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Re: [InetBib] Unchristliche Sonntagsöffnung



Lieber Herr Holzbach,

die Diskussion sollte auf sich beruhen oder besser werden (s.u.), aber schlampige Zitate, darauf will ich dann doch eingehen, werden Sie bei mir nicht finden.

Wenn Sie auf Kontext viel Wert legen, dann sollten Sie die Überschrift von Kap. 48 der Regula nicht unterschlagen: "Die tägliche (!!) Handarbeit". Eine eigentliche Sonntagsruhe kennt die Regel gar nicht, bloß ein etwas größeres Lesepensum am Sonntag und Varianten im liturgischen Gebet. Dass die Regel KEINE Sonntagsruhe kennt, ist nicht nur meine Meinung, vgl. etwa Schiepek, Der Sonntag und die kirchlich gebotenen Feiertage nach kirchlichem und weltlichem Recht, 2. Aufl., Frankfurt 2009. S. 193.

Was genau meinen Sie mit dem Theatergesetz von 1971? Ein solches Gesetz gibt es nicht. Das Zitat stammt, wie ich deutlich angegeben zu haben glaube, aus einem Aufsatz. Es sollte lediglich zeigen, dass die Sonntagsfrage nicht auf das Bibliothekswesen beschränkt ist, sondern auch im Theaterbereich existiert.

Das Christentum spreche ich niemandem ab. Ich sage nur, und dabei bleibe ich nach Konsultation repräsentativer moraltheologischer Manualien: Die Frage der Sonntagsöffnung von Bibliotheken hat mit Religion nichts zu tun und betrifft nicht das Gebot der Sonntagsheiligung. Wenn Sie strenger sein wollen als die traditionelle katholische Auffassung, so steht Ihnen das natürlich frei. Ich für meinen Teil werde meine Monstranz aber nicht in diese Ecke tragen.

Die ganze Debatte hat freilich gezeigt, dass hier viele Vorstellungen von Sonntagsruhe existieren, die sich in den einzelnen Fachdiskursen so nicht wiederfinden. Wenn also jemand mal ein Thema für eine bibliothekswissenschaftliche Abschlussarbeit sucht und vielleicht keine Umfrage oder dergleichen durchführen möchte, ich glaube, hier gibt es was zu holen: eine kritische Sichtung der einzelnen Argumente. #Zaunpfahl #Winkewinke :))

Dazu eine Kostprobe:

Als in Hessen neulich die Bibliotheken als Ausnahme in das Feiertagsgesetz geschrieben worden sind, hat der Vertreter der evangelischen Kirche dies gemeint:

"Hinsichtlich der Bibliotheken möchte ich es ein bisschen differenzierter sehen. Die EKD hat sich auf Bundesebene dafür ausgesprochen, wissenschaftliche Bibliotheken durchaus geöffnet zu halten, beispielsweise für Promotionen oder Studienarbeiten. Das würden wir gerne auch auf diesen Bereich der Bibliotheken begrenzt sehen." S. 16

Und der Vertreter der katholischen Kirche sagte zur geplanten Öffnung der Videotheken (zu Bibliotheken sagt er nichts):

"Ebenfalls problematisch finden wir – auch dies ist hier schon mehrfach angesprochen worden – die Öffnung der Videotheken und die Ausweitung der Öffnungszeiten im Bereich der Portalwaschanlagen. Wir hatten schon festgestellt, dass das Ausleihen von Videos auch am Samstag bis 24 Uhr ohne Probleme möglich ist. Da muss man nicht unbedingt am Sonntag zugreifen, und im Übrigen zeigen neue moderne Techniken – wie das Herunterladen von Filmen aus dem Internet –, dass es nicht notwendig ist, ein Video in einer Videothek auszuleihen. Ob es der seelischen Erhebung dient, am Sonntag einenVideofilm auszuleihen, würde von kirchlicher Perspektive aus wohl eher infrage gestellt werden." S. 26f. Quelle: Hessischer Landtag INA/18/15 - AFG/18/9 (Protokoll der mündlichen Anhörung).

Was mag wohl mit Filmen aus katholischen öffentlichen Bibliotheken sein ...?! zB hier: http://www.koeb-ffm.de/ und das zur besten Gottsdienstzeit ... Und wer passt eigentlich am Sonntag auf das Internet auf? Vielleicht ein Inder, der dank Zeitverschiebung nicht am Sonntag arbeiten muss ...?!

Ich nenne das inkonsistent. Und vor dem Forum der traditionellen Moraltheologie sind die Argumente des kirchlichen Vertreters auch schwer zu rechtfertigen.

Wenn wir, was ich in INETBIB voraussetzen darf, bibliotheksfachlich über das Themen reden wollen, stellen sich doch ganz andere Fragen, nämlich: Erreichen wir durch andere Öffnungszeiten unsere Zielgruppen besser? Wie können wir bei knappen Ressourcen und verändertem Freizeitverhalten attraktiv bleiben? Die Arbeit von Frau Verch sagt dazu etwas. Herr Umstätter hat dankenswerterweise darauf hingewiesen.

Viele Grüße
ste





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