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Re: [InetBib] Datenschutz in Bibliotheken



Guten Tag,
diese Diskussion ist wenigstens mal wieder eine- ob Sie Herrn Prof. Reuß auch 
noch Aufmerksamkeit verschafft, ist mir jetzt mal egal.

Solange ich moderne Bibliotheken kenne, kümmern die sich recht intensiv um den 
Datenschutz wie auch die Mitteilung Herrn Hellers hier zeigt. Ich finde es 
daher ärgerlich, das ein solcher Vorwurf so pauschal in einer Zeitung erscheint 
und mit geisteswissenschaftlichem Nimbus umkränzt ausgerechnet an Einrichtungen 
ergeht, die in einem Aktionsfeld voller sich widersprechender Vorgaben mit 
zunehmender äußerst unfreiwilliger Mittelkürzung und Mittelbildung durch 
marktbeherrschende Verlagskonzerne noch versuchen, den Spagat von freier 
Information und geschützter Information sowie fundierter Bestandspflege und 
elektronischer Literaturversorgung täglich zu bewältigen. 

Ich teile die Kritik an einer ungezügelten Cloudologie, und in der Tat auch an 
einer unmoderierten, kostenfreien Überlassung von z. B. Metadaten nicht an eine 
wissenschaftliche Öffentlichkeit, sondern an die Verknappungskombo von 
Konzernen ...und ein einer sich verselbständigen Technokratie.

Mich interessiert nicht, ob jemand ein Buch aus meiner Bibliothek auch in Ohio 
findet, mich hat erst mal zu interessieren, was meine Nutzergruppe findet. Eine 
Bibliothek ist keine Weltheilanstalt, vor allem nicht für sich mit 
Internationalität behängende Politiker,  sondern eine Einrichtung zur Sammlung 
von Literatur aller Formen für die Nutzung und Bewahrung in einem Kontext. Eine 
Internationalisierung ohne Ende kann z. B. einer informationellen Integration 
von Bibliothek und Hochschule total entgegenstehen. Die Weltbibliothek für 
alle, die auch meine "Glücksidee" ist, entsteht nicht in einem Einheitssystem, 
sondern aus sich zueinander bewegenden Einzelsystemen mit hohem 
Differenzierungsgrad. Das Weltall sozusagen.. die Milchstraße interessiert sich 
nicht für andere Galaxien. Und trotzdem ist das ein Weltall. Das kommt von 
selber.
 
Die Bibliothek jedenfalls soll in diesem Kontext den Suchraum so zuschneiden, 
dass der Zweck der in diesem Kontext liegenden Einrichtungen erfüllt werden 
kann. In einer bestimmten Wissenschaft geht es schlicht um Fachinformation. 
Darüber hinaus kann eine Bibliothek nur versuchen, möglichst viel von dem, was 
man für seinen Zuständigkeitsbereich beschafft, auch über außerhalb der 
Bibliothek liegende Systeme zugänglich zu machen. 
Ich kann einem Nutzer doch nicht vorschreiben, wo er sucht.
Wenn ich weiß, er sucht in Google, dann kann ich versuchen, ihn von dort in den 
eigenen Suchraum zu lotsen.
Das heißt aber nicht, dass ich ihn betreuen muss... und  bis zum Ende seines 
Suchweges dafür verantwortlich bin , wie er sich da datentechnisch hinterlässt. 
Herr Prof. Reuß scheint Bibliotheken hier als Regulator, Heiler oder so etwas 
zu sehen.. 
Was er wohl meint ist die "Verlässlichkeit". Wenn die Bibliothek als Idee ihm 
das nicht mehr bietet, dann fühlt er sich krank. Das ist eigentlich ein 
Kompliment an uns. Bibliothek heißt Bestand, Bibliothek ist Sicherheit.. 
Genau.. aber nicht ohne ein Rechtsfundament.
Es bemühen sich in den letzten Jahren parteiübergreifend Politiker darum den 
öffentlich-rechtlichen Charakter von Bibliotheken zu zerschlagen. Wenn man das 
tut, müsste man wettbewerbsrechtliche Ausgleichsinstrumente schaffen. Das 
geschieht aber nicht. 
Dadurch ergeben sich für eigentlich öffentlich-rechtlich verstandene, als 
"Sicherung" begriffene Einrichtungen Verhandlungssituationen, die immer weniger 
überhaupt welche sind. Unsere Mittel werden gebunden, weil sich 
Marktsituationen ergeben, die eine freie Gestaltung von Verträgen und einen 
sachbezogenen Bestandsaufbau kaum noch zulassen.

