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[InetBib] Von Arbeitsgemeinschaften, Trotteln und Calls for Papers



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vergangene Woche kam in einer Mail zum Ausdruck, alle die kleinen 
Vereine, die ihre Vereinszeitschriften, Mitteilungsblätter etc. noch 
gegen Geld  abgeben, statt sie per open-access zu veröffentlichen, seien 
zumindest rückständig.

Nun muss man nicht alle falschen Vorstellungen, die hier in Inetbib 
gelegentlich leichtfertig zu Markte getragen werden, auch kommentieren 
und korrigieren. Die kleineren bibliothekarischen Arbeitsgemeinschaften 
haben es aber verdient, gegen solche Fehlvorstellungen in Schutz 
genommen zu werden.

Diese Gruppierungen, Arbeitsgemeinschaften, Vereine (wie auch immer ihre 
rechtliche Stellung sein mag) bereichern ehrenamtlich das 
bibliothekarische Vereinsleben, geben durchweg spezialbibliothekarische 
Hilfestellungen, sind Selbsthilfeeinrichtungen, wo die großen 
Bibliotheksvereine diese Klientel längst vergessen hat. Was diesen 
Gemeinschaften wie ihren Trägern fehlt, ist natürlich Geld. Wie will man 
aber all diese speziellen Publikationen, Fortbildungsveranstaltungen, 
Referenten u.a. finanzieren? Wer als Einzelner einen Blog schreibt und 
manchmal sogar auf Kosten und zu den Arbeitszeiten seines Dienstherrn 
und unter Nutzung von dessen Ressourcen, muss entweder dessen 
Einverständnis haben oder aber er hat ein dienstrechtliches Problem. Wer 
als Gruppierung aus mehreren Personen an verschiedenen Orten zusammen 
etwas für die gemeinsame Sache machen will und seinen Dienstherrn nicht 
in solch mildtätiger Art hinter sich weiss, der muss sehen, wie er an 
die Ressourcen kommt, um keine Probleme zu haben.

Nun kann man das alles selbst finanzieren, aber das klappt auf die Dauer 
auch mit den gutwilligsten Kolleginnen und Kollegen nicht, dafür sind 
die Beträge zu hoch, wenn man z.B. mal am Bibliothekartag auftreten und 
einen Vortrag halten lassen möchte. Dort müssen "die Kleinen" nämlich 
höflich bitten, ob sie überhaupt mitmachen dürfen. Das war früher 
anders, als noch universitäre Einrichtungen in der Woche nach Pfingsten 
fast kostenfrei für den Veranstalter genutzt werden durften. Die Gründe 
für die jetzige Lage bei den gestiegenen Teilnehmerzahlen sind 
nachvollziehbar. Aber dass "die Kleinen" jetzt häufig zunächst vom 
Programmkomitee einen Hinweis bekommen, ihre angemeldeten Themen 
entsprächen nicht dem Auswahlverfahren des "Calls for Papers", weshalb 
ihre Teilnahme abgelehnt werde, zeigt, dass die Veranstalter des 
Bibliothekartags "die Kleinen" aus dem Blick verloren haben. Wenn sie 
dann zugelassen werden, zahlen sie ordentlich die Raummiete, die 
Referenten, Wasserflaschen für dieselben, Miete für Beamer, manchmal 
sogar Eintrittsgelder für die Referenten etc. und alles aus eigener Tasche.
Wenn Sie ein fachlich spezielles Arbeitsheft oder ein "Blättchen" 
publizieren wollen und da sollten Bibliothekare noch Printpublikationen 
wählen dürfen, entstehen weitere Kosten. Der Absatz ist gerade bei 
monografischen Publikationen nicht immer gesichert.

Aus Mitgliederbeiträgen können Sie solche Dinge nicht finanzieren, denn 
die wenigsten "Mitglieder" wollen dafür mit Geld aus der eigenen Tasche 
eintreten. Als Bibliothek einer Institution dürfen Sie aber nicht einmal 
Mitglied in einem bibliothekarischen Verein, erst recht nicht gegen 
Mitgliedsbeitrag werden, es sei denn, ihr Dienstherr stimmt dem zu. Das 
wird er wohl nur tun, wenn gerade keine Beiträge erhoben werden. Denn 
dazu haben die meisten Dienstherrn weder das Recht noch den Etat 
(Mitglied im Verein wäre dann z.B. der "Freitstaat X, dieser vertreten 
durch die Behördenleitung, diese vertreten durch die Bibliotheksleitung 
[die dazu regelmäßig die Kompetenz nicht hat]). Daher wird bei den 
meisten Spezialgruppierungen die Mitgliedschaft kostenlos vergeben, aber 
an den Bezug einer Publikation gekoppelt. Die Rechnungen für die 
Publikationen können, da fachlich geeignet und für die sonst vom 
Dienstherrn nicht speziell gebotenen Fortbildungs- und 
Informationsinhalte sinnvoll, aus dem Bibliotheksetat gezahlt werden.

Die kleinen Gruppierungen würden sich also selbst den Boden unter den 
Füßen wegziehen, wenn sie open-access vollständig einsetzen würden. Das 
können selbst Ahnungslose nicht wirklich wollen, denn dann hätten Sie ja 
niemanden mehr, an dem sie herummäkeln können.

Dietrich Pannier

-- 
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