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Re: [InetBib] Google+ ... und warum ich es nicht haben will



Lieber Herr Sander-Beuermann, liebe Liste,

zunächst ist es sicher richtig, wenn Sie Herr Sander-Beuermann schreiben,
„Das muessen wir langfristig aendern; darum habe ich in der
Internet-Enquete Kommission der Diskussion angestossen "Massnahmen gegen
die Vereinnahmung des Internet durch globale Online-Konzerne"
(Den Tippfehler mit dem zweiten „der“ habe ich nicht verändert, weil es
sonst kein wörtliches Zitat gewesen wäre. Das nur nebenbei zur
Plagiatsdiskussion ;-)

Wenn ich in dieser Diskussion ebenfalls lese: „Nur: wenn Google neben dem
Suchmaschinen-Monopol auch noch die Herrschaft ueber die sozialen Netze
uebernimmt, dann halte ich das fuer den Gau der Informationsgesellschaft.“
dann ist das, das Unbehagen, das die meisten von uns haben.
Dieses Monopol ist vermutlich nicht nur von Google oder den USA, gewollt,
sondern von sehr viel mehr befreundeten Regierungen, die seit Al Gores
Initialzündung dieser Entwicklung, damit die größte
Informationsüberwachungsmaschine aller Zeiten aufgebaut haben. Wenn man
noch dazu nimmt, dass die semiotischen Fähigkeiten der Computer immer
weiter voranschreiten, was die allermeisten Laien vermutlich nicht wissen,
dann ist die Brisanz dieses Problems kaum zu überschätzen.

Zu viele Menschen glauben noch es gäbe keine künstliche Intelligenz (weil
sie nicht wissen was Intelligenz ist, und sprechen den Computern das
Denken und auch dass begriffliche assoziieren ab. Das macht dann im
Internet leichtfertig.

Die Hoffnung: „Wenn ich meine Daten lediglich hochlade und mit niemandem
teile, dann muss ich immer noch darauf vertrauen, dass der Anbieter selbst
kein Schindluder damit treibt.“ wird ja bereits enttäuscht, wenn wir
sehen, dass das Netz uns Angebote macht, die aus unseren bisherigen
Recherchen heraus (Cookies) hergeleitet werden (Die Speicherung dieser
Cookies abzustellen hat auch Nachteile). So bekommt jede/r von uns immer
stärker nur noch seinen View vom Netz.

Der Aussage „aber es schadet IMMER in erster Linie dem EIGENEN Ansehen,
andere persönlich anzugreifen statt sachlich zu argumentieren.“ Würde ich
gern zustimmen, aber die Realität kennt reihenweise Gegenbeispiele,
insbesondere in den Massenmedien und hier im Internet. Denken Sie nur an
die wohlbekannten Trolle, die davon leben, durch abstruse Äußerungen einen
hohen Bekanntheitsgrad errungen zu haben. Überigens ist Darwin nicht
bekannt geworden weil seine Theorie so gut war (das ist sie
unzweifelhalft), sondern dadurch, dass sich die Kirche persönlich
angegriffen fühlte.

Facebook oder Twitter haben den großen Nachteil, dass jeder anonym seinen
Senf dazugeben kann – was zu unglaublich viel Unsinn führt. Sie haben aber
auch den Vorteil, dass man als Anonymous weitgehend verhindern kann, von
Interessenten durchleuchtet zu werden. Und da stimmen wir vermutlich auch
weitgehend überein, dass das allgemein bekannt sein sollte, bevor man in
einem Netz zu viel von sich preisgibt.

Bezüglich der Bücherverbrennung in der Nazizeit sei noch kurz angemerkt,
dass es bekanntlich viel wirkungsvoller ist, Bücher totzuschweigen
(Uncitedness 4) als sie zu verbrennen. Ersteres könnte (kann) Google duch
sein Ranking leicht bewerkstelligen. Zweiteres hat die Bücher meist noch
bekannter gemacht.

