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Re: [InetBib] ZDF macht Bibliothek dicht



Nun, ich stelle fest, dass wir wirklich unterschiedliche Standpunkte vertreten. 
Bei der Textorientierung sind elektronische Quellen besser, keine Frage! Und 
diese Quelle nutze ich auch, wie TLG u.ä.. Ihre Äußerung, dass man keine 
Neuerwerbungen bräuchte, wenn geisteswissenschaftliche Bücher eine längere 
Halbwertszeit haben würden, kann eindeutig die Denkmentalität eines 
Naturwissenschaftlers nicht verleugnen. Es gibt nicht "das" Ergebnis und "die" 
Wahrheit in der Geisteswissenschaft. Ältere Ergebnisse sind weiterhin wichtig. 
Da ich in einer Medizinerfamilie aufgewachsen bin und mein Vater in der 
Forschung tätig war, kann ich schon diesen Umgang mit Informationen und 
Bibliotheken einschätzen und ihn auch abgrenzen. Ob nun diese Unterscheidung 
(Geistes- Naturwissenschaft ) eine angloamerikanische Problematik darstellt, 
weiß ich nicht. 

Der Begriff "Metadaten" habe ich verwendet, ok. Dann sage ich einfach: 
Katalogdaten. Noch einmal der Fall: ich drucke nur gewisse Abschnitte eines 
Buches  aus und vergesse den Autor, den Titel und das Jahr aufzuschreiben, 
damit ich diese Quelle zitieren kann. Dann ist doch ein Buch doch besser und 
sogar beständiger! Außerdem muss man mit dem Text arbeiten und auch mehrere 
Texte nebeneinanderlegen können. Auf dem Bildschirm wird das schnell 
unübersichtlich. Auch bräuchte man wohl mehrere ipads oder e-Reader etc. Das 
wäre doch wirklich ein Verhältnisblödsinn. Und jetzt mit einem e-Reader 
elektronische Unterstreichungen zu machen, ist doch wirklich unbequem- 
jedenfalls für mich. (Ich wurde damit nicht glücklich, wie viele meiner 
Kollegen auch).  Kurzum, die Datenbanken haben ihren Sinn in der 
Textuntersuchung, lösen m.E. aber nicht das Buch ab. Aber selbst wenn es nur 
elektronische Bücher geben würde, würde der Papierverbrauch noch mehr steigen. 

Der Stromverbrauch einer Datenbank und einer Suchanfrage muss tatsächlich höher 
liegen als die Lampenbeleuchtung. Jedenfalls allein  "eine Anfrage bei der 
Suchmaschine Google kostet vier Watt Strom pro Stunde oder zwei Gramm CO2 
Ausstoß, wie Forscher aus den USA errechnet haben: "Das entspricht dem 
Stromverbrauch einer Energiesparlampe, die eine Stunde lang brennt", sagt 
Siegfried Behrendt vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in 
Berlin" (Zitat aus: 
http://www.stern.de/digital/online/stromverbrauch-wie-viel-energie-kostet-eine-google-suche-634098.html;
 außerdem Lesenswert: 
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/suchmaschinenriese-google-verbraucht-so-viel-strom-wie-eine-grossstadt-a-785217.html)

Ihnen einen schönen Sonntag!

Mathis Holzbach




Am 24.11.2012 um 23:48 schrieb h0228kdm:

Dass ein gedrucktes Buch "jedenfalls zum lesen und forschen immer besser als 
eine elektronische Quelle" ist, da teile ich nun Ihre Meinung wiederum nicht 
ganz. Sicher liest man einen gedruckten Text besser auf Papier als am 
Bildschirm, aber gezielte Textpassagen, Worte oder Wiederholungen lassen sich 
nun mal, insbesondere in umfangreichen Texten, in einer Textsuche rascher 
ermitteln und analysieren. Ich weiß nicht ob Sie schon mal Textanalysesysteme 
gesehen haben, aber die sind für Sprachwissenschaftler meist interessanter 
als für Naturwissenschaftler, und auf Papier nicht möglich.

Der Hinweis auf die anderen Maßstäbe bei den Geisteswissenschaften ist mir 
nicht neu. Am interessantesten fand ich immer den, dass die Halbwertszeit nur 
bei den Naturwissenschaften 5 Jahre betrage. Wenn die bei den 
Geisteswissenschaften wirklich höher läge, brauchten die aber weniger 
Neuerwerbung in den Bibliotheken, weil sie ja immernoch die alten Bücher 
lesen können. Das ist aber eindeutig nicht der Fall.

