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[InetBib] Der ewige Bloomsday oder: Das Urheberrecht, die Kultur und die Gier



Liebe Liste,

das hohe Schutzniveau des Urheberrechts und vor allem seine lange Dauer 
werden immer wieder mit der kulturschaffenden Wirkung dieses Schutzes 
begründet.

Da ist es umso bemerkenswerter, wenn in der Frankfurter Allgemeinen 
Zeitung, die für freie Inhalte nicht gerade große Sympathien hegt, 
anläßlich zweier(!) in Erscheinung begriffener Hörbücher von Joyces 
Ulysses dies zu lesen ist:

"Denn zum Jahresanfang sind die Rechte am Werk des 1941 in Zürich 
gestorbenen James Joyce frei geworden. Die Erben des Dichters, an ihrer 
Spitze der so streitbare wie umstrittene Enkel Stephen James Joyce, sind 
damit ihres Einflusses weitgehend beraubt - vor allem müssen sie nicht 
mehr honoriert werden, wenn ein Verlag, ein Studio oder eben ein Sender 
die Romane, Erzählungen oder Gedichte des literaturlegendären Vorfahren 
aufs Neue druckt, neu übersetzen lässt oder audiovisuell nutzt. Explizit 
hat etwa Claus-Ulrich Bielefeld, Literaturredakteur im RBB, von 'der 
Geldgier der Enkel' gesprochen, die seinen Joyce-Plan lange verhindert 
habe. Er macht nun sofort von der Gunst der Urheberfreiheit Gebrauch - 
und Manfred Hess, der Hörspieldramaturg im SWR, steht ihm nicht nach."
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/jahrhundertbuch-im-radio-und-auf-cd-vor-ulysses-muss-sich-niemand-fuerchten-11716908.html

Es war auch die FAZ, die am 12. Januar auf S. 30 unter der Überschrift 
"James Joyce, frei für alle" schrieb:
"Zu Jahresbeginn ist ein Termin verstrichen, den Forscher, Verleger und 
Interpreten des Werks von James Joyce als Grund zur Feier empfinden: die 
Aufhebung des Urheberschutzes für den Großteil des OEuvres des im Januar 
1941 gestorbenen irischen Schriftstellers. Nach europäischem Gesetz 
erlischt die Frist siebzig Jahre nach dem Tod eines Autors. Für die 
Joyce-Gemeinde ist dies ein Wendepunkt, ähnlich der Befreiung von einem 
tyrannischen Regime."
[Dieser Beitrag ist leider nur im Bezahlbereich der FAZ zugänglich, also 
doch nicht "frei für alle". ;)) ]

Am Beispiel von Joyce können wir beobachten, wie stimulierend die 
Gemeinfreiheit für kulturelles Schaffen sein kann. Das sehen offenbar 
auch die Verlage, die nunmehr in Hörbuchproduktionen von Joyce (weitere 
sind angekündigt) investieren. Und das sieht auch die FAZ so, wenn sie 
die nunmehr mögliche Hörbuchproduktion schon vor dem Erscheinen hymnisch 
als kulturelle Großtat preist.

Viele Grüße
Eric Steinhauer

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