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Re: [InetBib] Für die Zeit, die ....



Hallo Ben, hallo Liste,

zunächst mal vielen Dank für die sinnvolle und vielsagende Antwort - sowas
weist ja schon für sich genommen darauf hin, wozu Inetbib gut ist.

Einige der angesprochenen Punkte will ich unten erwidern.

Am 30. November 2012 20:17 schrieb Ben Dietze <bd_inetbib@xxxxxxxxxxxx>:

Am 29.11.2012 23:45, schrieb Lambert Heller:

Am 29. November 2012 21:30 schrieb "Dr. Ulrike Müller-Kaspar" <
die@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Am 29. Nov 2012 um 21:24 Uhr schrieb Sebastian Wolf:

 Vielleicht sollte man Inetbib als Facebook- oder Google-Plus-Gruppe
gründen. Dort werden dann Diskussionen geführt - und hier in der Liste
gibt's nur noch Stellenausschreibungen oder Pressemitteilungen. Die
Antwortfunktion an die Liste kann man dann auch gleich abschalten ;)


Welch eine entsetzliche Vorstellung!
lg, Ulrike Müller-Kaspar


Interessant, dass gerade das eine "entsetzliche Vorstellung" ist. Den
pragmatischen Vorschlag von Sebastian Wolf habe ich für mich individuell
quasi bereits umgesetzt, indem ich die Inetbib-Mails (wie andere
Mailinglisten auch) automatisch in Mailordner sortieren lasse. So etwas
einzurichten dauert gefühlte 10 Sekunden. Das ist ein Workaround, um mein
eigenes Mailkonto benutzbar zu halten, indem ich es quasi web-artiger
mache.


Über Vor- und Nachteile einer automatischen Eingangsfilterung mag man
trefflich streiten können (siehe dazu auch [1]). Für mich persönlich
überwiegen ebenfalls die Vorteile eines gefilterten und sinnvoll
vorsortierten Posteingangs (Anzahl derzeit aktiver Filter: 17). Dies jedoch
als "web-artig" zu bezeichnen verkennt die Situation. Speziell in den zum
Vergleich herangezogenen Foren ist die Kommunikationsstruktur eine gänzlich
andere. Foren sind per se hierarchisch nach Thema und Zeit geordnet, der
Nutzer ist in allem auf Möglichkeiten und Funktionen der serverseitig
eingesetzten Software angewiesen und der Wechsel des Kommunikationskanals
ohne gleichzeitigen Wechsel des Kommunikationsmediums ist i.d.R. erschwert.


Tja, aber sind wir hier nicht auch der Mailinglistensoftware ausgeliefert?
Ich finde z.B. die Diskussionsthreads in Mailinglisten chronisch
unübersichtlich. Und ich schätze selbst an simpelster Forensoftware die
Möglichkeit, Threads dauerhaft separat zu führen. (Und ja, ich gestehe zu:
Die Weiterentwicklung der (Web-)Mailclients hat dieses Problem gemildert.
Aber eben nicht wirklich gelöst.) Und über die Webarchivierungs-Lösung
Gmane, die ja u.a. auch für Inetbib eingesetzt wird, hatte mich vor ein
paar Jahren gefreut, aber inzwischen? Warum ist der Text da so schlecht
lesbar, von Sachen wie mobilgerätegerechter Ansicht oder
Trackbackfunktionen mal zu schweigen?
Daher: Nein, das ist kein Unterschied. Ich bin der Mailinglistensoftware
ebenfalls ausgeliefert und stoße regelmäßig an ihre Grenzen.


Email dagegen, und hier zahlt sich das schiere Alter des Mediums aus, ist
so flexibel zu handhaben wie kaum ein anderes Medium. Es agiert sowohl
asynchron als auch - unter optimalen Bedingungen - nahezu in Echtzeit. Die
Sortierung der einzelnen Nachrichten kann nach beliebigen selbst
definierten Kriterien erfolgen, ebenso die Filterung oder gar
Nachbearbeitung. Das Medium ist zudem nach einer Synchronisation problemlos
offline nutzbar, selbst bei IMAP-Konten gibt es die Möglichkeit, Mails
lokal abzuspeichern.


