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Re: [InetBib] Erfahrung mit LAP (Lambert Academic



On Thu, 13 Sep 2012 11:08:39 +0000
 Andreas Drechsler <andreas.drechsler@xxxxxxxxxxxxxx>
wrote:
Liebe Frau Lambrecht, liebe Listenteilnehmer,
Ich will  hier die VDM-Gruppe in ihrer Praxis
nicht aufwerten und schließe mich der weithin
verbreiteten Kritik an, aber die Titel von VDM selber
oder Lambert  sind nach meiner Beobachtung nicht
schlechter oder besser als die etlicher anderer Verlage,
die sich nach dem gleichen Geschäftsmodell gleichfalls
ausschließlich  auf Abschlussarbeiten konzentrieren und
die Bücher ohne jede Überarbeitung für einen gepfefferten
Preis auf den Markt werfen. Der Nachteil für die
Verfasser ist eher der, dass das schlechte Image der
gesamten VDM-Gruppe  (Man wird ja schon hellhörig, wenn
ein neuer Verlag mit Saarbrücken oder Réunion [oder wo
sitzt Betascript nocht angeblich?] als Verlagsort
erscheint!) die Akzeptanz des Werks selber stark
beeinträchtigt.

Aus der Sicht der Wissenschaft kann man diesen
differenzierenden Worten nur beipflichten.

Es ist ueberhaupt nicht ausgemacht, was "schlechte Buecher"
sind. Frueher bevormundeten Bibliothekare die Leser, indem
sie dem "Schund" auch auf dem Eingang ueber das
Pflichtexemplar die Bibliothekspforten versperrten (was die
historische Forschung ueber Trivialliteratur empfindlich
beeintraechtigt), heute ist die Hatz auf akademische
Abschlussarbeiten eroeffnet.

Es spricht fuer sich, dass Mangei in seinem schlechten
Aufsatz "Vom Umgang mit „schlechten Büchern“ aus
bibliothekarischer Sicht. Viel Spreu, wenig Weizen"

http://www.b-i-t-online.de/heft/2012-04/fachbeitrag-mangei.pdf
(Link nur fuer Abonnenten!)

sich nur auf einen online nicht einsehbaren Zeitungsartikel
"Zur Veröffentlichung von Masterarbeiten vgl. u.a.
vollmuth, Hannes: Akademische Gehversuche. Masterarbeiten
veröffentlichen? Das ist ebenso simpel wie heikel. In:
Süddeutsche Zeitung, 12. Dezember 2011" (fuer eine Kopie
waere ich dankbar!) beruft, obwohl das von mir bereits 1989
zusammengetragene Material 

http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=4165

zu anderen Schluessen berechtigt. Leider dominiert bei
Abschlussarbeiten unterhalb der Dissertation immer noch die
Ignoranz der deutschen Universitaetsbibliotheken, die sich
weigern, Exemplare zu archivieren und damit der
Wissenschaft zugaenglich zu machen. Universitaetsarchive
uebernehmen solche Arbeiten meist nur in kleiner Auswahl. 

Auch zur Plagiatspraevention plaediere ich dafuer, alle
akademischen Abschlussarbeiten, auch Bachelorarbeiten
(davon gibt es auf diversen Hochschulschriftenservern eine
ganze Menge), obligatorisch auf dem
Hochschulschriftenserver veroeffentlichen zu lassen. Alle
diese Arbeiten sind insofern qualitaetsgesichert, dass in
der Regel mindestens zwei Hochschullehrer fuer ihre Annahme
als wissenschaftliche Leistung buergen.

Man kann es nicht besser formulieren als die gestern
veroeffentlichten Empfehlungen der BOAI-10-Konferenz fuer
Open Access, die nach der Website in Kuerze auch auf
Deutsch vorliegen werden:

http://www.soros.org/openaccess/boai-10-recommendations

"Every institution of higher education offering advanced
degrees should have a policy assuring that future theses
and dissertations are deposited upon acceptance in the
institution's OA repository. At the request of students who
want to publish their work, or seek a patent on a
patentable discovery, policies should grant reasonable
delays rather than permanent exemptions."

Aus meiner Sicht ist die durchschnittliche Masterarbeit in
den Geisteswissenschaften (hohes Risiko, dass sie fuer alle
Zeiten verloren fuer die Wissenschaft ist) nicht schlechter
als eine 50-Seiten-Dissertation in der Medizin
(Veroeffentlichungszwang!). In Oesterreich werden alle
Diplomarbeiten dauerhaft archiviert.

Was frueher der ideologische Kampf gegen den "Schund" war,
vor dem man die Leser in den Bibliotheken bewahren wollte,
ist heute die nicht weniger ideologisch verbohrte Hatz auf
die Abschlussarbeiten, wenn sie bei VDM etc. erscheinen. So
wenig Sympathie ich dafuer habe, wenn diese wenig
erfreuliche Verlagsfamilie Wikipedia-Artikel in Buchform
bringt, so sehr liegt mir am Herzen, dass Wissenschaftler
die Chance haben, ohne Bevormundung akademische
Abschlussarbeiten in zumutbarer Weise zur Kenntnis nehmen
zu duerfen, um sich ein eigenes Bild machen zu koennen. VDM
antwortet hier nur auf den ueberwiegend inakzeptablen
bibliothekarischen Umgang mit diesen Arbeiten.

Klaus Graf

 

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