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Re: [InetBib] Gerichtsurteil zur Beschaffung von Literatur als Verbrauchsmaterial gesucht



Lieber Herr Möbius,

Herr Steinhauer hat sich ja schon deutlich zum Thema geäußert. Man kann ihm nur zustimmen und Ihnen bzw. der Bibliotheksleitung sowie der Leitung der FH feste Haltung im Widerstand wünschen.

Wir werden öfter ja mit Gerüchten über Gerichtsurteile überzogen, die wir so gerne hätten, aber leider nicht kennen ("da müßte es doch", "da habe ich mal gehört"). Vielleicht befragen Sie also den Kollegen noch einmal, an welche Einzelheiten er sich tatsächlich erinnert, soll der Fall in NRW oder woanders gewesen sein?

Wenn das alles nicht hilft, hier ein wenig praktische Überlegung und ergänzender Hinweis:

In den Geltungsbereich des Hochschulgesetzes NRW 2011
Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz – HG)
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=2&ugl_nr=221&bes_id=9796&aufgehoben=N&menu=1&sg=#det257707
fällt auch die FH Düsseldorf, s. § 1 Abs. 2 2. Abschn. Ziff. 6
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§ 29 des HG NRW besagt
Wissenschaftliche Einrichtungen und Betriebseinheiten;
Bibliotheksgebühren; Einrichtungen an der Hochschule
...
(3) Der Leitung einer wissenschaftlichen Einrichtung müssen mehrheitlich an ihr tätige Vertreterinnen oder Vertreter der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer angehören. Die wissenschaftlichen Einrichtungen und Betriebseinheiten entscheiden über den Einsatz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit sie nicht einer Hochschullehrerin oder einem Hochschullehrer zugeordnet sind, und über die Verwendung der ihnen zugewiesenen Mittel.
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Es sind also nicht die Hochschullehrer, die über die Mittelverwendung der Hochschulbibliotheken zu befinden haben, sondern die Bibliotheksleiter im Rahmen des Auftrags der Bibliothek. Da dürfte die jeweilige Grundordnung vielleicht etwas zu sagen. Verbrauchsmaterial ist den Sachmitteln zuzurechnen. Sachmittel sollten den Lehrstühlen bzw. Hochschullehrern zugewiesen sein. Es besteht kein Anlass, die Bibliotheken als ergänzenden Sachmittelbereich der Lehrstühle bzw. Hochschullehrer anzusehen. Das würde bedeuten, die Bibliotheken würden als Ausweg für schlechte Eigenmittelbewirtschaftung genutzt werden können (Bin ich pleite, lass ich andere bluten).
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Die Hochschullehrer haben ohnehin nur einen Anspruch auf Teilhabe an den verfügbaren Mitteln (auch Sachmitteln):

http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE109048215&psml=bsbawueprod.psml&max=true&doc.part=L&doc.norm=all

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 9. Senat
Entscheidungsdatum: 19.10.1982
Aktenzeichen: 9 S 1826/81
Dokumenttyp: Urteil

Quelle: juris Logo
Normen: Art 5 Abs 3 S 1 GG, § 20 Abs 2 Nr 3 UniG BW

Recht des Hochschullehrers auf angemessene Beteiligung bei der Verteilung von Globalmitteln

Leitsatz

1. Aus dem aus GG Art 5 Abs 3 S 1 folgenden Recht des Hochschullehrers auf angemessene Berücksichtigung bei der Verteilung der haushaltsrechtlich zur Verfügung stehenden Mittel (BVerwGE 52, 339ff) ergibt sich kein Anspruch auf Festlegung bestimmter Kriterien, nach denen sich die Vergabe von Globalmitteln (für Gastvorträge, Gastprofessuren, Druckkostenzuschüsse und Reisen) an die Lehrstuhlinhaber eines bestimmten Instituts zu richten habe.

Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang
vorgehend VG Karlsruhe, 12. August 1981, Az: 7 K 48/81
nachgehend BVerwG, 7. Februar 1983, Az: 7 B 5/83, Beschluss
Rechtsprechung
Vergleiche BVerwG, 22. April 1977, Az: VII C 49.74

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Diese Entscheidung des BVerwG vom 22. April 1977, Az: VII C 49.74 findet sich frei im Internet nicht. Sie ist vermutlich in Juris zu finden, aber auch in Beck-online verfügbar, hier ein kurzes Zitat:
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Kein Anspruch des Hochschullehrers auf Gewährung einer Grundausstattung aus Art. 5 III 1 GG

GG Art. GG Artikel 3 I, GG Artikel 5 III GG Artikel 1, GG Artikel 20 I; HochSchRG §§ HOCHSCHRG § 3 HOCHSCHRG § 3 Absatz I, HOCHSCHRG § 3 Absatz II, HOCHSCHRG § 3 Absatz III, HOCHSCHRG § 72 I

1. Aus Art. 5 III 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt ein Recht des Hochschullehrers auf angemessene Berücksichtigung bei der Verteilung der vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel, nicht dagegen ein allein am Bedarf des Hochschullehrers orientierter Anspruch auf eine Grundausstattung.