Und was ist mit RSS/ATOM? Ist zwar nicht so alt wie Email, aber das
Synchronisieren und Offline-Benutzen wird von vielen RSS-Clients prima
erledigt. Twitter, Facebook und Co. haben zwar mehr oder weniger RSS
gekillt. (
http://www.staynalive.com/2011/05/twitter-and-facebook-both-quietly-kill.html
)
Aber Web-Werkzeuge, mit denen Neues aus verschiedenen Quellen zum
Offlinekonsumieren synchronisiert werden - dieses Konzept ist anscheinend
nicht tot zu kriegen. Im Gegenteil, mein Eindruck ist, dass dieser
Anwendungstyp in Gestalt personalisierter Webdienste im
Mobilgerätezeitalter erst recht treue Benutzercommunities für sich gewinnt.
Ich denke dabei an Dienste wie Instapaper oder Pocket, oder auch an
Podcast-Clients.
Ob oder inwieweit all das "besser" sein mag als Email mag ich gar nicht
beurteilen, nur: Die Aussage, Offline-Synchronisation sei eine Domäne von
Email oder Newsgroups scheint mir nicht haltbar zu sein.


Eine webbasierte Lösung dagegen ist nur mit viel zusätzlichem Aufwand
offline nutzbar, von Interaktion ganz zu schweigen.


Okay, Punkt für Email. Das Synchronisieren von Nachrichten und die
Interaktion sind in einer Mailingliste ganz gut integriert.


Der Wechsel des Kanals schließlich ist bei Email ebenfalls möglich ohne
das Medium verlassen zu müssen. Wer antwortet, hat die Möglichkeit an die
Liste und/oder an den Absender oder auch an jemand ganz anderen zu
antworten (Mischformen existieren und ziehen meist eine schnelle
Entschuldigung nach sich). In Foren gibt es i.d.R. nur die Möglichkeit
einer "persönlichen Nachricht" an einen Benutzer wobei diese jedoch meist
neu erstellt wird, also nicht einfach als Zitat o.ä. begonnen werden kann.


Gut, stimmt auch alles. Im Bereich der webbasierten Foren finde ich Google
Plus da ganz innovativ - das individuelle oder gruppenbezogene Reagieren
ist dort elegant gelöst. Aber klar, das ginge nur wenn alle sich darauf
einigen können, so einen Google-Dienst zu benutzen, also gehts eher nicht.



Schließlich jedoch, und dies als wichtigstes Argument für Email bzw.
Mailinglisten: Mailprogramme gibt es für jedes Betriebssystem auf jeder
Hardware. Selbst einfache Mobiltelefone verfügen, sofern sie überhaupt
"Internet können", über ein Mailprogramm. Der Versuch dagegen, schon eine
simple Webseite so zu gestalten, dass zumindest jeder aktuelle Browser sie
nicht gänzlich missgestaltet darstellt, hat bereits für viel Kopfzerbrechen
bei Gestaltern geführt. Von der sehr eingeschränkten Bildschirmgröße
mancher Telefone und damit der Unbenutzbarkeit mancher Seiten ganz
abgesehen.


