allgemeinverbindliche und allseits anerkennbare Gültigkeit, sondern
erfreuen uns an der Möglichkeit, dass es so etwas wie die
Bibliothekswissenschaft mit einer  potentiell grandiosen Aussicht auf
die Welt von Wissenschaft und Erkenntnis geben kann. Man muss sie nur
gestalten wollen. Die Spielräume permanent an den diversen
Erwartungshaltungen einer sich mehr und mehr differenzierenden
professionellen und wissenschaftlichen Landschaft ausrichten zu wollen
und LIBREAS vor diesem Hintergrund ständig an diesem recht schwer
kalkulierbaren Maß umzujustieren, scheint uns dafür weniger angemessen
zu sein, als den Entwicklungsraum weiträumig zu halten und einen
gewissen Eigensinn zuzulassen.

Das Ziel der Zeitschrift war von 2005 bis heute die Chance, etwas zu
entwickeln, dass es zuvor so nicht gab. Wenn die Fachwelt dadurch
bereichert wird, ist unser Ziel erreicht.

LIBREAS existiert bei allem, auch das sollte man wissen,  immer auch
an der eigenen Existenzgrenze, denn es ist eine No-Budget-Zeitschrift.
Wir sind also durchaus typisch für die Webpublizistik. Das Institut
für Bibliotheks- und Informationswissenschaft unterstützt uns mit
technischer Ausstattung und seinem Namen. Ansonsten sind wir völlig
unabhängig und nur unserem Entfaltungsinteresse verpflichtet.

Vielleicht liegt hierin die Ursache, dass man uns häufig nicht den
gleichen Stellenwert wie traditionellen Verlagspublikationen zuweist.
Und vielleicht sind wir eher in den Rahmen einer Fach- und
Wissenschaftskommunikation einzuordnen, die irgendwo zwischen
elektronischer Zeitschrift und Weblog liegt.
Vielleicht ist das alles aber auch nicht so wichtig, wenn am Ende eine
Bereicherung sowohl für die Autoren, die Leser und auch die Redakteure
steht.

Es fällt vielleicht leichter LIBREAS einzuordnen, wenn man es als ein
offenes und unabhängiges Diskursmedium im Bereich der thematisch auf
die Bibliothek zugeschnittenen Fach- und Wissenschaftskommunikation
begreift.

Wer sich hieran beteiligen möchte, darf das gern jederzeit tun.
Beispielsweise mit einem Beitrag zum Call for Papers zum Thema
Heldinnen und Helden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft:

http://libreas.wordpress.com/2010/03/24/call-for-papers-ausgabe-17/

Beste Grüße aus Berlin, Mannheim und Bielefeld,

Ihre LIBREAS-Redaktion
-- 
Christian Spließ

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http://www.dacapo-dp.de

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