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Re: [InetBib] Digitalisierte Spitzenstücke der Bayerischen Staatsbibliothek als iPad-Application



Vielleicht ist als Beispiel ein Blick auf Überlegungen in unserem Verlag 
interessant:

Die Tablet-Reader werden sich nach unserer Einschätzung etablieren. Dabei 
werden drei Versionen eine Rolle spielen: 
- das Gerät für die Private Anwendung hauptsächlich zu Hause, nur begrenzt auch 
auf Reisen.
- das Gerät für berufliche Anwendungen
- das Gerät für die Ausbildung.

Bei privaten Anwendungen glauben wir, dass Apple im Prinzip skizziert hat, wie 
das Gerät, die Anwendungsmöglichkeiten und die Benutzerführung aussieht. Die 
vom Umsatz und Datenvolumen wichtigste Anwendung wird auf Spielen liegen. 
Daneben wird Information wie Kinoprogramm, Fahrpläne, Landkarten, 
Tageszeitungen, Magazine  eine große Rolle spielen. Deshalb hat das iPad eine 
so große Bedeutung für die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Es ist in 
Geschwindigkeit und Convenience dem PC deutlich überlegen und wird für  eine 
weitere Verschiebung aus den gedruckten Medien ins Digitale sorgen, 
hauptsächlich aber eben in die Welt der Apps.
Daneben wir das Gerät die Steuerung aller Geräte im Haus als Terminal 
ermöglichen und so in der Nutzung weit über das Internet hinaus gehen.

Bei beruflichen Anwendungen wird es  einige Zielgruppen geben, die mit  
speziell auf sie abgestellten Geräten und Oberflächen arbeiten. So etwa Ärzte, 
für die der Tablet-Reader das Klemmbrett und die Kitteltaschenbücher ersetzt. 

Und in der Ausbildung erscheint eine Kombination aus Tablet mit Docking-Station 
und Tastatur sinnvoll, also die Kombination aus Tablet und Laptop. Auch hier 
steht zu erwarten, dass - ausgehend von den Schulen in Zusammenarbeit mit den 
Schulbuchverlagen - spezielle Schüler-Geräte entwickelt und kostengünstig 
angeboten werden, für die dann die Schulbuchverlage Lernumgebungen und 
Materialien entwickeln, die auf heutigen Werken basieren, aber die Kombination 
von Print und Online ganz neu definieren.

Im Universitären Bereich werden diese Geräte vielleicht auch einmal kommen, das 
wird aber sicher länger dauern.  Bis dahin bauen wir darauf, dass jeder Student 
seine eigene Gerätekombination von PC/Laptop/Tablet/Smartphone hat, und wir 
Lehrmedien aktuell immer sowohl als App für das iPad als auch browserbasiert 
für andere Geräte entwickeln. Diese Lehrmedien werden parallel auch als 
gedruckte Ausgaben erscheinen, die jedoch gegenüber den elektronischen 
natürlich begrenzte Anwendungen haben. Eine Identität von Print und E-book wird 
es in unseren Augen dabei nicht mehr geben. Das zentrale Produkt wird die 
elektronische Anwendung sein, das Buch die abgespeckte Lesevariante. Und beides 
wird ergänzt durch Lern- und Übungsvarianten für Smartphones.

Die private Anwendung wird noch eine ganze Weile das wichtigste Wachstumsfeld 
sein, bevor die Geräte  und Anwendungen für  Beruf und Ausbildung so weit sind. 
 Und im privaten Bereich sehen wir  als Zielgruppe vor allem die älteren, für 
die der iPad endlich ein Computer ist, bei dem man sich nicht gezwungenermaßen 
zum Programmierer weiterbilden muss. Convenience steht also ganz im Vordergrund.
Diese Zielgruppe erscheint mir auch für Bbibliotheken besonders relevant. Hier 
geht es auch nicht darum, Literatur auf dem iPad zu lesen, sondern um das 
Konsultieren und Nachschlagen. Und dazu müssen die Angebote nicht nur attraktiv 
und simpel gestaltet sein, sie müssen auch am richtigen Ort zur richtigen Zeit  
präsentiert werden. Nicht der vollständige Bibliothekskatalog scheint mir der 
Königsweg, sondern ein themenbezogenes  aktuelles Angebot, gut platziert im 
Umfeld anderer Angebote wie Zeitungen, also weniger die Arbeit der 
wissenschaftlichen Bibliotheken als  die der Stadtbüchereien.

Ich würde schon davon ausgehen, dass in einigen Jahren jeder Haushalt  
mindestens einen Tablet-Reader hat, von wem auch immer. Die Marktdurchdringung 
wird hier recht schnell gehen.  In der Ausbildung wird es natürlich erheblich 
länger dauern. Das will ja wieder niemand finanzieren.

Gruss
Matthias Ulmer



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Verlag Eugen Ulmer
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Registergericht Stuttgart, HRA 581
Geschäftsführer: Matthias Ulmer




Am 14.07.2010 um 12:45 schrieb Kay Heiligenhaus:

Lieber Herr Stephan, liebe Inetbibler,

Es ist unübersehbar: Die iPad-App ist nicht identisch mit der iPhone-App.
Cover-Flow und Thumbnail-Ansicht gibt es nur fürs iPad.
Während man beim iPhone sofort spürt, dass das Gerät an seine technischen
Grenzen stößt und die App den Eindruck vermittelt "Muss halt auch sein",
hat die iPad-App alle diese Probleme nicht und die Oberfläche ist in der Tat
sehr viel liebevoller und vielfältiger gestaltet. Es ist halt einfach so, 
dass der
größere Bildschirm manches besser kann. (Anderes aber natürlich auch
wieder nicht: Versuchen Sie mal, ein iPad in die Hosentasche zu stecken ...)

