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Re: [InetBib] Roland Reuß für's Analoge, gegen die Cloud



Liebe Reuß-Leser,

zunächst liebe ich Sätze, wie den, dass das „Denken das Gespräch der Seele mit sich selbst ist“ (R. Reuß). Sie sind so herrlich Substanzlos, weil niemand weiß was eine Seele ist, und wer da mit wem spricht. Das wird auch nicht dadurch tiefsinniger, dass man an dieser Stelle noch Platon zitiert, der mit Sicherheit noch recht wenig davon wusste, was die Menschheit seitdem über die Informationsverarbeitung und das Denken herausgefunden hat. Erst die Informationstheorie hat das was man früher als Entelechie, Vitalismus, Teleologie, elan vital, Omega Prinzip etc. zu verstehen versuchte, erklären können. Es ist schon erheiternd, dass die Psychologie, die einst in Bibliothekskatalogen noch stärker bei der Theologie verortet war, sich heute so nennt, ohne eine wirkliche Definition von Seele zu wagen. Im Gegenteil, es ist noch nicht lange her, dass die Ethologen erkannten, dass man Menschen der Psychologie zuordnet, während Tiere mit Reflexen, Instinkten, Schwarmintelligenz etc. nur Verhalten zeigen können, was immerhin auch bedeutet, dass man Tiere für ihr Handeln nicht so verantwortlich machen und bestrafen darf, wie Menschen. Sie haben ebenso wie Pflanzen Wissen, aber kein Bewusstsein (Zwischen Informationsflut und Wissenswachstum), mit dem sie ihr unterbewusstes Wissen und Handeln hinterfragen bzw. logisch überprüfen können. Auch wenn viel zu viel Tierhalter mit ihrem anthropozentrischen Weltbild ihre Hunde, Katzen oder Pferde gern zur Verantwortung ziehen, insbesondere dann, wenn sie selbst Fehler gemacht haben, es sind Tiere die Artgerecht gehalten werden müssen. Dass sie eine Seele haben lässt sich leicht behaupten, solange kein Mensch weiß , was geeint ist. Zu Platons Zeiten war die Seele noch unsterblich und entwich auf ihrer Seelenwanderung bei Sterbenden ins Jenseits. Auch das Wissen um die Weltseele macht das Verständnis über unseren Denkvorgang nicht unbedingt einfacher, und das obwohl es durchaus richtig ist, dass wir durch unser Denken die Logik in dieser Welt erstaunlich weit zu durchdringen vermögen. Von göttlicher Seele zu sprechen führt hier zu weit.

Was hat das mit Prof Reuß und dem Internet zu tun? Es zeigt, dass er noch nicht weiß, was im Bereich der semantischen Netze und der Denkmaschinen zur Zeit geschieht.

Als die ersten Computer konzipiert wurden, sollten sie zu Denkmaschinen werden, sie sollten die selbe Logik nutzen, wie wir. Als sie dann funktionierten, zeigte sich, dass unsere neuronalen Netze im Gehirn, viel assoziativer, schlampiger, fuzzy-artiger, auch genialer zu denken vermögen. Trotzdem sind auch Computer noch immer Denkmaschinen, auch wenn sie keine „Seele“ haben, ihnen fuzzy-logic beizubringen ist kein grundsätzliches Hindernis.

Noch einen Satz dazu, dass sich Geheimdienste schon lange für das Leseverhalten von Bibliotheksbenutzern interessiert haben. Das ist unverantwortlich, und da hat Prof. Reuß Recht. Der Fehler liegt aber nicht darin, dass niemand wissen darf, dass ich z.B. „Mein Kampf“ gelesen habe, sondern dass es grober Unfug wäre mich deshalb als rechtsradikal einzustufen. Im Gegenteil, wenn mehr Menschen dieses Machwerk Hitlers wirklich gelesen hätten, wüssten sie, dass Hitler nichts gegen Juden hatte, sie waren im nur völlig egal, und darum nutzte er den Hass in der Bevölkerung rücksichtslos für seine eigene Machtgier. Das kann jeder nachlesen. Er beschloss, bei allen seinen Feinden und bei eigenen Fehlern, als Führer immer nur einen und den selben Grund anzuführen, das Weltjudentum. Diesen Irrsinn hielt er auch noch für genial.