Ich finde es in der deutschen Sprache sehr viel richtiger, bei Natur-, 
Sozial- und Geisteswissenschaft von Wissenschaft zu sprechen und nicht die 
Unterscheidung von Science, Social Science und Arts and Humanities zu machen. 
Insofern sind auch die Two Cultures von C.P. Snow eine eher 
angloamerikanische, denn deutsche Problematik. Sicherlich sind die 
Geisteswissenschaften noch immer stärker narrativ geprägt, als die 
mathematisch dominierten Naturwisssenschaften, aber Biologie und auch 
Bibliothekswissenschaft sind noch recht stark geisteswissenschaftlich (um 
nicht zu sagen beschreibende Wissenschaften). Nicht zufällig ist die 
Informations- und Bibliothekswissenschaft an der HU-Berlin in der 
Geisteswissenschaft angesiedelt. Dass sie als Nationalökonomie des Geistes, 
besser bei der Wirtschaftsinformatik beheimatet wäre, sei nur am Rande 
erwähnt.

Dass beim Ankauf von privaten Bibliotheken auch wertvolle Bücher dabei sein 
können, steht außer Frage, aber sie sind eher selten, und ich habe 
Bibliotheksdirektoren kennen gelernt, die mir immer wieder die 
Schwierigkeiten schilderten, Witwen zu erklären, dass die von ihrem Mann 
zusammengekaufte Bibliothek leider weitaus weniger Wert ist, als sie hofften. 
Ich war einst in einer neu gegründeten Bibliothek, wie die UB-Ulm, wo der 
Aufkauf von Gelehrtenbibliotheken durchaus interessant war, um überhaupt 
einen Grundstock aufzubauen. Das erschöpfte sich aber trotzdem bald, weil die 
Dubletten rasch zunahmen. Sogar bei Schenkungen sind die anfallenden 
Personalkosten oft höher als der Gewinn.

Das mit dem "Unsinn" und den "Metadaten" scheint mir übrigens ein Eigentor, 
denn die Metadaten im Bibliothekswesen sind eine Errungenschaft von XML und 
entstammen gerade der digitalen Welt. Erst danach wurden Metadaten ein 
Modewort, das dann für etlichen Unsinn verwendet wurde.

Was den Strom anbelangt, so wäre es u.a. wirklich interessant zu überprüfen, 
was in einer Bibliothek mehr Strom kostet, ein Buch unter einer 
Deckenbeleuchtung, den zahlreichen Leselampen oder der Stromversorgung des 
iPad. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal gesehen haben welche Stromrechnungen 
große Bibliotheken haben, und die kommen nicht alle vom Rechenzentrum. Ganz 
abgesehen davon, dass Sie das vermutlich auch nicht gleich ausschalten 
wollen, denn bei denen ist so eine "Datenbank" meist nur ein kleiner Teil im 
Gesamtgeschehen.

MfG

Walther Umstätter



Am 24.11.2012 21:14, schrieb Mathis Christian Holzbach:
Ich teile Ihre Meinung nicht ganz! Das Verschwinden von FTD und
möglicherweise nun auch die Frankfurter Rundschau ist eher auf
Managementfehler zurückzuführen. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass
auch einige  Datenbankprojekte nicht erfolgreich waren. Ein Buch ist
jedenfalls zum lesen und forschen immer besser als eine elektronische
Quelle (für die Geisteswissenschaft gesprochen). Auch kann ein
Digitalisat eines historischen Buches wohl kaum das Original ersetzen.
Und sie dürfen nicht den Fehler machen, nur die Natur- bzw.
Informationswissenschaft im Auge zu haben. Für die Geisteswissenschaft
gelten andere Maßstäbe. Es braucht da schon ein paar Jährchen bis so
Buch "verramscht" wird. Dass Buchpreise nichts mit dem Inhalt zu tun
haben, stimmt auffallend;-)!  Auch gehöre ich zu denen, die
Bibliotheksbestände geerbt haben. Die Bücher sind nicht wertlos. Denn
da sind ein paar Originaldrucke dabei, die schon einiges auf dem Markt
kosten würden. Ferner gibt es Bücher, die nur schwerlich in
Bibliotheksverzeichnis gefunden werden können und schon gar nicht in
einer Datenbank. Datenbanken erfüllen ihren Zweck zur ersten
Orientierung. Arbeiten kann man nur mit dem Buch oder mit dem
Ausdruck! Oder ist es der Sinn der vermeintlichen neuen Zeit, dass man
nun alle Bücher wieder ausdruckt und dann selbst zusammenheftet, dann
im schlimmsten Fall nicht weiß, woher man dies hat (z.B. wenn man
vergessen hat, die Metadaten aufzuschreiben). Das ist doch Unsinn. Und
außerdem wissen Sie wie viel Strom so eine Datenbank schluckt? Wird
der Strom nicht teurer?  ;-)