Ja, genauso ist es. Aber offensichtlich - folgt man zumindest den mehr oder 
weniger bekannten Verkaufszahlen des iPads seit seiner Einführung - ist es 
Apple gelungen, eine weitere Geräteklasse im Markt zu positionieren. Im 
Vorfeld der Einführung ist ja viel darüber spekuliert worden, ob die Welt 
eine solche neue Geräteklasse braucht. Auch jetzt scheiden sich die Geister, 
ob sich diese Geräteklasse dauerhaft am Markt halten wird. Ich für meinen 
Teil, das ist aber eben auch einer gewissen Technikverliebtheit geschuldet, 
würde sagen: Ja, das ist eine sinnvolle Ergänzung zwischen Notebook und 
Mobiltelefon/PDA/iPhone/usw. Und die technischen Möglichkeiten, von denen nun 
unsere Phantasie kreativen Gebrauch machen kann, sind in der Tat: 
beeindruckend. Mal schauen, wie lange der Spaß daran anhält. ;)

Zu Frau Ecks grundsätzlicher Kritik an dem iPhone/iPad-Hype möchte ich
gerne noch ergänzen: Mir ist kürzlich ein Student begegnet, der zu meiner
Verblüffung die Auffassung vertreten hat, es sei im Grunde versteckte
Werbung, wenn jede Zeitung heutzutage meine, aufwändige Berichte bei
jeder noch so kleinen Ankündigung einer "Neuentwicklung"
von Apple schreiben zu müssen. Er hat wegen des Genervtseins über Apples
Gebaren sein iBook wieder verscherbelt und sich wieder einen WINDOWS-
Rechner gekauft. In diese Richtung kann der Trend inzwischen also auch
schon wieder laufen, der Mainstream ist das aber freilich
(noch?) nicht. Unverkennbar wächst allerdings zunehmend das Genervtsein
über Steve Jobs quasi-religiöse Selbstdarstellung und Weltvereinnahmung.
Das wird man auch bei Marketing-Strategien im Auge behalten müssen.

Ja. Da kann ich mich nur anschließen.

Frau Ecks hat natürlich schon recht: Was tut man eigentlich als Bibliothek,
wenn man sich einseitig in Richtung Apple positioniert und den Rest der Welt
links liegen lässt? Darf man das als öffentliche Einrichtung? Laut einer 
Statistik
von Ende 2009 verteilen sich die Handy-Betriebssysteme in Deutschland
folgender Maßen: 58,5 Prozent Symbian, 18,4 Prozent Windows Mobile, 15,2
Prozent Apple, 6,1 Prozent RIM, 1,4 Prozent Google/Android. Sicher wird sich
die Verteilung inzwischen etwas zugunsten von Apple verschoben haben,
aber in absoluten Zahlen ist die Zahl der iPhone-User immer noch eine
absolute Minderheit
- auch wenn das gefühlt anders sein mag. (Und auch wenn alle Zeitungen
darüber geschrieben haben, kann man beim iPad garantiert noch nicht von
flächendeckender Verbreitung sprechen.) Selbst in Amerika macht der Anteil
des Apple-Handy-Betriebssystems nur etwa ein Viertel des Gesamtmarktes
aus.

Das ist auch aus meiner Sicht die zentrale Frage: App oder WebApp? Ich 
bevorzuge eher letzteres, denn die Knebel des AppStores und die einseitige 
Positionierung auf die Vertriebskanäle und Zensurmaßnahmen von Appel sind mir 
ein Graus. Aber Apps haben eben ihre spezifischen Vorteile. Und wenn man die 
nutzen möchte, dann muß man die Knebel hinnehmen oder es lassen. Und Strich 
würde ich aber sagen, daß man sich eher darauf konzentrieren sollte, unsere 
"normalen Webanwendungen" auch für eine optimale Nutzung auf einem 
iPhone/iPad usw. auszurichten. Dann kann man sich damit beschäftigen, auch 
Gerätespezifika, sofern sie einen gewissen Verbreitungsgrad haben, bei der 
Implementierung von Webanwendungen zu berücksichtigen, sofern es einen 
Mehrwert bringt.

In Bezug auf das konkrete BSB-Angebot hat sich mir die Frage gestellt, ob das
einer renommierten wissenschaftlichen Bibliothek noch "würdig"
ist.  Eine iPhone-/iPad-App für den Katalogzugriff OK. Das ist eine
bibliothekarische Dienstleistung mit modernsten technischen Mitteln.
Doch dieses Projekt hat eindeutig nur den "Wir-sind-auch-da-in-der-
modernen-Welt"-Effekt(hascherei)-Nimbus. Mit wissenschaftlichem
Anspruch hat es gewiss nichts zu tun, wenn man einfach mal 50 Perlen aus
seinen Digitalisaten heraus pickt, um damit auf sich aufmerksam zu machen.

So ist es. Aber dennoch finde ich es einen sehr erfrischenden Angang, den die 
BSB da unternommen hat. Hält man sich dann noch vor Augen, an was man in 
München im letzten Jahr noch gearbeitet hatte ...

 http://archiv.twoday.net/stories/6024725/

... na dann kann man nur sagen: Willkommen in der Gegenwart. ;)

Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus

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