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Re: [InetBib] "Bibliothekspädagogik reloaded"



2014-11-04 9:43 GMT+01:00 Martin Spieler <Martin.Spieler@xxxxxxxx>:
+++ Versand an Inetbib + Forumoeb - bitte entschuldigen Sie ggf. den
Doppelempfang +++


Jenseits der spannenden diskussion, eine info:

[InetBib] "Bibliothekspädagogik reloaded"
www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg54249.html
Date: Tue, 04 Nov 2014 09:43:25 +0100; From: Martin Spieler <Martin.
... Unsere Tochter Christine, (14 J.), die seit je her gerne liest,
entwickelt seit ihrem 10.

per googlen nach: martin spieler christine
auf platz 2 von ca. 600.000 treffern.

forumoeb ist (wie rabe auch) deep web,
die mails kommen also nicht via suchmaschinen.


last. falls christine auch ebooks liest?
project gutenberg, onleihe, books2look, ...


viele grüsse,
karl dietz




Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte Sie an Erlebnissen mit unserer örtlichen Bibliothek (Stadt mit
über 20.000 EW und hauptamtl. Bibl.-Personal) teilhaben lassen, die sich in
den vergangenen 2 Jahren in Varianten immer wieder ereignet hat. Die jüngste
Episode "lief" gestern und hat mich veranlasst, sie in verkürzter Form ins
bibl. Forum zu stellen:

Unsere Tochter Christine, (14 J.), die seit je her gerne liest, entwickelt
seit ihrem 10. Lebensjahr einen kaum stillbaren Bücherhunger und verschlingt
seitdem Romane in atemberaubendem Tempo und Menge. Mit ca. 11 J. entwickelte
sich ihr Interesse an einzelnen Romanen aus dem Erwachsenen-Bereich, nachdem
sie Harry Potter, Twilight u.a. mehrmals rauf- und runter gelesen hatte. Mit
12 las Sie begeistert "P.S., ich liebe dich!"  von C. Ahern und wollte aus
unserer örtlichen Bibliothek das zweite Buch der Autorin, "Für immer
villeicht" entleihen. Die Antwort an der Verbuchungstheke: "Das können wir
dir nicht mitgeben". Zunächst dachte sie, es gäbe eine generelle
Altersgrenze zur Nutzung der Medien aus dem Erwachsenen-Bereich, aber auch
die Benutzungsordnung lieferte keinen Hinweis auf eine solche Regel. Auf
Nachfragen unserer Tochter stellte sich heraus, dass man ihr das Buch nicht
geben wolle, weil "das noch nichts für sie sei", "dafür bist du noch zu
jung". Unsere Tochter wollte nicht, dass wir zu ihren Gunsten eingriffen
oder mit dem Bibliothekspersonal sprächen ("wie peinlich!"), sondern ließ
den Fall auf sich beruhen.
Im Alter von 12 J. und 8 Monaten (sie hat es festgehalten!) wollte sie
Tolkiens "Hobbit" entleihen. Systematik: "SL ,  5.2 Jugendbuch 13 - 16 J."
IK "Fantasy", Standort "Romanbereich Erdgeschoss". An der Verbuchungstheke
erfährt sie wieder die verbale Ausleihverweigerung. Glücklicherweise ist die
Leiterin gerade in der Nähe, Christine fragt "Wieso denn?" und die Leiterin
sagt (in etwa) zur verbuchenden Kollegin "Christine darf das ruhig mitnemen,
die liest so viel und ist so fit, das ist kein Problem - aber den "Herr der
Ringe" würden wir dir nicht mitgeben." Nun ist Christine nicht etwa
erleichtert sondern empört sich zu Hause darüber, dass die Ausleihe also
scheinbar von der "individuellen Lesekompetenz" abhängig sei, eine andere/r
Leser/in das Buch also nicht unbedingt bekommen hätte. Wir wollen als Eltern
wieder intervenieren, was uns unsere Tochter mit dem Hinweis "verbietet",
die Leiterin gehe ohnehin bald in den Ruhestand, und danach würde sich das
Problem vermutlich bald erledigen, denn sie wolle dann die neue Leitung
darauf ansprechen (sie ist guter Dinge, denn ihre Eltern, beide
Bibliothekare, bestätigen ihr, dass solche Vorfälle in deutschen ÖBs zu den
Ausnahmen gehören (sollten)).
Mit 14 J. - die alte Leiterin ist noch im Amt - versucht sie erfolglos ,
einen Roman von Stephen King zu entleihen. Unseren Ratschlag, das
"Verweigerungsspektrum" auszuloten, indem sie versuchen solle Henry Miller,
Bukowski, Remarque u.A (viel "Harmlosere") auszuleihen, lehnt sie dankend
ab. Uns Eltern fällt es schwer, NICHT vorstellig zu werden, aber
zähneknirschend wollen wir die Zeit abwarten, dass es in diesem Punkt mit
einer neuen Leitung besser wird.
Die neue Leitung ist seit Frühsommer diesen Jahres im Amt. Christine
versucht es erneut mit dem Roman von King - ohne Erfolg. Sie möchte den
Leiter sprechen, der aber leider nicht im Haus ist. Gestern, am 3.11., holt
sie dieses Gespräch nach. Christine gibt uns dieses Gespräch inhaltlich wie
folgt wider: Der neue Leiter habe ihr erklärt, dass Medien aus dem
Erwachsenen-Bereich "eigentlich" erst ab 16. J. zu entleihen wären. [Das ist
definitiv nicht der Fall, weil unsere älteste Tochter, Christines Schwester,
bereits mehrfach Erw.-Medien im Alter von 13 Jahren und aufwärts entliehen
hatte, für Referate, aber auch "privat", z.B. Zeitschriften aus dem Wohn-
und Modebereich, Kunstbücher). Auch die Benutzungsordnung enthält keinen
solchen Hinweis.] Zudem erklärt er ihr, dass die Bibliothek schließlich auch
eine Verantwortung dafür trage, was die Kinder/Heranwachsenden lesen würden.
Da sei es auch von Vorteil, dass mein keine Selbstverbucher habe und somit
noch individuell schauen und regeln könne, welches Kind was entleihen wolle
und dürfe.


