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Re: [InetBib] Causa Stralsund: Rueckabwicklung und Stuecke bei Reiss



Silke Ecks schrieb:

Was ich aber vermutlich bis ans Ende aller Tage nicht begreifen werde,
ist, wieso im Kunst- und Kulturbereich offenbar eine Art
Präzedenzrecht zum Greifen kommt, bei dem der schlichte Verkauf einer
unrechtmäßig erworbenen Sache genügt, um diese den Eigentümer wechseln
zu lassen - das scheint ja auch bei Beutekunst nicht anders?

Das ist kein Spezifikum des Kunst- und Kulturbereichs.

Grundsätzlich kann der Käufer einer Sache nach deutschem Recht an
dieser Sache nur dann Eigentum erwerben, wenn er die Sache vom
Berechtigten (also in der Regel dem wahren Eigentümer) erwirbt. [1] 

Ist das einmal nicht der Fall, verkauft also jemand eine Sache, die
gar nicht die seine ist, dann schaut am Ende entweder der Käufer in
die Röhre (weil er zahlt, aber nichts bekommt) oder der Eigentümer
(weil seine Sache weg ist, er aber kein Geld bekommt). Den
unberechtigten Verkäufer kann man in der Regel rein praktisch nicht
belangen ... Das deutsche Recht löst dieses Problem, dass bei dieser
Konstellation einer leider verloren hat, einigermaßen fair, indem es
darauf abstellt, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ein anderer
als der Eigentümer die Sache verkaufen konnte:

* Ist die Sache dem Eigentümer abhanden gekommen oder wurde sie
  gestohlen, bleibt der Eigentümer auch Eigentümer. Die
  Verkaufsgeschäfte sind unwirksam; er bekommt seine Sache zurück.
  (Ausnahme ist im wesentlichen nur Geld.)

* Ist die Sache aber nicht abhanden gekommen, hat der Eigentümer sie
  also dem bösen Verkäufer bspw. geliehen oder sonstwie zur Verfügung
  gestellt, dann kann der Käufer ausnahmsweise gutgläubig Eigentum
  erwerben, nämlich dann, wenn er davon ausgegangen ist und auch davon
  ausgehen durfte, dass der Verkäufer berechtigt handelt. Wenn der
  Käufer also nicht selbst ein böser Mensch ist, dann darf er die
  Sache behalten, und dann schaut der Eigentümer in die Röhre.

[1] Die Trennung zwischen Kaufvertrag und dessen Erfüllung, also den
    gesonderten dinglichen Verträgen, mit denen das Eigentum erst
    übertragen wird, lasse ich einmal unter den Tisch fallen, um die
    Diskussion nicht mit den Feinheiten des Abstraktionsprinzips zu
    überfrachten. Es soll die Bemerkung genügen, dass "Kauf" nur
    bedeutet, daß der Käufer einen Anspruch hat, die Kaufsache zu
    Eigentum zu erhalten, er aber mitnichten dadurch schon der neue
    Eigentümer wird!

Jeder kleine Hehler müßte alltägliche Hausrats-Gegenstände ersatzlos
wieder herausgeben - aber wenn er schlau genug war, die Dieb nur die
Bilder, Bücher, Münzen abzukaufen, also die Dinge, die wirklich
wertvoll und rar sind, dann hätte er, ebenso wie die, an die er
weiterverkauft, bei Einzug Anspruch auf Schadensersatz / Erstattung
des Kaufbetrages?

Nein. Wer als Hehler - also wissentlich gestohlenes Gut - ankauft,
erwirbt daran kein Eigentum. Gleiches gilt für die, die vom Hehler
kaufen. Sie müssen die Sachen - und zwar gleichgültig welcher Art - an
den Eigentümer ersatzlos herausgeben. Schadensersatz können sie nur
beim Hehler und dieser dann beim Dieb geltend machen (wenn man
denjenigen denn erwischt und er zahlen kann).

Anders sieht es aus, wenn das Gut nicht gestohlen, sondern
unterschlagen wurde, bspw. ein Buch aus einer Bibliothek entliehen.
Wenn der Käufer dem Buch nicht ansieht, dass es ein Bibliotheksbuch
ist, dann darf er es behalten, und die Bibliothek muss sehen, wie sie
Schadensersatz beim bösen Entleiher geltend macht.

