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Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken? - Milchkühe und arme Hunde



Guten Tag Herr Jobmann, liebe Liste,
hier lohnt sich die Vereinsmitgliedschaft!: eine aus meiner Sicht 
geisteswissenschaftlich- informationswissenschaftlich fundierte OA!! 
Zeitschrift von Bibliothekaren, nämlich 
LIBREAS mit diesem Kommentar zum Thema
http://libreas.tumblr.com/post/104161256861/tom-becker-inetbib

Gruß
A. Kustos

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Peter 
Jobmann
Gesendet: Mittwoch, 3. Dezember 2014 16:18
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Keine Sonntagsöffnung mehr für Bibliotheken? - Milchkühe 
und arme Hunde

Liebe KollegInnen, sehr geehrter Herr Becker,

die nun eine Woche währende Diskussion hat mit dem Beitrag von Herrn Becker 
eine Dimension bekommen, die mich doch dazu bringt in diese etwas schräge 
Diskussion einzusteigen.

Selbst losgelöst von den Funktionen kann ich von einem Kommentar eines 
FH-Dozenten eine Sach- und Fachlichkeit erwarten, die seiner eigentlichen 
Funktion gerecht wird. Leider konnte ich in Ihrem Kommentar Herr Becker nichts 
vom vorgenannten erkennen. 

"Nur wer seine LeserInnen als KundInnen sieht" - hat bis heute keinen 
wissenschaftlichen Beleg für die Nutzbarkeit des KundInnenbegriffs im 
bibliothekarischen Raum erbracht. Mir ist wohl bereits aufgefallen, dass meine 
Fachwissenschaft es tunlichst vermeidet in die Diskussion um den 
KundInnenbegriff fern betriebswirtschaftlicher Nebelkerzenwerferei 
einzusteigen. Unbekannt war mir aber, dass man selbst auf der Ebene der 
FH-Profs. Texte verfasst, deren Inhalt sich auf Bausteine eines 
BWL-Bullshit-Worthülsengenerators beschränken. 
"Nur wer seine LeserInnen als KundInnen sieht, kann es als selbstverständlich  
ansehen, diesen unter bestimmten Rahmenbedingungen die Türen auch sonntags zu  
öffnen." - ehrlich? Das ist eine Nullaussage, quasi der einleitende Satz zum 
folgenden fachlichen Nichts. In diesem einen Satz manifestiert sich dabei 
trotzdem das ganze Missverständnis der Bibliothekswissenschaft, 
herrschaftliches Verhalten im Öffentlichen Dienst als durch den 
KundInnenbegriff aufgelöst oder überhaupt angegriffen zu betrachten. Im 
nächsten Satz aber folgt noch das Sahnehäubchen auf dem fachlichen 
Nichtigskeitsirrsinn: der Verweis auf den kommerzfreien Bildungsort. 

Wäre es nicht so traurig, ich hätte herzlich gelacht. 

Spätestens nachdem der dbv, in offensichtlich mit der ekz abgestimmten 
Pressemitteilungen, den "Kaufbutton" der ekz öffentlich verteidigt, dabei aber 
wissentlich den Punkt der Provisionen für die teilnehmenden Bibliotheken 
ausklammert, möchte ich aus bibliothekarischen Verbänden nie wieder ein Wort 
über Kommerzfreiheit hören, denn es ist schlicht geheuchelt.
Und noch ein Wort zum Bildungsort: einerseits ist es doch etwas fragwürdig, 
einen Ort an dem ich mich bilden kann direkt als Bildungsort zu bezeichnen, 
denn dann habe ich bspw. vor der Touristeninfo mit freiem WLAN bald viele 
Bildungsorte aka Bänke stehen, andererseits wird die Wahrnehmung Gerichte würde 
Bibliotheken auf eine Ebene mit kommerziellen Einrichtungen wie Videotheken 
stellen beklagt. Wenn wir in die Lobbybroschüren des dbv gucken, dann wissen 
wir doch warum die Gerichte uns auf diese Ebene stellen, nämlich weil wir 
selbst mit dieser Ebene argumentieren. Zudem versucht die 
Bibliothekswissenschaft, was man ja bereits mehrfach beobachten konnte, einen 
Begriff - hier nun den Bildungsbegriff - soweit zu banalisieren, dass man ihn 
möglichst geschickt mit weiterem fachlichen Nichtigkeiten, wenngleich 
wohlklingenden Nichtigkeiten, zu umgeben. Eine schöne Strategie, durchaus auch 
eine verständliche Strategie, aber eine die auf Dauer nicht verfängt. Zur 
Bildungseinrichtung ist es von der Medienverleihstation mit Animationsanteil 
doch ein weiter Weg. Ob dieser durch die Möglichkeit der Sonntagsöffnung 
befördert wird weiß ich nicht. Man kann darüber ja diskutieren, aber an dieser 
Diskussion besteht ja offensichtlich kein Interesse. Andernfalls kann ich den 
verzweifelten Versuch alle Bibliothekstypen in einer Diskussion, mit all ihren 
verschiedenen Zielen und Bedürfnissen, in eine Hülse zu pressen nicht 
nachvollziehen. Die Tatsache, dass die FreundInnen des KundInnenbegriffs dabei 
all ihre sonst hervorgehobenen Zielgruppen- und Bedürfniseinrichtungsaspekte 
vergessen ist möglicherweise auch selbsterklärend. 

Sonntagsöffnung ist ein gesellschaftliches Thema mit unendlich vielen und 
differenziert zu betrachtenden Aspekten. Es wäre doch nett wenn man diesem 
Thema in seiner Tiefe gerecht würde. 

Jetzt ein kleiner Schwenk zum BIB. Die dann nachgeschobene Pressemitteilung des 
BIB zur Sonntagsöffnung betont in ihrer Oberflächlichkeit dann leider auch noch 
mal die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema, spricht im Übrigen nicht 
für mich als BIB-Mitglied, aber das kenne ich ja schon vom "code of ethics" des 
dbv, bietet mir aber - oh Wunder moderner Kommunikationsformen - ein Forum zur 
Diskussion an - natürlich NACHDEM man öffentlich für alle MitgliederInnen 
Stellung bezogen hat - ein Treppenwitz der Verbandsgeschichte.

Womit ich bei der Verbandsgeschichte wäre: Rücktritte und Kündigungen scheinen 
im BIB ja aktuell auf der Tagesordnung zu stehen (hier wäre eine zeitnahe 
kleine Info für uns MitgliederInnen auch ganz nett, aber das nur am Rande). Ich 
kann mich in dieser Form nicht guten Gewissens öffentlich von meinem 
Berufsverband und explizit von seinem (Rest-)Vorstandsmitglied Tom Becker 
vertreten lassen. Dementsprechend ist das ja auch irgendwie nicht - mehr - mein 
Berufsverband. Die monatliche Zeitschrift für Bibliotheksprosa
(BuB) wird mir da nur am Rande fehlen, der fachliche Verlust ist da ja 
überschaubar. Unnötig zu erwähnen, dass ich selbiges bereits nach dem Beitrag 
bei forumoeb bezüglich der aktuellen Kampagne "Netzwerk Bibliothek" und der von 
Jochen Dudek aufgeworfenen Frage nach der Überbetonung unserer digitalen 
Leistungsfähigkeit sagte.

Wer es nötig hat sich seine KollegInnen, im Scherz oder nicht, erträglich zu 
trinken sollte vielleicht solche Texte vor dem Genuss des Kölsch verfassen und 
dann zukünftig glücklicherweise nicht mehr für mich als BIB-Mitglied sprechen.

Beste Grüße

Peter Jobmann

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