Bevor meine Frau und ich nun weitere Schritte ergreifen (denn NUN lassen wir
uns nicht mehr von unserer Tochter aufhalten), möchte ich gerne Ihre Meinung
dazu hören: Wie beurteilen Sie den unten beschriebenen Fall? Sind Ihnen
ähnliche Ereignisse jüngeren Datums bekannt? Handhaben Sie bzw. Ihre
Bibliothek möglicherweise solche Fälle ähnlich? (Wer sich nicht traut, die
letzte Frage öffentlich zu bejahen, kann mir gerne direkt antworten und ich
verspreche Stillschweigen, es geht mir nicht um das Anprangern Einzelner,
sondern um ein Gesamtbild). Auch die Beurteilung durch die
bibliothekarischen Vereine/Verbände würde mich interessieren: Gibt es eine
einheitliche, bibliothekspolitische und -ethische Antwort darauf (was ich
sehr hoffe)?

An die WB-Kollegen: In etlichen WBs ist die Nutzung auch unter 18 J.
erlaubt, sind Ihnen Fälle bekannt, in denen solche NutzerInnen von der
Lektüre/Ausleihe bestimmter Medien ausgeschlossen sind (abgesehen von
indizierten Werken)?

Vielen Dank für alle Reaktionen und besten Gruß
Martin Spieler

PS: Meine Frau steuert gerne folgende Episode bei um zu verdeutlichen, dass
es sich - in seiner grundsätzlichen Art - nicht um einen Einzelfall zu
handeln braucht, auch wenn er weitaus weniger drastisch ist. An Ihrem
Arbeitsort, einer hauptamtlich geführten ÖB in einem Ort mit über 40.000
Ew., hatte man das Buch "Fifty Shades of Grey" mit einer Alterssperre von 18
J. versehen. Auf ihren Einwand hin und nachdem etliche 16-jährige Leserinnen
enttäuscht zurückgewiesen worden waren, hat das Buch seit vergangene Woche
eine "Altersfreigabe" (gesteuert über eine Mediengruppe) ab 12 Jahre.


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http://www.inetbib.de

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