Ein Ausweg wäre ein ideologiefreier Schritt in die Open Access Wissenschaft. 
Das technikfrei zu denken ist aber schlicht Unsinn. Da dreht sich Herr Reuß im 
Kreis.

All diese Punkte kann man nicht damit erschlagen, dass man die Bibliotheken zu 
Tätern erklärt. Vielleicht findet Herr Prof. Reuß keinen anderen Schuldigen... 
außer den verlässlichen Bibliotheken (Tiefenpsychologie).
So nun widme ich mich wieder den filigranen Diversitäten einer 
Bibliothekssystemkonfiguration. Wie schon, dass mich dabei "Ohio" (noch ) nicht 
interessieren muß.
Einen schönen Tag.
A. Kustos

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Lambert 
Heller
Gesendet: Mittwoch, 13. November 2013 11:12
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Datenschutz in Bibliotheken

Danke für den Hinweis, Herr Voss.

Nur noch ergänzend: Herr Reuß hätte durch eigene Recherche innerhalb weniger 
Minuten mit einem Browser ermitteln können, welche Cookies vom Katalog der HU 
Berlin gesetzt werden. Eine solche Recherche hat er offenbar nicht 
durchgeführt, bevor er seine ganzseitige Verschwörungstheorie in der FAZ 
veröffentlicht hat. By the way, die FAZ-Website, auf der sein Artikel steht, 
setzt einen Google-Tracker ein.

Reuß' Artikel ist eine schlecht informierte Anbiederung an die mit 
Antiamerikanismus gepaarte Internetskepsis der FAZ-Leserschaft, oder verpasse 
ich da gerade etwas?

Schöne Grüße,
Lambert Heller

Am 13. November 2013 10:02 schrieb Dr. Michael Voss <mvoss@xxxxxxxxxxxxxxx>:

Der Artikel ist zwar insgesamt recht interessant, ist aber in den 
Passagen zur Humboldt-Universität zu Berlin völlig falsch. Daher wird 
der Wert dieses Artikels arg reduziert.

Es gibt zwar das "Google-Institut" an der Humboldt-Universität, aber 
dieses hat keinerlei Zugriff auf die Daten, die auf den Servern der 
Universitätsbibliothek gespeichert sind. Ebenso haben Google oder 
andere "Internetfirmen" keinen Zugang zu unseren Benutzerdaten und 
Log-Files aus denen sich Rückschlusse auf des Rechercheverhalten der Leser 
ziehen lassen.

Auf Suchhistorien kann nur der Leser selbst zugreifen. Dies ist aber 
nur dann möglich, wenn er diesen Service bewußt nutzen möchte - in 
Form von Speicherung von Treffermengen oder Suchanfragen. Wer dies 
nicht tut, hinterläßt auch keine dauerhaften Spuren. Diese 
gespeicherten Daten hat der leser voll unter seiner Kontrolle, wenn er 
sie löscht, dann sind sie auch gelöscht.

Log-Files werden nach 7 Tagen gelöscht, damit auch nicht aus 
Betriebsdaten Rückschlüsse gezogen werden können.

Michael Voss
(zuständig für den Betrieb des Katalogs und der Recherche-Software an 
der UB der Humboldt-Universität zu Berlin)

--


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Voß

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Humboldt Universität zu Berlin    * E-Mail: mvoss@xxxxxxxxxxxxxxx
Universitätsbibliothek            * WWW:    http://www.ub.hu-berlin.de
Abt. EDV                          * Mobil:  +49-160-36 45 684
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Sitz (Berlin-Mitte):              * Telefon:+49-30-2093 99 350
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Rudower Chaussee 26               * Raum 2.325
D - 12489 Berlin-Adlershof
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