(Das hilft bei unersetzlichen Einzelstücken nicht wirklich weiter,
weil man diesen Schaden ja gar nicht ersetzen kann ...)

Wenn ich jemandem ein Radio oder auch Buch abkaufe, von dem ich
annehme, dass das seins war, und dann die Polizei kommen und es
mitnehmen würde, könnte ich lange warten, bis ich Ersatz dafür bekomme

Eigentlich nicht. Wenn das Radio oder Buch nicht gestohlen wurde,
gehört es Ihnen, wenn Sie nur geglaubt haben, dass es dem Verkäufer
auch wirklich gehört hat (und Sie dies auch guten Gewissens tun
durften, also nicht noch der Inventarstempel auf der Innenseite und
die Signatur auf dem Umschlag aufgeklebt ist ...).

Womit ich jetzt nicht den Antiquar oder andere Beteiligte gemeint
haben will, hier haben ja anscheinend alle "guten" Glaubens gehandelt,
aber in der üblichen Rechtspraxis schützt bekanntlich Unwissenheit vor
Strafe nicht!

Das betrifft zum einen nur das Strafrecht, nicht die zivilrechtliche
Eigentumsordnung, und ist zum anderen eigentlich falsch, weil echte,
unverschuldete Unkenntnis des Rechts durchaus vor Strafe schützt (§ 17
StGB); sie kommt aber nur selten vor, weil die Anforderungen daran
sehr hoch sind.

Meine Frage ist allgemeinerer Art.
Unrechtmäßig weitergegebene billige Massenware wird also beschlagnahmt
und letztendlich zurückgeführt, während wertvolles Kulturgut
mitschangs für immer aus dem Blick verschwinden kann und anscheinend
alle machtlos dagegen sind (wenn nicht wer aufpasst "wie ein
Schießhund", so wie hier Herr Graf)?

So ist es nicht.

Reicht es für eine Rechtmäßigkeit der Weiterverkäufe und die
Verhinderung einer Beschlagnahme, dass (wie in Stralsund) zunächst mal
faktisch nichts gestohlen wurde, also vermutlich in gutem Glauben,
unter Zwang, auf Weisung, oder jedenfalls mit Erlaubnis (hier der
Stadtväter) gehandelt wurde?

Genau da liegt der sprichwörtliche Hase im Pfeffer, ja.

Wenn die Verkäufe an den Antiquar unzulässig waren, weil sie gegen ein
gesetzliches Verbot verstoßen haben, dann sind zunächst einmal die
Kaufverträge nichtig (§ 134 BGB).

Zumeist wird das aber nicht für die dinglichen Erfüllungsgeschäfte
gelten, d.h. das Eigentum an den Büchern bleibt zunächst einmal beim
Antiquar, das "Eigentum" am dafür gezahlten Kaufpreis beim Verkäufer.
Es besteht aber ein Anspruch auf Rückabwicklung, d.h. jeder kann das,
was er übergeben hat (Bücher bzw. Geld) zurückverlangen. Verkauft der
Antiquar zuvor die Bücher weiter, sind sie "weg".

Selbst wenn auch die Erfüllungsgeschäfte nichtig sind, das Eigentum
also beim Archiv geblieben wäre, dann sind die Bücher jedoch nicht
gestohlen oder sonstwie abhandengekommen; wenn sie also jemand kauft,
der mit gutem Grund glauben durfte, dass der Antiquar ein Recht zum
Verkauf (juristisch korrekter: der Übereignung) der Bücher hatte, dann
darf er sie behalten.

Wo hab ich also nicht aufgepasst oder was übersehen?
Vielleicht mag mir ja jemand ein paar erklärende Worte oder Verweise
zukommen lassen, auf dass ich nicht unerleuchtet bleibe...

Ich habe mich bemüht - ganz einfach ist das aber nicht, weil die
Unterscheidung zwischen Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) und
Eigentumsübergang (Erfüllungsgeschäft) an sich schon nicht einfach zu
erklären oder zu verstehen ist, und weil die Regeln über den
gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten auch nicht so ganz einfach
sind ...

Im Kern kommt es aber tatsächlich nur darauf an, ob die unberechtigt
verkauften Sachen "geklaut" wurden oder "nur" unberechtigt
weitergegeben wurden von jemandem, der sie "haben", aber nicht
verkaufen durfte.

Grüße,
-thh

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