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Re: [InetBib] Google+ ... und warum ich es nicht haben will



Liebe Kollegen und Kolleginnen
Ich habe den Eindruck, das von Herrn Sander-Beuermann aus Anlass von Google+
gestellte Problem werde hier allzu rasch kleingeredet oder vom Tisch
gewischt. Natürlich gibt es auch anderswo Monopole und ich bin der letzte,
der z.B. das Quasi-Monopol von MS Word (das das bessere WordPerfect
marginalisiert hat) nicht bedauert. Aber dabei geht es 'bloss' um
wirtschaftliche Macht und die Qualität von Produkten. Bei Google aber geht
es darum, dass der Zugang zum Wissen weltweit faktisch monopolisiert wird.
Und als ob das noch nicht bedenklich genug wäre, kommt es nun bei Google,
Apple (Iphone), Amazon und Facebook darüber hinaus zu einer Konzentration
gigantischer Mengen von persönlichen Daten in sehr wenigen privaten
amerikanischen Händen. Und damit immer noch nicht genug: Das Cloud-Computing
steht an, d.h. die Uebergabe der eigenen Daten (privaten und geschäftlichen)
an dieselben Konzerne, damit sie sie überall auf der Welt, wo man einen
Internetzugang gibt, zur Verfügung stellen. Sehr praktisch. Aber wer das
nicht auch gefährlich findet, hat (zu) wenig Phantasie. Nicht die
Konzentration in privaten und amerikanischen Händen ist das Hauptproblem,
die Konzentration selbst ist es, ob privat oder staatlich, ob hier oder in
den USA. 
Man stelle sich nur einmal vor, die Tea Party, eine militant-islamistische
oder eine andere finstere Gruppe käme an die Macht - und wenn sie die Hand
auf zwei, drei Konzerne legt, hat sie den Vollzugriff auf (fast) alle Daten
dieser Welt, zum Gebrauch und Missbrauch... In der Nazizeit wurden
missliebige Bücher verbrannt, aber auf die privaten Bücherbestände der
Bürger hatte die Gestapo in der Regel keinen Zugriff. Heine und Marx wurden
vielleicht in die hinteren Reihen verschoben, aber sie blieben da und
konnten gelesen werden. In Zukunft wird, wer die Macht hat, die Bücher auf
den Servern und auf den persönlichen Geräten (Kindle etc.) löschen können -
und dann ist nicht nur mit Open Access Schluss!
Darüber und über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Machtkontrolle und
Machtdezentralisation müssten wir gerade als Bibliothekare diskutieren
möglichst ohne "Verblödungsmaschinerie" und ohne "Moskau einfach", in der
Blockhuettenversion.
Mit freundlichen Grüssen
Thomas Ehrsam


----------------------
Dr. Thomas Ehrsam
Bibliotheksleiter
Museumsgesellschaft
Limmatquai 62
Postfach
CH-8022 Zürich
Tel. +41 (0)44 254 50 04 / Fax +41 (0)44 252 44 09
mailto:ehrsam@xxxxxx 




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Matthias Trautsch
Gesendet: Mittwoch, 3. August 2011 10:35
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Google+ ... und warum ich es nicht haben will

Liebe KollegInnen,

ich verfolge die Diskussion nun schon eine Weile und will auch mal meinen
Senf abgeben.

Zum einen ist doch im Bereich der Sozialen Netzwerke nun durch Google
vielleicht überhaupt erstmal wieder ein wenig Konkurrenz geschaffen worden.
Es hat ja auch den Anschein, als seie der mittlerweile Quasimonopolist
Facebook nun ein wenig unter Zugzwang und es scheint wohl schon ein wenig
was dran zu sein an dem Ausspruch ... Konkurrenz belebt das Geschäft und
fördert Innovationen.

