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Re: [InetBib] Theorie und Praxis der Stellenbesetzung



Lieber Herr Steinhauer, das ist sehr interessant, aschin auch mal die
andere Seite der Stellen-Besetzung zu sehen.

Wie wenig letztlich solche kurzen Erstbegegnungen besagen, weiß ich
selber, nicht nur von der andern Seite aus, die im Verhalten ja doch
eher aus der Not, eine Arbeit zu finden, bestimmt ist, und dann später
durchaus Überraschungen erleben kann, sondern aus WG-Gesprächen,
Zimmer zu vermieten, vor Jahren.

Die Leute, die zum Gespräch kamen, waren in der Mehrheit der Fälle
überhaupt nicht die, die am Ende einzogen, auch wenn sie genau so
aussahen -und auch mehrstündiges eher gemütliches Beisammensein in der
Wohnküche und einige Menschenkenntnis bei den anwesenden Bewohnern hat
nichts geholfen.

In den Ratgebern steht immer auch was vom sog. "Nasenfaktor" -  wobei
selbstverständlich eine Erwägung eines verantwortungsvollen und am
Betriebsklima interessierten Arbeitgebers/ Personalgremiums sein muss,
ob jemand ins Team passen könnte oder nicht...

Dazu schrieben Sie gar nichts - mögen Sie das noch tun?
Es würde mich sehr interessieren, wie Sie dies betrachten.

Silke Ecks

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Am 7. Februar 2013 12:42 schrieb Eric Steinhauer
<eric.steinhauer@xxxxxxxxxxxxxxxx>:
Liebe Liste,

für einen unterlegenen Bewerber oder eine unterlegene Bewerberin in einem
Auswahlverfahren sind Gleichstellungsklauseln oder dergleichen ein häufiger
Bezugspunkt für die verständliche Frustration, eine Stelle (vielleicht zum
wiederholten Mal) nicht bekommen zu haben. Und da beileibe nicht jede
Bewerbung im Laufe eines Berufslebens erfolgreich ist, kenne auch ich diese
Erfahrung aus eigener Anschauung. Vor allem dann, wenn man Familie hat,
wünscht man sich bei der Stellenbesetzung eine stärkere Berücksichtigung
gerade dieses Umstandes. Das wurde in der Diskussion hier schon
angesprochen.

Aber: Eines darf man bitte nicht vergessen. Stellen im öffentlichen Dienst
sind (Gott sei Dank!) keine politischen Ämter, in denen ein wie auch immer
gearteter Proporz herzustellen ist. Stellen im öffentlichen Dienst, wozu ja
die meisten Bibliotheksstellen gehören, sind nach dem Grundsatz von Art. 33
Abs. 2 GG zu besetzen. Dort heißt es: "Jeder Deutsche hat nach seiner
Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem
öffentlichen Amte."

Gleichstellungsklauseln und dergleichen müssen sich diesem Grundsatz
unterordnen. Richtigerweise heißt es in § 10 Abs. 1 Gleichstellungsgesetz
NRW: "Für die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
sind ausschließlich die Anforderungen des zu besetzenden Arbeitsplatzes oder
des zu vergebenden Amtes maßgeblich. Bei der Qualifikationsbeurteilung
sollen Erfahrungen und Fähigkeiten aus der Betreuung von Kindern und
Pflegebedürftigen einbezogen werden, soweit diese für die zu übertragende
Aufgabe von Bedeutung sind."

Das bedeutet, dass bei der Stellenbesetzung fachliche Aspekte im Vordergrund
stehen. Lediglich bei gleicher Eignung greift, soweit Frauen
unterrepräsentiert sind, die sog. Gleichstellungsklausel. Ob damit dem durch
die Gleichstellung ebenfalls verfolgten Ziel, eine Vereinbarkeit von Familie
und Beruf zu ermöglichen, immer entsprochen wird, steht auf einem anderen
Blatt. Ich persönlich finde geschlechtsneutrale familienbezogene Gründe für
eine bevorzugte Einstellung sachgerechter.

Doch das ist alles Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus? Ich habe sowohl
als Mitglied eines Personalrates als auch als Vorgesetzter an sehr vielen
Auswahlverfahren im Hochschul- und Bibliotheksbereich an mehreren
Einrichtungen in unterschiedlichen Bundesländern teilgenommen. Ich habe
nicht einen einzigen Fall erlebt, in dem es zu einer prinzipiellen
Bevorzugung von Bewerberinnen oder auch Bewerbern ohne Rücksicht auf ihre
Leistung oder ihr fachliches Profil gekommen wäre. Das sind letztlich, und
ich denke, das ist durchaus repräsentativ, immer die entscheidenden
Kriterien für eine Stellenbesetzung. Insoweit hat für mich die ganze
Diskussion um Gleichstellungsklauseln etwas Symbolisches.

Aus Sicht der Personalvertretung aber auch der Vorgesetzten ist eine an
anderen als fachlichen Kriterien orientierte Stellenbesetzung übrigens
ziemlich unsinnig. Zum einen haben wir keine Stellen im Überfluss, so dass
wir mit ihnen auch ein wenig herumspielen könnten, zum anderen müssen die
Kolleginnen und Kollegen, die schon im Haus arbeiten, eine fachlich
suboptimale Stellenbesetzung letztlich ausbaden. Das ist ein Bumerang der,
wenn er zurückkommt, allen sehr lange sehr weh tut.

Vielleicht "erdet" das die Diskussion ja ein wenig ...

Viele Grüße
Eric Steinhauer

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