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Re: [InetBib] BID-Pressemitteilung: Bundespräsident a. D. Köhler erhält Karl-Preusker-Medaille 2011



Sehr geehrte Frau Braß,

als Antwort auf Ihre Email würde ich meine folgenden Worte unter diese 
Überschrift stellen:

(K)ein würdiger Preisträger?!

Ich halte die von Ihnen bekannt gegebene Auszeichnung schlichtweg für 
einen Skandal oder besser gesagt die totale Bankrotterklärung des 
Dachverbandes der Bibliotheks- und Informationsverbände, Bibliothek & 
Information Deutschland (BID) e.V.

Ich zitiere mal, als (kurze) Begründung für meine Ansicht, aus einem 
Aufsatz mit dem Titel „Horst Köhler: Scheitern nach oben“, verfasst von 
Albrecht von Lucke und erschienen in „Blätter für deutsche und 
internationale Politik“ (Ausgabe 5/2009):

"Horst Köhler steht höchstpersönlich für jene von ihm kritisierte 
Selbstentmachtung der Politik zugunsten von Wirtschaft und Banken. In 
den letzten 20 Jahren agierte er (als maßgeblicher Politiker oder 
politischer Beamter) stets dort an verantwortlicher Stelle, wo der 
neoliberale Zeitgeist wehte und die entscheidenden Weichen gestellt 
wurden. Anders ausgedrückt: Seine kritischen Erkenntnisse kamen 
regelmäßig zu spät. Auf diese Weise verbirgt sich hinter der 
erstaunlichen Erfolgsgeschichte des Horst Köhler auch eine kleine 
Geschichte der gescheiterten neoliberalen Deregulierungspolitik seit 
1989." (Quelle: Albrecht von Lucke: Horst Köhler: Scheitern nach oben. 
In: Blätter für deutsche und internationale Politik – Ausgabe 5/2009)

Der BID hingegen schreibt in der Begründung für die einstimmige 
Entscheidung der Jury:

"Bundespräsident a. D. Köhler hat in Wort und Tat dazu beigetragen, die 
öffentliche und politische Wertschätzung für Bibliotheken und 
Informationseinrichtungen zu stärken […]" (Quelle: Presseerklärung BID)

Aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes kann ich vielleicht 
noch verstehen, warum man sich so eine Person als Preisträger gesucht 
hat. Ich werde allerdings niemals verstehen, warum man eine Person, die 
maßgeblich an den aktuellen Verwerfungen des Finanzsystems beteiligt war 
und somit maßgeblich Verantwortung für die schwierige Haushaltslage der 
Träger aller Arten von Bibliotheken trägt, als Förderer und positive 
Figur für Bibliotheken und Informationseinrichtungen auszeichnen kann.
Persönlich würde ich den Dachverband der Bibliotheks- und 
Informationsverbände, Bibliothek & Information Deutschland (BID) e.V. 
dazu auffordern den Preis zurückzuziehen (was aber schon aus politischen 
Gründen niemals stattfinden wird).

Der BID hat sich selbst und den Preis mit dieser Entscheidung nachhaltig 
beschädigt und einmal mehr gezeigt, dass dort die persönliche 
Wahrnehmung offensichtlich nicht einen Zentimeter über den Tellerrand 
des eigenen Berufsstandes hinaus geht.

Schade um den Preis!

Donato Biblione

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