2. Art. 5 III 1 GG schließt nicht aus, den Umfang des Teilhaberechts von dem Fach oder Fachgebiet des Hochschullehrers her zu bestimmen, läßt für die Mittelverteilung grundsätzlich auch die Festlegung eines Fachgebiets nach der Forschungsmethode zu und gebietet nicht, daß die vorhandenen Mittel dem einzelnen Hochschullehrer zur alleinigen Verfügung stehen.

BVerwG, Urteil vom 22. 4. 1977 - VII C 49/74 (Münster)
...

2. Aus den Gründen
...
d) Auch soweit das BerGer. davon ausgeht, daß die vorhandenen Mittel nicht dem einzelnen Hochschullehrer zur alleinigen Verfügung stehen müssen, verletzt das angefochtene Urteil Art. 5 III 1 GG nicht. Die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers (Freiheit von staatlicher Bestimmung), von der das BVerfG an den vom Kl. in Bezug genommenen Stellen spricht (vgl. BVerfGE 35, BVERFGE Jahr 35 Seite 79 [BVERFGE Jahr 35 Seite 113, BVERFGE Jahr 35 Seite 115] = NJW 1973, NJW Jahr 1973 Seite 1176), betrifft nur den Kernbereich, also den geistigen Freiraum (vgl. BVerfGE 35, BVERFGE Jahr 35 Seite 79 [BVERFGE Jahr 35 Seite 112 f.] = NJW 1973, NJW Jahr 1973 Seite 1176), und besagt damit nichts darüber, in welcher Weise die Mittel für die wissenschaftliche Tätigkeit des einzelnen Hochschullehrers zur Verfügung gestellt werden müssen. Die vom BVerfG gebilligte Abkehr von der Ordinarienuniversität zeigt dies ganz deutlich. Auch aus den Ausführungen des BVerfG in dem Urteil vom 8. 2. 1977 (NJW 1977, NJW Jahr 1977 Seite 1049, NJW Jahr 1977 Seite 1051 f.) ergibt sich, daß das BerGer., soweit es ein Alleinverfügungsrecht verneint - insbesondere bei den finanziellen Mitteln - Art. 5 III 1 GG nicht verletzt.

3. Ob das BerGer. einen Grundausstattungsanspruch des beamteten Hochschullehrers zu Recht aus dem Beamtenrecht hergeleitet hat, kann dahinstehen. Bekl., Oberbundesanwalt und Vertreter des öffentlichen Interesses verneinen einen solchen beamtenrechtlichen Anspruch mit guten Gründen. Sollten sich aus dem Beamtenrecht Ansprüche des Hochschullehrers auf die zur Amtsausübung notwendigen Mittel ergeben, so könnten diese jedoch nicht über das hinausgehen, was für den beamteten Wissenschaftler unmittelbar aus Art. 5 III 1 GG folgt. Der Kl. bezieht sich nicht nur zur Begründung, sondern auch für den Umfang seines Grundausstattungsanspruchs auf Art. 5 III 1 GG. Auch ein beamtenrechtlicher Anspruch in dem vom Kl. geltend gemachten Umfang kann nur aus Art. 5 III 1 GG gerechtfertigt werden. Des wegen kann auch aus dem beamtenrechtlichen Status des Hochschullehrers nur eine Teilhabeberechtigung und nicht mehr folgen, wie zu Art. 5 III 1 GG oben dargelegt wurde. Daß Art. 5 III 1 GG - und nicht das Beamtenrecht - die maßgebliche Bestimmung enthält, nimmt in ähnlichem Zusammenhang auch das BVerfG an (vgl. BVerfGE 35, BVERFGE Jahr 35 Seite 79 [BVERFGE Jahr 35 Seite 146 f.] = NJW 1973, NJW Jahr 1973 Seite 1176). Schuster (aaO, S. 46 f. bzw. S. 54 f.) und ihm folgend der Kl. sind der gleichen Ansicht …
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Daraus folgt für mich: Wer keinen bzw. einen im Ergebnis eingeschränkten Anspruch auf eigene Grundausstattung hat, kann sich solche nicht zu Lasten der fremden Mittel der Bibliothek ergattern. Man kann das mal versuchen, aber über Haushaltsuntreue und Drangsalierung (um keine weiteren strafrechtlichen Begriffe zu verwenden) wollten wir uns ja hier nicht unterhalten.