Was ist nun die eigentliche Kritik an Google?
Ich sehe den Konzern dabei wirklich nicht als weißen Ritter, aber das
Unternehmen hat es wohl scheinbar irgendwie geschafft, sich im
schnelllebigen Internet zu behaupten und einem Großteil der Nutzer von
seinen Diensten zu überzeugen, indem es ihnen einen Mehrwert bietet und das
für den Nutzer in der Regel auch noch kostenfrei.
Das ein Unternehmen nun aber auch irgendwie Geld verdienen muss, sollte wohl
jedem klar sein. Ein Großteil der Nutzer scheint aber nunmal damit leben zu
können, dass andere mit seinen Daten Geld verdienen, solange er selbst einen
Vorteil dabei hat, sei es nun die kostenfreie Nutzung der Google-Dienste
oder ein paar Punkte bei Nutzung einer Paybackkarte ...
Zur Monopolisierung scheint es mir auch so, als seie die doch irgendwie auch
gesellschaftlich gewollt, wenn auch wahrscheinlich die Mehrheit der
Einzelnen das nicht wahrhaben will ...
Um nur mal ein paar Beispiele zu bringen:
Irgendwer muss ja aber bei den Discountern oder Elektroniksupermärkten
kaufen gehen, statt die Lebensmittel bei Tanta Emma, den Fotoapparat im
Fotoladen um die Ecke oder den PC bei einem PC-Händler seines Vertrauens
usw.
Wieviel % der Leser dieser Liste nutzen auf Ihrem PC denn nicht ein
Betriebssystem aus Redmond?
Es muss ja auch ein paar (öffentliche) Bibliotheken geben, die Ihre Bücher
und vieles mehr bei der EKZ kaufen, statt in der Kiezbuchhandlung oder beim
Tischler vor Ort.
Speziell die sozialen Netze scheinen meiner Meinung nach diese
Monopolisierung übrigens geradezu herauszufördern. Denn die leben ja davon,
dass eine große Nutzerschaft und damit ggf. verbunden Unternehmen da ist,
damit die Vernetzung überhaupt Sinn macht. Und kaum einer wird wohl über
lang Lust haben, seine Kontakte in mehr als ein oder zwei Netzen zu pflegen,
mal vielleicht abgesehen von speziellen thematischen Angeboten.

Ansonsten ist es ja nicht so, dass Google keine Konkurrenz hätte, ich denke,
diese ist nirgendwo so groß wie im Internet und man auch schnell mal weg vom
Fenster, wenn man bei den Nutzern nicht ankommt. Die Frage ist, aber was
macht diese Konkurrenz?
Was ist denn aus der einstmaligen Vorzeigefirma Yahoo geworden? Der einstige
Suchmaschinenprimus wirkt einfach nur noch ideenlos und droht in der
Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Was soll man dazu auch sagen, wenn ein
Unternehmen Goldstücke wie delicious nach Jahren der fehlenden Innovationen
verzweifelt wieder weiterverscherbelt. Flickr ist vielleicht noch das letzte
Juwel, aber auch hier scheint es mir, dass man langsam droht den Anschluss
zu verpassen ...
Microsoft hat es mit seine Suchmaschine ja scheinbar zumindest in den USA zu
ein wenig Marktanteilen geschafft, aber was das Internet angeht, scheint der
Softwaregigant kein glückliches Händchen zu haben. Manchmal sollten sich
Firmen vielleicht überlegen, ob man überall mitmischen muss oder wie war das
mit dem Schuster und seinen Leisten?
Was aus den Millionen Steuergeldern für Quaero geworden ist, will ich mal
auch lieber nicht wissen ...

Zum eigentlich Thema Google+ kann ich nur sagen, dass es für mich persönlich
bisher eindeutig das bessere soziale Netz darstellt, was meinen Ansprüchen
und Bedürfnissen bisher am besten entspricht.
Über kurz oder lang wird man zwar wohl auch dort nicht vor den
blumenpflanzenden und ihr Profil mit virtuellen Kettenbriefen vollspamenden
Freunden sicher sein, aber vielleicht bleiben die ja durch solche Aufrufe
hier auch alle bei Facebook. Bleibt zu hoffen ^^

--
mit freundlichen Grüßen
Trautsch

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