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AW: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek



Liebe Frau Kustos,

die Tatsache des Mangels an Diskussion ist im bibliothekarischen Bereich ein 
Fisch der vom Kopfe her undemokratisch stinkt.

Das Thema "Hochkultur" war direkt auf die Aussage von Walther Umstätter 
gemünzt: "Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen, wenn es weiterhin das Ziel von 
immer mehr Verlagen ist, die Gesellschaft mit Feuchtgebieten, Bild, etc. zu 
verdummen, um Auflagenzahlen zu erhöhen bzw. zu retten, dann muss das die 
Bibliotheken zum Kampf dagegen aufrufen." Da steigt ein Hauch von "gute Kultur" 
vs. "schlechte Kultur" auf, den ich doch eher unerträglich finde. Man kann, 
sofern man die Kompetenzen dazu hat, in langen Prozessen demokratischer 
Leitbilderstellung zusammen definieren was Inhalt einer Bibliothek sein kann, 
darf und sollte. Sich aber aufzuschwingen zum Heiligen der Hochkultur erscheint 
mir wie gesagt völlig unangemessen.

Gleichsam unangemessen ist es, Verlagen ihre Aufgabe vorzuschreiben. Sie haben 
nur eine einzige: Geld verdienen. Alles andere hielte ich für wunderbar, aber 
es entspricht nicht der Realität. 

Dann kommen auch Sie mit kulturell hochwertiger Literatur - wie gesagt 
gruselig. Was ist denn das Gegenteil von kulturell hochwertiger Literatur? Aber 
es ist schön, dass Sie das Wort Kolporteur nutzen. Mir war immer so als wäre 
ein Kolporteur jemand, der Gerüchte verbreitet. Bibliotheken verbreiten also 
Gerüchte über Hochkultur - großartig. Meinen Sie die Bestsellerlisten? 

Danach schreiben Sie über Monopolisierung und Verknappungspolitik. Das gleiche 
habe ich ja auch getan, darauf haben Sie ja leider nicht reagiert. Und logisch 
- als Verlag ist es mir doch egal was die Bibliothek macht, hauptsache sie 
behindert mein Geschäft nicht. Das ist abartig, aber es ist doch die Realität?

Ich habe dann im folgenden auch nicht widersprochen, Bibliotheken einen 
kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag zuzuweisen. Nur ist er nicht so klar 
wie Sie es formulieren und es stellt sich die Frage wer ihn wo mit welchem 
Recht formulieren darf.

Weiterhin schreiben Sie: "Bildung und Wissenschaft funktionieren nur in einem 
öffentlichen Raum und nur ein solcher ist auch ein Schutz gegen 
Diskriminierung, Vorenthaltung und vollständige Kommerzialisierung." Dem möchte 
ich nun deutlich widersprechen. Liest man den neuen "IFLA-Ethikkodex für 
Bibliothekarinnen und andere im Informationssektor Beschäftigte" stellt man 
fest, dass man sehr wohl rassistische und menschenverachtende Werke in der ÖB 
sammeln müsste, um sich ja neutral zu verhalten. Dieser Punkt ist - bezogen auf 
den zweiten Teil Ihres Satzes völlig unhaltbar.

Dann noch zwei Sätze zum "Berufsstand": ich bezweifle tatsächlich, dass es 
diesen noch als festlegbaren Berufsstand gibt. Wir können uns gerne auf eine 
Gruppe bibliotheksnaher Berufe einigen, aber gerade die Professionalisierung in 
Teilbereichen der Arbeit in Bibliotheken widerspricht der These es gäbe 
überhaupt noch ein Berufsbild oder gar einen Berufsstand.

Ein letzter Satz: jammern über die Politik, die sich eher für teure Filmpreise 
interessiert statt für uns ist langweilig, denn die Politik ist nur ein Abbild 
der Gesellschaft - und damit ein Abbild von uns selbst.

Beste Grüße

Donato Biblione

-- 
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