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Re: [InetBib] Weltnormentag



Liebe Liste, lieber Herr Kinstler,

Sie erinnern sich an die Mail des Herrn Graf: da war von „gnadenloser Abzocke, 
eine Heuchlerin, Beutelschneiderei, korrupte Normenfindungsszene, fehlende 
Transparenz hinsichtlich der finanziellen Aspekte“ die Rede. Nun, einige dieser 
Begriffe rechne ich dem eingeschränkten Vokabular dieses Herrn zu.

Hinsichtlich der sachlichen Aspekte sieht es eher so aus, dass allgemein eine 
gewisse Unkenntnis über das Arbeitsvolumen und dessen Finanzierung im 
nationalen und internationalen Standardisierungsprozess herrscht. Oftmals wird 
mit dem Begriff der Gemeinnützigkeit auch die irrige Vorstellung verbunden, 
alle Arbeitsergebnisse solcher Institutionen müssten der Allgemeinheit 
kostenlos zur Verfügung gestellt werden. 

Frau Albrecht hat noch dankenswerterweise auf den Geschäftsbericht 2011 des DIN 
verwiesen. Es wäre erfreulich gewesen, wenn Herr Graf einen konstruktiven 
Hinweis gegeben hätte, wie die eigenen Erträge des DIN, die 68 % des 
Gesamthaushalts ausmachen und deren größter Anteil der Normenverkauf ist (Seite 
24/25), aus anderen Quellen gedeckt werden können. Es ist eben nicht so, dass 
das DIN sich nur aus Steuergeldern finanziert und daraus der Anspruch ableiten 
lässt, die Arbeitsergebnisse bereits bezahlt zu haben. (Auch der öffentliche 
Nahverkehr ist größtenteils steuerfinanziert und trotzdem müssen Sie ein Ticket 
lösen!) 

Zum Thema „Offenheit des Normungsprozesses“ sei nochmals auf die Satzung des 
DIN, die DIN 820 und den am 5. Juni 1975 geschlossenen Vertrag mit der 
Bundesrepublik Deutschland verwiesen. In all diesen Dokumenten wird auf die 
unbedingte Offenheit der Verfahren und Zugänglichkeit für jedermann 
hingewiesen. Angesichts der Komplexität der Materie in vielen 
Normungsausschüssen interessiert das aber oft nur einige wenige Experten und 
das Interesse der „Öffentlichkeit“ ist - auch im Widerspruchsverfahren - 
denkbar gering. Wenn Sie, lieber Herr Kinstler, also Interesse an der Mitarbeit 
in einem der Normungsausschüsse des DIN, DKE oder VDE haben, steht dem – außer 
vielleicht der Einwilligung Ihres Arbeitgebers – nichts im Wege. In manchen 
dieser Ausschüsse wird händeringend nach (wirklichen) Experten gesucht.

MfG

Rupert Rompel



-------- Original-Nachricht --------
Datum: Tue, 16 Oct 2012 10:04:35 +0200
Von: Till Kinstler <kinstler@xxxxxx>
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Weltnormentag

Am 15.10.2012 17:41, schrieb Rupert Rompel:
Liebe Liste,

das ist sicherlich ein beachtenswertes Beispiel, das aber bei näherem
Hinschauen erklärlich ist:

Die Anzahl der Commitees und Working Groups in
Standardisierungsorganisationen kann eigentlich nicht der entscheidende
Grund dafür sein, ob die Ergebnisse frei oder eben nicht frei zugänglich
sind. Denn dann habe ich ein Gegenbeispiel: Eines der am besten
funktionierenden und erfolgreichsten Kommunikationsnetze funktioniert
nach meiner Meinung gerade so gut, weil der Standardisierungsprozess
vollkommen offen ist. Die Internet Engeneering Task Force (IETF) ist
aber ein reichlich komplexer (oder einfacher?), bunt zusammengewürfelter
Haufen, nichtmal eine Organisationsform hat sie.
Wenn Sie in einer früheren Mail also schreiben: "Wahrscheinlich ist
Ihnen auch gar nicht bewusst, dass Sie schon mit dem Verfassen Ihrer
abschätzigen Replik auf Frau Albrecht auf Ihrem Computer Nutznießer von
zig Normen sind, ohne die Ihr Computer überhaupt nicht funktionieren,
geschweige denn Ihr Pamphlet in’s Internet befördern würde.", dann
sollten Sie nicht verschweigen, dass gerade die Beförderung von
Pamphleten ins Internet auf vollkommen frei zugänglichen Standards
beruht, die Ergebnis von vollkommen offenen Standardisierungsverfahren
sind. So kann es auch gehen...

Viele Grüße,
Till Kinstler

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Till Kinstler
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