Ich teile das P.S. von Herrn Steinhauer.
Juristen verwenden gerne generalisierende Begriffe. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass man im Heuhaufen der Entscheidungen die Wörter "Bibliotheksetat" und "Hochschullehrer" in einem Dokument findet. Mit der einfachen haushaltsrechtlichen Argumentation können Sie solche Wörter auch entbehren.

Dietrich Pannier




Am 04.12.2012 10:07, schrieb Eric Steinhauer:
Lieber Herr Möbius,

papierenes Material zum Verbrauch zu beschaffen, ist an Hochschulen in den meisten Fääen unproblematisch. Man denke nur an Klopapier. Allerdings käme auch niemand auf die Idee, die Beschaffung von Klopapier, mag es auch bedruckt sein, über den Literaturetat abzuwickeln. Vermutlich ist das Ihr Problem.

Bei den infrage stehenden Büchern gibt es zwei Problemkreise, die ich auseinanderhalten möchte:

1. Ist das eine Aufgabe der Bibliothek?

2. Kann der Hochschuletat für solche Beschaffungen verwendet werden?

zu 1: Für mich ist das kein Bibliotheksthema. Wenn Literatur in dieser Art verwendet wird, dann wird sie nicht bibliothekstypisch beschafft, was zB bedeutet, dass für reine Verbrauchsliteratur KEIN Bibliotheksrabatt nach dem Buchpreisbindungsgesetz gewährt werden darf. (Ich sehe die Kollegen vom Börsenverein, die mitlesen, zustimmend nicken ... :) )

zu 2: Soweit tatsächlich dienstlich mit den Materialien gearbeitet wird, scheint eine Beschaffung aus Sachmitteln unproblematisch. Alternativ könnte der Hochschullehrer ja das Buch kopieren (ist nicht immer legal ...), was hohe Personalkosten versursacht und dann die Kopien (die aus Sachmitteln bezahlt werden) bearbeiten etc etc. Die Anschaffung eines Buches zur Bearbeitung dürfte unter diesem Gesichtspunkt sogar wirtschaftlich sein (Auch hier werden die Kollegen vom Börsenverein heftig zustimmend nicken: "Sagen wir doch immer: Kauf bzw. Vertrag vor Schranke!").

Soweit es um die Zestörung des Buches durch Zerschneiden und dergleichen geht, sehe ich daher kein Problem. Beschaffen sollte der Hochschullehrer das Buch aber bitte selbst, so wie er auch seine Büromaterialien wie Papier und Stifte kauft. Das ist nicht Aufgabe der Bibliothek.

Soweit es darum geht, Literatur intensiv zu studieren und mit Anmerkungen zu versehen, stellt sich aber grundsätzlich die Frage, warum der Hochschullehrer sich solche Bücher nicht - übrigens steuerlich vorteilhaft und wenn er fleißig ist uU noch mit Autorenrabatt oder als Rezensions- bzw Prüfexemplar sogar umsonst - selbst besorgt. Zudem gibt es hier noch ein kleines juristisches Problem. Nach § 950 BGB kann nämlich - je nach den Umständen des Einzelfalles - das Buch durch intensives Bearbeiten in das Eigentum des Hochschullehrers übergehen!! Dass aus öffentlichen Mitteln aber keine Geschenke geleistet werden, dürfte auf der Hand liegen.

Daraus ergibt sich:

Bücher, die man lesen und (!) dabei mit Anmerkungen versehen will, kauft man selbst. Soweit es sich bloß um Teile des Buches handelt, die man nutzen will, zahlt der Dienstherr das Buch (als Bibliotheksbuch!) und die Kopien und die Stifte. Er ist auch damit einverstanden, dass der Hochschullehrer die Kopien behalten darf (großzügig!). Damit steht ihm ausreichendes Arbeitsmaterial zu.

Bücher die zerschnitten und in anderer Weise physisch zerstört werden sollen, kann man als Sachmittel aus dem Sachmitteletat der Hochschule kaufen, Bibliotheksrabatte dürfen hier NICHT gewährt werden. Allerdings stellt sich hier die Frage nach der Sinnhaftigkeit, denn für Nutzungen vor allem in der Lehre sind im Rahmen dessen, was das Urheberrecht normalerweise gestattet, Kopien vollkommen ausreichend.

Generell scheint mir das doch ein Einzelproblem zu sein, dass von "Prof. Wichtig" zu einem allgemeinen Problem aufgeblasen wird. Überdies wird in NRW die W-Besoldung bald sprübar angehoben und erreicht deutlich den Bereich von A15. Ich denke schon, dass man sich mit diesem Geld dann das eine oder andere Fachbuch leisten kann; Grundschullehrer und Studienräte tun das auch. :))

Viele Grüße
Eric Steinhauer

P.S.: Die von Ihnen genannte Gerichtsentscheidung ist mir nicht bekannt

--
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