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Re: [InetBib] Ein eBook ist kein Buch!



Es ist schon bemrkenswert, wenn man sieht, wie immer wieder durch Namenswechsel oder auch nur durch neue Begrifflichkeit versucht wird, Verluste zu minimieren bzw. Gewinne zu erhöhen. Zuerst sollte durch die Bezeichnung elektronisches Buch deutlich gemacht werden, dass ein E-Book ein Buch ist, mit dem selben Urheber und den gesicherten Verwertungsrechten. Kaum sieht man, dass man bei E-Books z.B. auf Tablets deren Nutzungszeit beliebig reduzieren kann (sie sozusagen elektronisch nur ausleiht), soll es kein Buch mehr sein, sondern ein „electronic service“. Sprachlich ist es doch klar, dass ein elektronisches Buch ein Buch sein muss, sonst wäre die Wortwahl schlicht falsch, wenn nicht sogar absichtlich irreführend.

Dazu ist sicher erhellend:
„Is an e-book a book or an electronic service?”
http://www.wort.lu/en/view/is-an-e-book-a-book-or-an-electronic-service-50ffb75fe4b030ca68be5cd5

MfG
Walther Umstätter

Am 2013-05-06 09:54, schrieb Eric Steinhauer:
Liebe Liste,

dass ein paar Stunden lang frei verfügbarer Verlagscontent eine
größere Diskussion lostreten, hätte ich nicht gedacht. Ob man darin
die stimulierende Kraft von Open Acces erkennen kann? Wer weiß ...

Herr Dietz hat eine schlichte Sachfrage gestellt, nämlich die, ob man
die Datei der Vampyrologie in Bibliotheken zur Verfügung stellen darf.
Ausgehend davon hat sich eine Diskussion um die Bucheigenschaft dieser
Datei entzündet. Dabei wurde versucht, den Begriff "Buch" zu
definieren.

Ich halte eine solche allgemeine Definition für sinnlos. Der Grund
liegt in dem schlichten Umstand, dass wir seit über 2.000 Jahren mit
dem Wort Buch (liber, /???????/, ???, ????, etc.) etwas benennen, was
sich in dieser Zeit von der Schriftrolle zur gedruckten Massenware in
seiner medialen Dinglichkeit doch sehr gewandelt hat. Offenbar hielt
man es nicht für nötig, die dabei aufgetretenen Diskontinuitäten
semantisch zu markieren.

Das bedeutet aber nicht, dass es diese Diskontinuitäten nicht gibt und
dass zwischen einer Schriftrolle und einer Inkunabel medial keinen
Unterschied existiert. Wenn man also einen Begriff wie "Buch"
bestimmen möchte, so kann man das ohne einen Kontext und ohne einen
Bezug auf bestimmte Vergleichspunkte gar nicht sinnvoll tun. Das hat
schon Friedrich Nietzsche gewusst, der in seinem Buch (!) "Zur
Genealogie der Moral" bereits bemerkte, dass "definierbar ... nur das
[ist], was keine Geschichte hat". An dieser Stelle ist es interessant,
dass der Alltagssprachgebrauch auch den Wandel vom analogen zum
digitalen Text semantisch offenbar ebenfalls nicht besonders
hervorheben möchte, wie in dem Wort "eBook" deutlich wird.

Bezogen aber auf die Frage von Herrn Dietz, kann man ganz klar sagen,
dass die Datei der Vampyrologie im benutzungsbezogenen
bibliothekarischen Kontext KEIN Buch ist, denn sie kann nicht wie ein
herkömmliches Buch in der Bibliothek zur Verfügung gestellt werden.
Das hat seinen Grund in dem fehlenden Trägermedium, an dem die
Bibliothek Eigentum erwerben könnte mit der Folge, dass sie es dann
weiterverbreiten dürfte. Durch den Link hat die Bibliothek allein eine
Kopie, die sie nach den Vorschriften des UrhG nutzen kann, hier also
nach § 53 UrhG.

Die Bibliothek darf die Datei NICHT öffentlich zugänglich machen,
dürfte aber für den eigenen wissenschaftlichen Gebrauch die Datei
abspeichern und weitere Vervielfältigungen anfertigen; gleiches gilt
für Privatpersonen, die auf Nachfrage auch an Freunde und Bekannte die
Datei weitergeben dürfen. Für mehr Nutzung hätte die Datei mit einer
CC-Lizenz oder einer vergleichbaren Bestimmung versehen sein müssen,
was aber nicht der Fall ist. Ob die Datei, sofern sie für den eigenen
wissenschaftlichen Gebrauch zulässigerweise abgespeichert wurde, auch
am elektronischen Leseplatz nach § 52b UrhG genutzt werden könnte, ist
fraglich. Mit Blick auf die Zweckbezogenheit der Kopie in § 53 UrhG
wird das verneint. Die gegenteilige Ansicht ist aber auch vertretbar,
sofern die Verlage (Hallo, Herr Ulmer!) durch ihre Klagen nicht zu
einer restriktiven Schrankenhandhabung Anlass geben.

Die Frage von Herrn Dietz hat mich doch etwas verwundert, da der
Unterschied zwischen einem gedruckten Buch und einer schlichten Datei
dem Grunde nach jedenfalls unter "Informationsspezialisten"
Allgemeingut sein sollte; das Internet und seine juristische Ökologie
sind so neu ja nicht ... ;)

Viele Grüße
Eric Steinhauer

--
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