Nein, das kann ich nicht teilen. Craig Mod schrieb vor wenigen Tagen (in
einem anderen Kontext) treffend: "HTML has indisputably emerged as the
future format for all text (and perhaps also interactive) content. (...)
most all computing devices come with high-quality HTML rendering engines
built in." (http://craigmod.com/journal/subcompact_publishing/)
Die Smartphone- und Tablet-Revolution haben es doch eigentlich gezeigt:
Trotz und wegen der ganzen fancy "Apps" können und müssen auch mobile
Computer vernünftig HTML darstellen. Um Mißverständnisse zu vermeiden: HTML
stellt für Entwickler wegen seiner kontinuierlichen Weiterentwicklung
(insbesondere in Richtung Mobilität und Interaktivtät) so etwas wie eine
Dauer-Herausforderung dar. Aber wenn man sich so umschaut gewinnt man doch
den Eindruck, dass diese Herausforderung immer wieder angenommen wird - und
sei es, weil zu HTML keine echte Alternative gesehen wird.
(Aktuelle Martkdaten zur Verbreitung internetfähiger und smarter
Mobilgeräte in Deutschland:
http://www.bvdw.org/medien/bvdw-mobile-internetnutzung-steht-bei-den-deutschen-hoch-im-kurs?media=4351
)




 Mir käme Inetbib als Diskussionsforum (müßte ja nicht bei Facebook
oder Google Plus sein) "natürlicher" vor, es wäre halt die heute
angemessene Form für die Funktion, die Inetbib (auch) erfüllt.


Wie "natürlich" sich ein Kommunikationsmittel anfühlt, ist etwas sehr
subjektives und ist stark geprägt von eigenen Kenntnissen, Gewohnheiten und
Vorlieben. Das sei auch jedem selbst überlassen.


Volle Zustimmung - deshalb hatte ich bewußt die vorsichtige Fomulierung
"kommt mit 'natürlicher' vor" gewählt.


Doch widerspreche ich vehement der Ansicht, ein Forum sei die heute
angemessene Form für diese Liste. Gerade für diesen universellen Zweck, als
Diskussionsplattform, Tauschbörse, Selbsthilfegruppe und die vielen
weiteren Aspekte, ist Email meines Erachtens noch immer das ideale, weil
ebenso universell nutzbare Kommunikationsmittel.


Auch hier möchte ich noch mal versuchen, ein mögliches Mißverständnis
auszuräumen: Nein, es ist heute keine Option für Inetbib, zu einem
webbasierten Diskussionsforum zu werden. Hatte ich nicht behauptet und
meine ich auch nicht.
Die Begründung dieses Sachverhalts ist es, in der wir beide uns offenbar
nicht einig sind. Für mich liegt das nämlich weniger daran, dass
Mailinglisten technisch überlegen und alternativlos seien, sondern mehr
daran, dass sie so vertraut sind. Und dass für einen nicht unerheblichen
Teil der Zielgruppe von Inetbib diese Vertrautheit anscheinend absolut
ausschlaggebend ist. Aber das muß man m.E. einfach zur Kenntnis nehmen.
Diese absolute Bevorzugung eines vertrauten Mediums ist übrigens nichts,
was sich mit einer Diskussion wie dieser hier auflösen ließe - sondern es
hat etwas mit einem grundlegenden Verhältnis zu Medien zu tun, die
vermutlich wiederum in der demographisch-beruflichen Zusammensetzung der
Inetbib-Zielgruppe begründet ist. (Großes Bibliothekars-Ehrenwort: Diese
Feststellung ist weder als Publikums- noch als Berufsstandsbeschimpfung
gemeint.)




 Der, ich nenne es mal "Email-Konservatismus", ist generell ein spannendes
Phänomen. So wird in manchen Inetbib-Mails das redundante Gewese bei
Facebook und Co. brüsk abgewiesen ("wohl zu viel Zeit haben" etc.) -
während zugleich in reinen Meta-Postings bei Inetbib Defizite in
Höflichkeit und Anstand vorangegangen Postings beklagt wird.


Es ist doch schön, dass nicht alle Teilnehmer auf gute Manieren und
höfliche Umgangsformen pfeifen und dies auch ausdrücken. Immerhin handelt
es sich bei den Lesern um eine heterogene Gruppe, die fast alle
Altersgruppen, alle Geschlechter und sicher viele verschiedene
Nationalitäten abdeckt. Es wäre sicher nicht konstruktiv, wenn hier
Umgangsformen herrschten wie in manchen Foren, in welchen man als Neuling
mit dem Hinweis begrüßt wird, man solle sich über Beleidigungen nicht
aufregen, das sei eben der übliche Ton.