Ich befürchte, dass viele Überwachungspraktiken sowohl bei den Geheimdiensten als auch beim Marketing in ihrer Qualität weit überschätzt werden. Sie zu überschätzen ist nicht weniger gefährlich als sie zu unterschätzen.

MfG
Walther Umstätter

Am 2013-11-12 15:57, schrieb Annette Kustos:
Liebe Kollegen,
das Problem des Artikels ist zunächst, dass eine Vielzahl völlig
unterschiedlicher Dinge in einen großen weltumspannenden Tiegel der
persönlichen Rechts- und Weltsphäre des Herrn Reuß geworfen und
sprachverliebt durch die Gegend gepostet werden. Da ist für jeden
Berufssystemkritiker etwas dabei.. vom ständigen Selbstmystifizieren
unserer heutigen Journaille mal ganz abgesehen.

Die Frage von Open Access für die Wissenschaftspublikation, die
Bedeutung von gedruckten und elektronischen Beständen und deren
Flüchtigkeit, bzw. Archivierung, die Rolle des gedruckten Buches
heute, die Öffnung bibliothekarischer Angebote durch Findbarkeit über
Google,  freier Zugang zu Metadaten für eine Öffentlichkeit, der
mögliche Ausverkauf bibliothekarisch-öffentlicher
Katalogisierungsleistungen an Konzerne, die wir auch noch bezahlen
bzw. die Daten möglicherweise auch noch verstümmeln, Datenschutz in
Datenbankangeboten, Datenschutz in Bibliothekssystem und in einer
"Cloud" ... das sind alles sehr schwierige Einzelfragen, deren
Betrachtung einiges an Fachwissen und Diskussionsbedarf erfordern.
Es ist schlicht undergraduate diese Dinge so zu verbinden - dann noch
anlass-nsa-gerecht und so .... also "kommerzieller" im Sinne einer
gehirnwaschenden Selbstvermarktung geht es wohl kaum.

Da setzt der Pauschalvorwurf an Bibliotheken der BRD, sich an
Aushorchen zu beteiligen dem Ganzen nur noch die Krone auf.
Gruß
A. Kustos

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag
von Till Kinstler
Gesendet: Dienstag, 12. November 2013 15:19
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Roland Reuß für's Analoge, gegen die Cloud

Am 12.11.2013 14:53, schrieb Eberhardt, Joachim:
Werte Kolleginnen und Kollegen,

Roland Reuß, öffentlichkeitswirksam auftretender Germanist an der Uni Heidelberg, hat die FAZ wieder mal dazu genutzt, der Bibliothekswelt die Leviten zu lesen. Eben bei Buchreport gesehen.
<http://www.buchreport.de/nachrichten/nachrichten_detail/datum/2013/11
/12/schuetzt-die-leser-vor-den-datenkraken.htm>

Schade, dass der Buchreport den Artikel von Reuß nichtmal korrekt
zitieren kann (da sieht man mal wieder, wie elementare Kulturtechniken
in labilen digitalen Infrastrukturen verloren gehen!) und nur nebulös
auf die ""FAZ" (Printausgabe vom 12. November)" hinweist. Dabei konnte
anscheinend niemand verhindern, dass der Artikel von Reuß sogar für
sämtliche Datenkraken frei zugänglich veröffentlicht wurde. Dorthin
kann man sogar verlinken:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/datenschutz-in-bibliotheken-sie-nennen-es-service-dabei-ist-es-torheit-12659003.html
(ich vermute zumindest, dass es um diesen Artikel geht, weil
Quellenangaben s.o. ...). Wer es also lesen möchte...
Es hat mich übrigens deutlich weniger Zeit gekostet, den Artikel auf
diesem Wege zu bekommen als in die Bibliothek nebenan zu gehen und ihn
mittels schlechter Quellenangaben dort zu suchen...

Viele Grüße,
Till Kinstler


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