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Re: [InetBib] Kein EIS



Im Prinzip ist ja der Beitrag in Wikipedia nicht falsch, auch wenn man dort merkt, dass der Unterschied zwischen "Chemisches Zentralblatt (1830–1969)" und "Chemical Abstracts (CA) (seit 1907)" unerklärt bleibt. Der war aber auch fließend, denn auch bei den Referatenorganen, gab es zunächst, von Wissenschaftlern verfasste wertende Referate, die später aus Kostengründen immer mehr durch die Autorenabstracts ersetzt wurden.

Bekannt ist ja auch, dass der Begründer des "Zentralblatt MATH (seit 1931)" als Jude Deutschland verlassen musste und darum als Konkurrenz die "Mathematical Reviews (seit 1940)" in den USA begründete, nur natürlich unter den dortigen Bedingungen. Bei den deutschen Referatenorganen brauchte man eine sehr umfangreiche Kartei aller weltweiten Spezialisten, die im Laufe der Jahre (ohne Computer) immer weniger zu beherrschen war. Als dann die USA im Weinberg Report massiv automatisierte, wurden die Springerschen Referateorgane immer weniger konkurrenzfähig. Als A. v. Harnack die Referatenorgane im Zusammenhang mit der Bibliothekswissenschaft als „Nationalökonomie des Geistes“ als „Sache von der grössten Wichtigkeit“ bezeichnete, worauf er in seinem dringenden Aufruf (www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/infopub/que/harnack1921a.html) mit dem Satz in „der Chemie, hat sich längst schon ein festes Verhältnis zwischen der Industrie und der Wissenschaft ausgebildet“ Bezug nahm. Harnack, Krüß u.a. waren sich damals bewusst, wie wichtig dieses Instrument für die Wissenschaft war. Ihr Link (http://bibdigital.rjb.csic.es/Imagenes/P0027_144/P0027_144_633.pdf) belegt das ja auch insbesondere für die Zeit, als es immer schwieriger wurde die Weltliteratur zu erwerben und zu überblicken. Als VINITI in den UdSSR das gleiche erkannte, entstand immerhin der Sputnik Schock, weshalb die USA mit dem Weinberg Report antworteten.

Heute ließe sich mit einer Datenbank die Zahl der Experten leichter denn je verwalten, der gesamte alte Briefverkehr mit der Verschickung von Sonderdrucken, wie er einst notwendig war, und auch das Mahnwesen für ausstehende Referate, wäre automatisierbar.

Es wäre also genau das "Publish first, filter later", dass Sie auch ansprechen.

MfG

Walther Umstätter

Am 2014-07-27 15:27, schrieb Klaus Graf:
On Sun, 27 Jul 2014 13:16:41 +0200
 h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

Einerseits, weil
viele nicht mehr wissen, was die Referatenorgane
eigentlich waren, wie sie funktionierten, und warum sie
nach dem zweiten Weltkrieg weitgehend eingestellt werden
mussten. Andererseits, weil es dem Verlagswesen in hohem
Maße gelungen ist sein Pre-Peer-Reviewing als
unverzichtbare Qualitätskontrolle darzustellen.

Nun, Ihnen ist sicher die Wikipedia bekannt, wo man sich
nicht selten sehr fachkundig informieren kann, auch auf dem
Feld der Informationswissenschaft. Bei Ihren Kenntnissen
wäre es Ihnen doch ein Leichtes, den Artikel

Referateorgan (sic)
https://de.wikipedia.org/wiki/Referateorgan

auszubauen und zu verbessern. Bei Google findet man auf den
ersten Treffern vor allem den Hinweis auf das
geisteswissenschaftliche Referatenorgan "Germanistik", aber
auch ein interessantes historisches Dokument von

http://bibdigital.rjb.csic.es/Imagenes/P0027_144/P0027_144_633.pdf

Da ich selbst Referatenorgane aus meinen
Interessensgebieten neben der "Germanistik" aktuell nur vom
Archiv für Reformationsgeschichte (und historisch von
"Jahresberichten") kenne, wäre es von Vorteil, eine bündige
Darstellung zum STM-Bereich zur Verfügung zu haben.

Aus meiner begrenzten Sicht standen bei den
Referatenorganen Inhaltsangaben im Vordergrund, und
kritische Bewertungen wurden - wenn überhaupt - nur von
einer Stimme, nämlich dem jeweiligen Referenten,
verantwortet.

Zum Fetisch Peer Review:
http://archiv.twoday.net/search?q=fetisch+peer

Ich bin ein Anhänger von "Publish first, filter later".
Peer Review entscheidet, einem verbreiteten Bonmot zufolge,
nur, wo ein Aufsatz erscheint, aber nicht, ob er erscheint.
Idealerweise sollten Freiwillige bei einer Zeitschrift ein
gründliches redaktionelles Review anbieten, bei dem
offenkundiger Mist (etwa im Sinne des Bohannon-Stings)
weggefiltert und soweit möglich wissenschaftliches
Fehlverhalten (Plagiate, Datenfälschung) geprüft wird. Dann
muss alles daran gesetzt werden, dass eine lebendige
Kommentarkultur im Sinne eines Post-Publication-Review
entsteht. Auch schwache Beiträge können so von Nutzen sein.

Klaus Graf

--
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