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Re: [InetBib] Unchristliche Sonntagsöffnung



Ich will mich noch einmal zu Wort melden:


1. Es ist wenig ratsam, mit advocatischen Winkelzügen die christliche Bedeutung 
des Sonntags zu umreißen, sie laufen meist in die falsche Richtung. 


Ein Beispiel: Sie zitieren RB 48, 22f. fälschlicherweise wohl als gängige 
Erlaubnis für Sonntagsarbeit.

Dazu müssen Sie wissen: ein Klosterleben ist von dem bürgerlichen Leben zu 
unterscheiden.  Da sind einige Dienste, wie z.B. der Krankenpflegedienst, zu 
erledigen. Der Sonntag bleibt aber ein besonderer Tag der inneren Einkehr. Wenn 
Sie RB 48 im Zusammenhang lesen, werden Sie verstehen, das diese Ausnahme im 
gleichen Verhältnis steht wie die vorgesehen Ausnahmen im Zivilrecht bzgl. 
Sonntagsarbeit. 
Die lectio divina ist ein besonderes Lesegebot der weiteren spirituellen 
Erbauung und Weiterbildung und bedeutet mitnichten, dass man die Sonntagsruhe 
außer Acht lassen kann.
RB 8; 14,1.
 RB 48,23: Ist aber einer so nachlässig und träge ist, dass er nicht willens 
oder nicht fähig ist, etwas zu lernen oder zu lesen,  trage man ihm eine andere 
Tätigkeit auf, damit er nicht  müßig ist. 
Das heißt nicht, dass die Sonntagsruhe nicht auch für diejenigen gilt.

 
Ich durfte übrigens während meiner Zeit als Bibliothekar in einem 
Benediktinerkloster die Bibliothek nicht betreten; auch die Mönche durften es 
nicht. 

2. Dass die Sonntagsöffnung vermutlich zivilrechtlich gestattet ist, bedeutet 
aber auch, dass -nach meiner Laienmeinung- weiterhin das Recht gilt, dass 
keiner zu Sonntagsarbeit gezwungen werden kann. Diese Tendenz zum 
Sonntagsschutz sehe ich nach den jüngsten Entscheidungen des BVG.

3. Was sollen diese ausfallenden Bemerkungen, ich würde die "Monstranz des 
Christentums' hochhalten? Es ist nun mal so, dass die abendländische Kultur vom 
Christentum geprägt ist. Außerdem fände ich es eher angebracht, dass meine 
Überzeugung genauso respektiert wird wie ich bestimmte Meinungen  respektiere, 
die dieser Überzeugung entgegen stehen. Nur, Herr Steinhauer, bitte ich Sie 
schon richtig zu zitieren und nicht einzelne Textbausteine so zusammenlegen, 
wie es Ihnen passt. 
Und ich glaube, mein Verweis auf den im Grundgesetz und in den vielen 
Landesgesetzen verankerten Feiertagsschutz, einschl. der jüngsten 
Entscheidungen des BVG bzgl. Sonntagsschutz  hat wohl mehr Gewicht als ihr 
ausgegrabenes Theatergesetz von 1971. 


4. meine Bemerkungen über die am Sonntag beschäftigten Nichtgläubigen war nicht 
so ernst gemerkt und nur dazu gedacht, den Witz mit der "Heidenarbeit" 
unterzubringen.


Ich bin der Auffassung, dass diese Diskussion jetzt abgeschlossen werden muss. 
Ich denke alle Meinungen kamen zu Wort. Damit muss es jetzt auch gut sein. 




Von meinem iPad gesendet

Am 26.07.2013 um 10:16 schrieb Eric Steinhauer 
<eric.steinhauer@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Liebe Liste,

die Sonntagsöffnung ist hier anscheinend ein weites Feld fröhlichen Meinens 
und ein Ort, um seine "Monstranz christlicher Gesinnung" vor sich her zu 
tragen, um eine bereits verwendete Formulierung einmal aufzugreifen. Dabei 
lassen sich in dieser Frage, sofern man ein wenig Zeit in die aktive 
Betätigung seiner professionellen Informationskompetenz zu investieren bereit 
ist und sofern man noch nicht verlernt hat, auch einmal ältere, bloß gedruckt 
vorliegende Literatur zur Kenntnis zu nehmen, relativ leicht eine recht klare 
Antwort finden, jedenfalls was die "Christlichkeit" solcher Sonntagsarbeit 
angeht.