Mathis Holzbach


Am 24.11.2012 um 20:39 schrieb h0228kdm:

Ich habe eben mal kurz nachgeschaut, bei eBay kostet die Brockhaus 
Enzyklopädie, komplettes Lexikon 17. Auflage (1966-1981) mit 21 Bänden und 
Goldschnitt gerade 180 €. An anderer Stelle 99 € (wobei die Selbstabholung 
fast teurer sein könnte ;-). Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, wie 
viele Menschen sich noch die Letzten Auflagen geleistet haben, mit der 
Hoffnung, dass es jeweils die letzte gedruckte Auflage ist, die dann im 
Laufe der Zeit im Wert steigen wird. Bis gedruckte Bücher so alt werden, 
dass die meisten Exemplare verloren gegangen sind und sie wieder im Preis 
steigen, dauert es recht lange. Der Wertverlust von Publikationen dagegen 
ist recht rasch und fördert ihr Verschwinden. Das sieht man schon daran, 
dass etliche Verlage damit einverstanden sind, ihre Produkte nach einem 
halben Jahr zu Open Access zu machen. Auch bei Paperbacks muss das Geld im 
ersten Halbjahr verdient werden, danach wird meist verramscht oder der Rest 
mit dem Caterpillar zusammengeschoben und entsorgt. Verlage denken da mit 
sehr spitzem Stift, wenn mir diese Metapher hier erlaubt ist.

Das etliche kleine Spezialbibliotheken in nächster Zeit dicht machen, wenn 
immer mehr Zeitungen, Zeitschriften und gedruckte Bücher verschwinden 
(Frankfurter Rundschau, Financial Times Deutschland, ...) kann hier 
niemanden überraschen, wenn wir seit über einem Jahrzehnt über die Digitale 
Bibliothek diskutieren. Im Prinzip begann es doch schon vor über dreißig 
Jahren, dass die One Person Libraries immer mehr zu Online 
Literaturdokumentationen mutierten, dafür gab es speziell die Ausbildung 
der Dokumentare.

Die ZDF Bibliothek dürfte nur sehr begrenzt mit "Stralsund" vergleichbar 
sein, auch wenn es natürlich interessant ist davon zu hören, und zu 
verfolgen, wie es da weiter geht. Insbesondere, wenn die Druckhäuser nun in 
immer größere finnzielle Schwierigkeiten kommen. Die Kampagnen der 
BILD-Zeitung, bis hin zum Sturz eines Bundespräsidenten waren ja erst der 
Anfang der damit verbudenen Charakterlosigkeit. Beim Existenzverlust werden 
Menschen verständlicherweise sehr erfinderisch. Darum müssen auch 
Bibliothekare ihre Existenz immer mehr in der Digitalen Bibliothek und der 
Nationalökonomie des Geistes suchen. Auch wenn einige Menschen glauben, 
dass ihr Weltbild zerstört wird, wenn sie kein Zeitungspapier, sondern 
einen iPad für die Tagesneuheiten brauchen.

Wie wertlos gerade gedruckte Bücher schon nach kurzer Zeit sind, wissen 
insbesondere Bibliothekare, die z.B. von Witwen die Bibliothek des 
verstorbenen Ehemanns angeboten bekommen, außerdem kann man ja in den 
Firmen nachfragen, die gebrauchte Bücher aufkaufen. So bekäme ich für
"Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum: Bibliotheken als Bildungs- 
und Machtfaktor der modernen Gesellschaft" z.Z. noch 1,58€. Insofern muss 
man den Wert von Bibliotheken sehr viel differenzierter betrachten. 
Buchpreise haben mit ihrem Inhalt bekanntlich nichts zu tun ;-)

MfG

Walther Umstätter

P.S. Wie man sieht habe ich meine Unterschrift diesmal nicht vergessen - 
entschuldigung.


Am 24.11.2012 19:09, schrieb Mathis Christian Holzbach:
ZDF Bibliothek macht Bibliothek dicht und wirft Bücher weg!
"Stralsund" geht also weiter!


http://www.rhein-zeitung.de/regionales_artikel,-Nachschlagewerke-im-Altpapier-ZDF-macht-seine-Bibliothek-dicht-_arid,494339.html

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http://www.inetbib.de



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Dr. Mathis Christian Holzbach
Finkenstr. 76
Büro/Apt.
42555 Velbert-Langenberg
Tel.: 02052-8157529
Mobil: 0160-8371218
m.holzbach@xxxxxxx

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