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Re: [InetBib] Bibliographic Framework Transition Initiative



Am 11.03.2012 16:18, schrieb Margarete Payer:

da jetzt bekannt ist, dass die LoC am 31. März 2013 das neue Regelwerk RDA
einführen will und auch die DNB bald darauf folgt, würde mich
interessieren, wer von den IT-Freaks der Liste sich schon in obengenannte
Initiative vertieft hat und schon etwas darüber aussagen kann.

Ich würde sagen, diese Initiative sollte nicht nur bei "IT-Freaks"
Interesse wecken. Es geht da um die Zukunft von Daten in Bibliotheken,
mit (hoffentlich) Folgen jenseits der "IT".
Nach meinem Verständnis (das sich u.a. auf Gespräche mit Barbara Tillett
von der LoC gründet), hat die LoC die Kritik an der bestehenden
"Daten-Praxis" in Bibliotheken gehört. Diese Kritik kommt vor allem von
jenen, die versuchen, etwas sinnvolles mit diesen Daten zu machen
("IT-Freaks"?). Sie wurde im Rahmen der RDA-Tests deutlich, hat aber
nichts direkt mit RDA zu tun, sondern sitzt tiefer. Die Feedback-Wege
bei den RDA-Tests an die LoC waren aber ein wirksamer Kanal, auf dem
diese Kritik an die LoC herangetragen und dort deutlich vernommen wurde.
Dieser Frust der "IT-Freaks" bei der Verarbeitung der "hochwertigen
Biblitoheks-Daten" kommuliert sich seit einiger Zeit "global" unter dem
Motto "MARC must die" (wobei MARC hier problemlos durch MAB2 oder
sonstige gebräuchliche Formate ersetzbar ist). "MARC must die" ist der
Titel eines Artikels von Roy Tennant, der schon 2002 auf den Webseiten
des Library Journals erschien und einige Gründe nennt, warum MARC und
ähnliche Datenformate schlecht für die automatisierte Datenverarbeitung
geeignet sind: http://www.libraryjournal.com/article/CA250046.html

Letzes Jahr im Mai, just in den Tagen, in denen die LoC den Start der
"transition initiative" akündigte, hatten wir bei der ELAG-Konferenz in
Prag einen sehr guten Workshop zum Thema "MARC must die?":
http://elag2011.techlib.cz/en/855-07-marc-must-die/
Teilnehmer waren sowohl "IT-Freaks" als auch "Katalogisierer". Von der
LoC nahm Barbara Tillett teil. Die Ergebnisse des Workshops sind sehr
gut (aber plakativ) in dieser Präsentation zusammengefasst:
http://www.slideshare.net/schambers3/marc-must-die
Der Konsenz in diesem Workshop war, dass durch die aktuelle
"Datenpraxis" (das umfasst Formate, Regelwerke und praktischer Umgang
mit diesen, also "Datenmanagement") leider viele Chancen zur sinnvollen
und effizienteren Nutzung von Bibliotheksdaten vertan werden. Das
erzeugt zum einen Frust bei jenen, die gerne mehr mit diesen Daten tun
würden, zum anderen aber auch bei jenen, die diese Daten erstellen und
pflegen. Daneben wird zumindest in anderen Teilen der Welt offenbar auch
ein kritischer Blick auf die Kosten der aktuellen "Datenpraxis" in
Bibliotheken geworfen, siehe auch den Hinweis auf "budgetary
constraints" in dem ersten Statement der LoC zur "transition
initiative":
http://www.loc.gov/marc/transition/news/framework-051311.html (es gibt
aber wohl leider nur wenige solide Betrachtungen des "Geschäftsmodells"
hinter der aktuellen Datenpraxis im Bibliotheksbereich).
Als Alternative zur aktuellen Praxis sahen die Teilnehmer des Workshops:
Stärkere Orientierung von Bibliotheksdaten an realen Nutzungsszenarien
statt abstrakten Regelwerken, das heißt schlicht: dem Web (-> "agile
cataloguing"). Die Abkehr vom Paradigma "geschlossener, vollständiger
Datensätze" hin zu offenen Sammlungen von Aussagen zu
Bibliotheksressourcen, die aus verschiedenen Quellen kommen können.
Öffnung von Datenbeständen in "webkompatibler" Form.
Letztendlich lief das alles auf "linked (open) data" als Lösung hinaus.
Vielleicht nicht verwunderlich angesichts der Aufmerksamkeit, die dieses
Thema im Bibliothekswesen gefunden hat. Ich denke aber, der Workshop hat
klar gezeigt, dass das weit über ein "Modethema" hinaus geht. Mit den
Paradigmen hinter "linked open data" könnten sich einige der Probleme,
die wir aktuell mit unseren Daten haben, tatsächlich lösen lassen.
(siehe dazu auch den Abschluss-Bericht der W3C Library Linked Data
Incubator Group: http://www.w3.org/2005/Incubator/lld/XGR-lld-20111025/)

So ist es wenig überraschend, dass die Library of Congress als
"Approach" für ihre "transition initiative" auch "linked data" in den
Mittelpunkt stellt (s.
http://www.loc.gov/marc/transition/news/framework-103111.html)

Um nun nochmal den Bogen zu den "nicht-IT-Freaks" zu spannen: Die
Auswirkungen von "linked data" (und der Inititative der LoC) auf heutige
Praktiken des Datenmanagements in Bibliotheken ("Katalogisierung")
wurden in dem Workshop auch angerissen. Endgültige Aussagen lassen sich
dazu natürlich noch keine machen, wir sind ja erst am Anfang. Klar war
aber: Es könnte sich einiges ändern, vermutlich nicht nur
Katalogisierungsoberflächen und "Datenformate", sondern Paradigmen...
Aber das ist ja das Ziel...

Es sollen in diesem Projekt ja die Forderungen der LoC, die Vorteile neuer
Techniken in einem Austauschformat einzusetzen, erfüllt werden.

Das Konzept "Datenaustausch" (zwischen geschlossenen Systemen) ist
eigentlich veraltet. Es geht darum, Daten in einer einfach zu
verarbeitenden Form nutzbar zu machen, in beliebigen Kontexten, also
offenen Umgebungen. Da das Web die universelle Plattform zur Nutzung von
Daten ist, bedeutet das vor allem: Die Daten müssen ins Web...
So verstehe ich auch die Initiative der Library of Congress...
Das könnte ein Paradigmen-Wechsel sein. Deswegen würde ich die
Vertiefung in das Thema nicht nur "IT-Freaks" empfehlen.

Viele Grüße,
Till Kinstler

-- 
Till Kinstler
Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (VZG)
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