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Re: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek



Lieber Herr Steinhauer, herzlichen Dank für diesen Hinweis.
Der Satz: „Hier steuere man auf einen Konflikt zu.“ Ist schlicht 
falsch. Der Konflikt, dass die Verlage schon seit Jahren Bibliotheken, 
ebenso wie allen ihren Lesern immer nur noch Nutzungsrechte und weder 
Besitz, Eigentum oder Verwertunsrechte an einer gekauften Information zu 
überlassen bereit sind, war doch schon längst eine Enteignung (Inetbib 
18. September 2012 13:46).
Um so pikanter aber auch typischer ist, dass diese Verlage nun haltet 
den Dieb rufen, und bei Google von Enteignung sprechen, damit nicht 
auffällt, was sie selbst wirklich zielstrebig seit Jahrzehnten betrieben 
haben.

Dazu passt doch auch, dass sich große amerikanische Verlage weigern, 
mit Bibliotheken Verhandlungen und Verträge einzugehen. 
(http://www.ala.org/news/pr?id=11508). Während Verlage früher mit den 
Bibliotheken gemeinsam dazu beitrugen, dass Autorenmanuskripte möglichst 
allen zugänglich gemacht wurden, die daran ein Interesse haben. Begannen 
einigen von ihnen mit dem Auftauchen der ersten Kopiermaschinen und 
insbesondere bei der Digitalisierung damit diese Publikationen immer 
stärker zu verknappen, um ihre Gewinne zu maximieren. Sie haben also 
ihre eigene Zielsetzung inzwischen umgekehrt, ohne dass die meisten 
Juristen, Politiker und Volkswirtschaftler merken, wie diese Verlage 
(bei weitem nicht alle) inzwischen gegegen die Volksbildung arbeiten. 
Dass ihnen das bislang gelungen ist, erkennt man speziell bei den 
Reichsten der Verlage, die damit ein Heer von Lobbyisten und 
Pseudowissenschaftlern finanzieren, so wie es die Tabakindustrie vor 
einem halben Jahrhundert schon tat.

Dass es taktisch ein guter Trick ist, in diesem Zusammenhang 
Öffentliche Bibliotheken als Sozialsationen zu kennzeichnen, muss man 
aber auch als Gegner angemessen würdigen. Denn es verleiht der 
Argumentation der Verlage so etwas soziales, ehrt die Bibliothekarinnen 
quasi als Krankenschwesern des Geistes in unserem Staat, und damit ist 
die geistige Suppenküche doch etwas sehr schönes. Möglicherweise gibt es 
noch 50 Shades of Gray zum Nachtisch - "Geschenkt, versteht sich. :)"

MfG

Walther Umstätter


Am 11.10.2012 15:25, schrieb Eric Steinhauer:
Liebe Liste,

in einer Pressemitteilung auf börsenblatt.net, in der ein neues
Geschäftsmodell für die Direkt-Ausleihe von eBooks über Verlage bzw.
Verwerter direkt an Leser vorgestellt wird, spricht Herr Ulmer vom
Börsenverein bemerkenswerten Klartext:

"Längst sprächen die Bibliotheken nicht mehr ihre ursprüngliche, eher
einkommensschwache Zielgruppe an, sondern einen wesentlich größeren
Nutzerkreis."
Quelle: http://www.boersenblatt.net/552865/

Öffentliche Bibliotheken sind also für sozialschwache 
Bevölkerungskreise
da. Wer den hermeneutischen Schlüssel für die Unterfinanzierung von
Bibliotheken im Vergleich zur so genannten Hochkultur sucht, hier ist
er. Bibliotheken sind nicht Bildungs- oder Kultureinrichtungen, wie 
man
immer denkt, sondern ressortieren offenbar bei der Armenfürsorge. Da 
die
Sozialbudgets bekanntlich die größten sind, sind das doch tolle 
Aussichten.

Außerdem können sich interessante neue Kooperationsmöglichkeiten mit 
dem
Buchhandel ergeben, denn die örtliche "Büchertafel" nimmt sicher 
gerne
Ladenhüter und Remittenden, die die Besserverdienenden nicht haben
wollen, in ihren Bestand auf. Geschenkt, versteht sich. :)

Viele Grüße
Eric Steinhauer

-- 
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