Was allerdings mit dem "redundanten Gewese" gemeint ist, weiß ich nicht.


Okay, war mißverständlich ausgedrückt, ich versuchs nochmal anders:
Mir begegnet in Gesprächen über die Entwicklung der Webmedien (oder der
Entwicklung des Mediums Web) häufig die These, dass das Reden über das
Medium selbst in diesem Medium "zu" viel Raum einnehme und sich schon
deshalb am Rande der Zeitverschwendung bewege. Was ich auffällig finde,
weil z.B. dem Schreiben für Bibliotheks-Fachmagazine, den Geprächen mit
Fachkollegen o.ä. derartige Redundanz-Vorwürfe kaum gemacht werden - obwohl
die Kommunikation dort selbstverständlich auch oft selbstreferentiell ist
und überhaupt viel Redundanz hat. Daher scheint mir das ein
Generalvorbehalt zu sein - ein Generalvorbehalt gegen die aktive Benutzung
von Webmedien. Derartiges könne eben von vornherein kaum mehr als
Zeitverschwendung sein, und damit wäre das Thema dann erledigt.
Mal angenommen an meiner Beobachtung ist was dran, und diese These ist
verbreitet, weil es eine konsensfähige Formel ist, um sich die aktive
Beschäftigung mit dem neuen Medium vom Leibe zu halten:
Dann müßte man ja konsequenterweise darum bemüht sein, Inetbib nicht zu
einer virtuellen Community werden zu lassen, in der das gefährlich
zeitverschwenderische Reden über diese Liste selbst, ihre Sitten, Anstands-
und Höflichkeitsnormen etc. Raum greift. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Inetbib ist voller Postings, deren Inhalt sich in genau solchen Reden
erschöpft.
Kann man machen, kann man sogar gut finden ("Es ist doch schön"), und mich
stört es eigentlich auch nicht groß - ich wollte hier nur mal die
Inkonsistenz dieses Standpunkts beschreiben. Die finde ich drollig. :-)




 Einen Twitterer, der so langweilig auf Community-Normen beharrt wie
Inetbib als Gesamtheit hätte ich längst entfollowt. Weil mich
Twitter weniger als Sozial-Dingsbums interessiert, sondern als
Lieferant für mich relevanter Informationen. In Mailinglisten, diesem
1970er-Jahre-Prä-Web-**Dinosaurier, ist man hingegen mitgefangen und
mitgegangen. Das ist es vermutlich, was die kuschelige
Gruppenatmosphäre erzeugt, die hier so gern verteidigt wird.


Einer der agilsten Dinosaurier die ich kenne. Wie ja bereits angemerkt
wurde: eine Löschtaste existiert. Außerdem wird niemand zum Lesen
gezwungen, nicht mal auf einer Bibliotheks-Mailingliste ;)


Nein, natürlich nicht gezwungen. Aber mit solchen Dinosauriern zu leben
erfordert schon eine Menge Kompetenz im Dinosaurierhüten, pardon,
Medienkompetenz. Man muß dann halt sowas wie automatisierte Sortierregeln
kennen und anwenden, oder eines der öffentlichen Webarchive der Liste
abonnieren. Und da gibt es inzwischen Medien, die einem etwas weiter
entgegenkommen.

Viele Grüße + gute Nacht,
Lambert Heller



Gruß
Ben Dietze

[1] <http://www.spiegel.de/**karriere/berufsleben/e-mail-**
dauerfeuer-wer-sortiert-**verliert-a-764737.html<http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/e-mail-dauerfeuer-wer-sortiert-verliert-a-764737.html>



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