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Re: [InetBib] Diebstahl (war: Neues vom Börsenverein in Sachen Urheberrecht und E-Books)



Lieber Herr Pannier,

darauf, dass Information und Wissen keine Handelsware (wie ein Fahrrad) 
ist, hat leider ;-) schon Herr Beßler hingewiesen. Im allgemeinen kaufen
oder leihen wir keine Information und auch kein Wissen, sondern erwerben
nur die Redundanz, und daran meist auch nur Nutzungsrechte.

Auch die Tatsache, dass es ein untragbarer Rückschritt wäre, wenn wir bei
Büchern in Zukunft wieder die Katze im Sack kaufen müssten, nur damit die
Verlage noch mehr Schund vermarkten können, hat Frau Kustos schon
ausgeführt. Es ist, als wüsste man im Verlagswesen nicht mehr wozu die
Errungenschaft von Bibliotheken für die heutige Wissenschaftsgesellschaft
so wichtig war und ist.

Ihrer Unterstellung, ich würde den (unerlaubten) Umgang mit fremdem
Eigentum bagatellisieren, bzw. eine laxe Haltung zum Diebstahl haben, muss
ich aber doch noch widersprechen. Zumal ich ja extra darauf hingewiesen
habe, dass das E-Book Lending Potential in sich birgt, das gerade die
Bibliothekare heute genau deswegen im Auge behalten sollten.

Wenn die elektronische Ausleihe durch Automatisierung weniger Kosten
erfordert, als die in einer Bibliothek, wird spätestens der Bund der
Steuerzahler erneut fragen, wozu man im Bereich der digitalen Dokumente
noch die klassische Ausleihbibliothek braucht. Es geht also nicht um
Bagatellisierung, sondern um die wachsende Gefahr, dass Bibliotheken, wenn
die Verlage clever sind (und das sind sie meist, auch wenn sich ihre Lobby
oft unwissend gibt) von einer Entwicklung überrollt werden könnten, die
sie aus ihrem Fachwissen heraus lieber mitgestalten sollten.

Ich komme noch aus einer Zeit, in der Verleger wiederholt betonten, man
möge sich aus dem Geschäft der Datenbanken unbedingt heraus halten, und im
Hintergrund schon kräftig darum feilschten. Danach "machte das Wort von
K.G. Saur die Runde, dass die Verleger keine Papierhändler seien" (s.
Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum 2009).
Ich hatte damals volles Verständnis für diese Taktik, aber kein
Verständnis dafür, dass Bibliothekare als Fachleute, auf solche Finten
hereinfallen.

MfG

W. Umstätter


Lieber Herr Umstaettter,

Am 31.08.2011 16:04, schrieb Walther Umstaetter:
Bezüglich der Feststellung:
"Laut Studie haben 42 Prozent aller E-Book-Downloader im vergangenen
Jahr
durchschnittlich 18 E-Books aus dem Netz illegal heruntergeladen. Das
entspreche 14 Millionen Exemplaren und 62 Prozent aller
heruntergeladenen
E-Books."
entsteht die eigentliche Frage, wieviele davon wieder verworfen wurden,
weil sie nichts oder nicht das brachten, was die Leser eigentlich
suchten.
In einer Buchhandlung oder einer Bibliothek wird auch nicht jedes Buch
als
Diebstahl gewertet, dass nur zur Ansicht genommen wird, um dann
festszustellen, dass es noch ein besseres gibt.
Eigentlich hatte ich Sie als Lehrenden in Sachen Dokumentation immer für
einen Verfechter klarer Begrifflichkeiten gehalten. Ihre "laxe" Haltung
in Sachen Diebstahl kann aus meiner Sicht daher nicht unkommentiert
bleiben.
Mir geht es hier jetzt nicht um den Börsenverein, sondern um Ihre
Bagatellisierung des Umgangs mit fremdem Eigentum. Wenn am Abend vor
Ihrer Lieblingskneipe ein anderer Gast Ihr mehr oder minder wertvolles
Fahrrad mitgehen läßt und Sie nun vor oder nach dem letzten Bus ohne
dastehen, werden Sie das schlicht als Diebstahl bezeichnen. Und wenn Sie
das Rad versichert haben, werden Sie trotz der geringen Aufklärungsquote
bei Raddiebstählen gleich noch eine Anzeige erstatten. Dabei werden Sie
nie erfahren, dass der Dieb das Rad drei Brücken weiter in die Spree
geworfen hat, weil es von der Gangschaltung und der Sitzposition seinem
Geschmack nicht entsprach oder weil er da auch schon da war, wo er hin
wollte. Sie werden kaum Mutmaßungen über die Motivation des Entwenders
anstellen und sie wäre Ihnen auch völlig egal, Sie wären nur zornig über
den Verlust und den zugefügten Schaden.
Ein in einer Bibliothek/Buchhandlung entwendeter Schmachtfetzen mag dem
Klauer vielleicht nicht gefallen, weil er nicht das findet, was er
gesucht hat, der Bibliothek/der Buchhandlung (und den Lesern von
Schmachtfetzen) hat er jedenfalls einen Verlust/Schaden zugefügt, dessen
Zufügung sich durch seine enttäuschte Erwartung nicht rechtfertigen
läßt. Enttäuschungen gehören zum normalen Lebensrisiko. Wollen Sie dem
enttäuschten Käufer eines "Feuchtgebietes" raten, künftig solche Bücher
lieber in Bibliotheken zu klauen, denn wegen der Ihm zugefügten
Inthaltsenttäuschung müsse man ihm die Entwendung nachsehen?

mit freundlichem Gruß,
aber grübelnd, welche Feststellungen in dieser Liste in letzter Zeit so
getroffen werden und unwidersprochen bleiben

Dietrich Pannier

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Dietrich Pannier
Turbanstraße 15
D-75015 BrettenMail

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