Es ist vermutlich annähernd richtig: „Das Web 2.0 oder wie immer wir es
nennen wollen, ist eine Welt, die zu 100% von den Nutzern erstellt wird.
Google, Facebook und Co. sind nur die Plattformen, auf denen sich Menschen
bewegen.“ Man sollte aber nicht das stealth marketing übersehen. Sind das
Nutzer, Kunden, Anbieter, Maulwürfe, ...? ;-)

Apropos usenet und der Geschichtsträchtigkeit von Google, damals gab es
noch kein semantic web, und Google muss sich nicht auf Facebook oder
Twitter beziehen ;-)

Ich befürchte, dass die echte Gefahr bei den social networks und
insbesondere Google+ von denen ausgeht, die diese Plattform sehr
raffiniert nutzen bzw. manipulieren, sie sollten wir nicht unterschätzen,
sondern eher versuchen dazuzugehören - wenn auch moralisch vertretbar.

Mit freundlichen Grüßen

W. Umstätter



Liebe Liste, lieber Herr Umstaetter!

Die Gefahr, dass Googleplus-Gegner sich in dieser Ecke der ewigen
Nein-Sager (die auch nicht besser sind als die ewigen Ja-Sager)
wiederfinden ist doch zu gross, sobald sie ihre Kritik nicht
nachvollziehbar begruenden koennen.

Meine "Kritik an Googleplus" bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht
auf Eigenschaften oder Featues von Googleplus. Sondern es ist eine
strukturelle Kritik: es die Kritik daran, dass sich das Internet so
entwickeln konnte, dass Mega-Konzerne, die in diesem Fall zufaellig
Google heissen, diese bisher global unglaubliche Machtfuelle erreichen
konnten, und dass niemand sie daran gehindert hat.

Meine "Kritik an Googleplus" ist in diesem Zusammenhang auch keine
Kritik an der Firma Google Inc. Ich zitiere dazu kurz aus meinem Blog
(http://blog.suma-ev.de/content/google-und-warum-ich-es-nicht-haben-will#comments):

"Die Firma Google verhaelt sich in dieser Angelegenheit so, wie sich
globale Konzerne nun mal verhalten - oder vielleicht sogar verhalten
muessen - einschliesslich der Versuche, die Konkurrenz auszuschalten. Ob
die Firma Google dabei in anderen Faellen bei Versuchen der
Konkurrenzausschaltung ihre marktbeherrschende Stellung missbraeuchlich
ausgenutzt hat, ist Gegenstand des laufenden Kartellverfahrens bei der
EU in Bruessel (was in dieser Debatte [um Googleplus] nicht zur
Diskussion steht)."

Warum dann ueberhaupt die Aktion "Googleplus - nein danke!" koennte man
fragen. Wie geschrieben: meine Kritik ist strukturell. Ich habe kein
Patentrezept - und ich glaube, niemand hat es - wie die Strukturen, die
zu dieser Situation im Internet gefuehrt haben, veraendert werden
muessen, um zu einer Vielfalt im Netz zurueckzufinden. Sie, lieber
Herr Umstaetter, beschrieben es mal als "ein allgemeines Unbehagen"
an der Macht der globalen Online-Konzerne aus Uebersee. Das muessen wir
langfristig aendern; darum habe ich in der Internet-Enquete Kommission
der Diskussion angestossen "Massnahmen gegen die Vereinnahmung des
Internet durch globale Online-Konzerne"
(https://demokratie.enquetebeteiligung.de/proposal/534-Ma%C3%9Fnahmen_gegen_die_Vereinnahmung_des_In).
Wie man auch dort nachlesen kann, hat dieses "allgemeine Unbehagen"
sogar eine deutliche und tragfaehige Mehrheit.

Was fuer die Zukunft ansteht, das ist der Einstieg in eine Diskussion,
welche konkreten Massnahmen nun gegen die allgegenwaertigen
Monopolisierungstendenzen im Internet entwickelt werden koennen. Solche
Massnahmen duerfen zum einen nicht die Innovationskraft von
Unternehmen wie Google ausbremsen, muessen trotzdem die Monopolisierung
einschraenken und Raum fuer Vielfalt schaffen.

Ich hoffe, ich habe meinen Standpunkt klarer machen koennen,
und verbleibe mit den besten Gruessen,
Wolfgang Sander-Beuermann
--
Dr.  Wolfgang Sander-Beuermann        Tel.: 0511-762-4383
Projektleiter Suchmaschinenlabor         http://metager.de/suma.html
Regionales Rechenzentrum fuer Niedersachsen (RRZN),
Leibniz Universitaet Hannover (LUH)

--
http://www.inetbib.de



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