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Re: [InetBib] Wir brauchen eine europaeische Suchmaschine ...



Lieber Herr Gahn,

bei genauerem nachlesen werden Sie erkennen, dass ich das Wort weise
Platon zitierend uebernahm. Dass sich an der "lebenslangen Grundaufgabe
jeder
einzelnen Person, weise werden zu sollen, absolut nichts verändert.", war
mit ein Grund, warum ich den Rueckgriff auf Plato machte. Wir stimmen hier
also geistig voellig ueberein.

Auch die Tatsache, dass es hoechst bedenklich ist, dass ein Unternehmen
wie Google massiv beeinflusst, was wir finden und was nicht, (ohne, dass
die Nutzer wissen, wie die Ergebnisse genau zutande kommen) ist durchaus
"bedenkenswert" und in dieser Liste auch wiederholt diskutiert worden.
Meist wissen wir ja nicht, was wir alles nicht finden konnten oder
sollten, wenn wir keine Recall-Ratio-Analyse machen.

Darum ist die Frage, was wir dagegen unternehmen koennen, wie wir sie hier
auch schon oefter hatten, sehr berechtigt. Ich sehe nur auch keine Chance,
ein europaeisches Pendent zu Google aufzubauen. Sinnvoller waere, durch
Analysen aufzudecken, mit welchen Strategien Google arbeitet und wo, wer,
wie benachteiligt wird, was nicht einfach ist, weil sich diese Strategien
ununterbrochen (zumindest graduell) aendern. Google selbst verschweigt sie
weitgehend unter dem Deckmantel des publizierten Rankings durch die Links.
Noch wichtiger waere, den USA nicht nur hinterher zu forschen, sondern im
Bereich der Wissensorganisation hier und da auch mal vorauszueilen, da in
der Wissenschaft immer nur der Erste Urheber sein kann.

Dass Computer nach der Informationsverarbeitung, ueber die Semiotik bis
zur Wissensverarbeitung gelangen koennen, weiss ich, dass sie sogar
Bewusstsein erlangen koennen, ist fuer mich naheliegend (hier gibt es in
der Literatur allerdings hoechst abwegige Vorstellungen des Begriffs
Bewusstsein - s. dazu Umstaetter: Zwischen Informationsflut und
Wissensorganisation), ob sie auch zu Weisheit gelangen koennen, ist noch
schwer zu sagen. Wir sollten aber die Comuter der Zukunft nicht
unterschaetzen, und die Defintion von Weisheit ist einerseits nicht
einfach und andererseits oft voellig veraltet. Solange sich noch so
verballhornte Vorstellungen von "Wissen" in den Massenmedien immer breiter
machen, und so lange es bei Wikipedia heisst, es gaebe "zahllose
Definitionen und Konzepte" fuer Weisheit, wird sich das nur wenig aendern.

MfG

W. Umstaetter

Wenn die Computer nun beginnen
Texte auch semantisch interpretieren zu
können (s. Google), und im nächsten Schritt
für die so verstandenen Begriffe
auch noch Begründungen erkennen
bzw. selbst erzeugen können, hat
das natürlich eine neue Qualität der Erinnerung.
Bisher war es aber noch
nie ein Fehler für die Menschheit wissender,
weise oder gedächtnisreicher
zu werden. Probleme traten immer nur auf,
wenn einzelne Gruppen Wissen
erwarben, das ihre Gegner noch nicht hatten,
und das sie gegen diese
Gegner gewinnbringend einsetzen konnten.
Da reichte es schon aus, wenn
Alexander der Große die Lanzen seiner Soldaten,
die Sarissae um ein paar
Zentimeter verlängerte um den gegner früher zu treffen.

Lieber Herr Umstätter,
da Weisheit als moralische Kategorie allein dem sittlichen Subjekt
zukommt, kann diese per se nicht von Maschinen generiert werden. Weisheit
impliziert neben der Einsicht in die eigenen Grenzen u.a. auch die rechte
Anwendung von Wissen. Diese kann prekär werden, wenn das Wissen ungleich
verteilt ist. Ist es aber sozusagen demokratisiert und also prinzipiell
allen zugänglich, so hat sich an der lebenslangen Grundaufgabe jeder
einzelnen Person, weise werden zu sollen, absolut nichts verändert.
Man kann über die positiven und negativen Auswirkungen von Suchmaschinen
streiten. Und auch Schirrmachers Frage, ob es der Menschheit dienlich ist,
wenn alles was in dieser Welt öffentlich wird im Verdauungstrakt eines
privatwirtschaftlichen Giganten landet, ist durchaus bedenkenswert.
Aber mit der Frage nach Weisheit hat das nichts zu tun.
Grüße
Philipp Gahn

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