Das Staatskirchenrecht und seine Ausprägungen im Feiertagsrecht sind hier ein 
denkbar schlechter Ratgeber, weil der religiös-weltanschaulich neutrale Staat 
keine eigenen religiösen Wertungen kennt und lediglich im Sinne einer 
allgemeinen Religionsfreundlichkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung 
dem Religiösen Raum gibt, wenn und sofern dieses Religiöse eine gewisse 
Relevanz besitzt. Da insbesondere die beiden Großkirchen in den letzten 
Jahrzehnten ihre institutionelle Energie in die Festigung ihrer Position als 
steuereinziehende Behörden investiert haben und dabei die innere 
Mitgliederbindung gerade in die Zone einer allgemeinen Erosion abgleitet, 
dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, inwieweit, rechtlich gesehen, 
religiöse Begründungen im Feiertagsrecht und anderswo noch tragen werden.

Um hier aber nicht den Anschein des Liberalen zu erwecken, der klammheimliche 
Freude am Niedergang der kirchlichen Religion empfindet, möchte ich die 
Sonntagsarbeit in Bibliotheken einmal vom rigosoren Standpunkt des 
traditionellen Katholiken aus betrachten und die Manualien der älteren 
Moraltheologie zu Rate ziehen, Literatur also, die mit Blick auf Laxheit und 
leichtfertige Standpunkte sicher ganz unverdächtig ist.

Um es vorweg zu nehmen, vom Standpunkt der Moral ist die Sonntagsöffnung von 
Bibliotheken zweifelsfrei zulässig. Aus dem Gebot der Sonntagsheiligung folgt 
allein das Verbot der opera servilia (körperliche Arbeit) und der opera 
forensia (Gerichtsverfahren und dergleichen). Erlaubt sind dagegen alle opera 
liberalia, wozu alle geistigen Tätigkeiten gerechnet werden, wie etwa lesen, 
studieren, lehren, cf. Jone, Katholische Moraltheologie, 5. Aufl., Paderborn 
1934, S. 155 sowie Busquet/Garcia-Bayon, Thesaurus Confessarii seu brevis et 
accurata summula totius doctrinae moralis, ed. 9, Madrid 1934, nr. 312. Dabei 
spielt es gar keine Rolle, ob die opera liberalia anstrengend sind oder ob 
sie gegen Entlohnung ausgeführt werden: "talia opera remanent liberalia, etsi 
cum magna defatigatione perficiuntur et pro mercede obtinenda suscipiuntur. 
Hinc e. gr. licet diebus dominicis ... etsiamsi hoc fit remunerationis 
causa.", cf. Prümmer, Manuale Theologiae Moralis secundum Principia S. Thomae 
Aquinatis, tom. II, 4./5. Aufl, Freiburg 1928, S. 400. Hier gilt der 
Grundsatz: "intentio operantis non potest opus mutare". In diesem 
Zusammenhang ist interessant, dass auch Drucker und Typographen, weil dies 
als opus liberale gilt, sonntags arbeiten dürfen, was immerhin eine gut 
begründete Ansicht des großen Moraltheologen und Kirchenlehrers Alfons von 
Ligouri ist, vgl. Theologia Moralis, liber IV, nr. 279. Wenn aber nun der 
Druck, die Lektüre und sogar das bezahlte Vorlesen und Dozieren statthaft 
sind, so besteht kein Grund, die Arbeit in der Bibliothek als Verstoß gegen 
das Gebot der Sonntagsheiligung anzusehen. Im Sinne der traditionellen 
Kasuistik löst sich die "Unchristlichkeit" der sonntags geöffneten Bibliothek 
in Wohlgefallen auf.

In diesem Zusammenhang sei ein kurzer Blick auf die Regula Benedicti 
gestattet. Immerhin waren es ja die Benediktiner, die Heiden zu nennen sicher 
nicht ansteht, die in unserem Kulturkreis Bibliotheken überhaupt erst 
installiert haben. In der Regula heißt es in XLVIII, 22 f. trocken: "Dominico 
item die lectioni vacent omnes ... si quis vero ita ... desidiosus fuerit, ut 
non velit ... legere, iniungatur ei oprus quod faciat ..." frei übersetzt: Am 
Sonntag wird gelesen. Wer dazu zu faul ist, soll was Anständiges arbeiten.

In diesem Sinne wünscht ein schönes Wochende
Eric Steinhauer

P.S.: Für den Kenner und Liebhaber: Wie sehen eigentlich die 
Siebenten-Tags-Adventisten den Samstagsdienst? Hintergrund: 
https://de.wikipedia.org/wiki/Siebenten-Tags-Adventisten#Sabbat. Offenbar ist 
bei denen, die sicher keine Heiden sind, Sonntagsarbeit total in Ordnung: 
http://www.thh-friedensau.de/bibliothek/ :))

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