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[InetBib] AW - auch: UEber Stellenausschreibungen fuer X- Informatiker/in in der Wissenswirtschaft ...



Sehr geehrter Herr Schnalke,
Sehr geehrter Herr Maass,
Liebe Listenabonnentinnen und -abonnenten,

ich bin nun ein Medieninformatiker, der sich u.a. intensiver mit dem
IT-Hintergrund und den Informationssystemen der Bibliotheken und
Fachinformationsdienste beschaeftigt. Und wir bilden Studentinnen und
Studenten in Medieninformatik aus, versuchen auch, fuer
Bibliotheksinformatik zu begeistern (es geht!).  (Nebenbei bin ich seit acht
Jahren im Studiengang "Bibliotheks- und Informationswissenschaften" etwas
mit engagiert.)

Wichtig ist m.E. die Grundeinstellung der Personen, die man anspricht.
Medieninformatiker sind grundsaetzlich kommunikativ und spaeter
kundenorientiert, so ist ihr Interessensgegenstand (Medien!) und so werden
sie ausgebildet (Schnittstellenkompetenz!). Den Kontrast habe ich immer in
Lehrveranstaltungen, wo beide Fraktionen drinsitzen - klassische
Informatiker und Medieninformatiker. Da beschreiben Sie einige (!)
InformatikER ganz richtig. Aber - auch die koennen noch beeinflusst /
beeindruckt werden, sie sind durchaus sozial aufmerksam in der Mehrheit. Und
sie bekommen sonst "Bescheid" von den KommilitonInnen.

HTWK Leipzig: Um fuer eine Studienrichtung (bei uns so, nicht: Studiengang)
zu werben, muessen Sie im Vorfeld die mit der richtigen Motivation werben
oder die Anwesenden dann begeistern. Es wird nur fuer Studiengaenge
immatrikuliert. Im ersten Fachsemester habe ich fuer zweiteres unter anderem
Stellenanzeigen der Bibliotheken und Fachinformationsdienste an die
Studentinnen und Studenten Medieninformatik-Bachelor (1. Fachsemester!)
gepostet. Die Reaktion nach einem Monat (!) von Seiten der Aktiven im
Immatrikulationsjahrgang war verblueffend: (i) Ich soll bitte intensiv
weiterwerben, das sei ein sehr vielfaeltiges und spannendes Arbeitsfeld fuer
(Medien-)Informatiker, (ii) sie selbst studieren MEDIENinformatik, sie
werden die Spezialisierung nicht annehmen (zumindest in der uebergrossen
Mehrheit). - Das kann sich aber noch aendern ...

Insofern denke ich, dass die Anzahl der seltsamen (im sozialen Sinne)
Kolleginnen und Kollegen X-InformatikerInnen stark beschraenkt ist. 

Bezahlung: Im Osten (ausser Berlin, Ballungszentrumszuschlag) ist das
Einstiegsgehalt fuer X-InformatikerInnen bei etwa 2500 Euro im Monat. Die
Interessensgemeinschaft der IT-Betriebe "IT-Mitteldeutschland" liess ihren
Sprecher in der Zeitung schreiben, sie sei mit dem Lohnniveau in
Mitteldeutschland unzufrieden. (Warum steigern die nicht einfach die
Gehaelter? - Aha.) Man kann relativ schnell im Beruf auf 3000 Euro / Monat
kommen, dann kommt das "glaeserne Dach", oder die Migration (z.B. zu Ihnen
in die Gegend ;-) ). 
Verglichen mit E-Stufen: Normal ist Bezahlung mit etwa E11-E12,
akkreditierte MasterabsolventInnen bekommen im oeffentlichen Dienst E13, in
der Wirtschaft sehr selten so viel. Der Unterschied zwischen Bachelor- und
Mastergrad soll statistisch bundesweit im Gehalt nur 4 Prozent sein - es
kommt also auf das Koennen bzw. Potenzial bei X-InformatikerInnen  an! Und
deshalb die praezisen Fachanforderungen in der Anzeige ...
Befristungen: Befristung auf zwei Jahre ist hier in Mitteldeutschland fuer
den Arbeitgeber von X-InformatikerInnen sehr riskant, es ist jedoch im
Berufsfeld eine vernuenftige Erprobungszeit, fuer beide Seiten.
Ansonsten - unsere AbsolventInnen wollen in grosser Mehrheit in Leipzig und
Umgebung bleiben, da zaehlen Lebensqualitaet und Arbeitsklima offenbar mehr
als Gehaltshoehen. So unsere Erfahrungen.

Insofern - die Angebote der Bibliotheken und Informationsdienste sind
durchaus lukrativ fuer AbsolventInnen der X-Informatik. Die Spezialisierung
bietet auch individuelle Sicherheit des Arbeitsplatzes, zumindest fuer die
naechsten 10 Jahre.

Soweit meine Einsichten in die angesprochenen Problematiken. Nichts fuer
ungut, falls Sie sich falsch adressiert fuehlen. Mir geht es um die
Realitaeten, nicht um Ihre persoenlichen Lebenserfahrungen und Ansichten.
Ich lerne gern neue Realitaeten und Welten kennen, danke fuer Ihre
Einsichten.
Und ich gehe auch nicht fuer eine Million aus Leipzig weg. No way.

Schoenes Wochenende
Mit freundlichen Gruessen
Michael Frank.

P.S.: Ein leitendes Mitglied der DMV sagte einmal: "Mathematiker sind zu
nichts zu gebrauchen, aber vielseitig zu verwenden." Koennte auch auf
X-InformatikerInnen zutreffen ...
---------------------------------------------

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von
Philipp Maass-HKT Nuertingen-Bibliothek
Gesendet: Freitag, 24. April 2015 10:42
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Stellenausschreibung Universitätsbibliothek
Heidelberg - Informatiker/in


Lieber Herr Schnalke,

danke für Ihren Interessanten Kommentar. Er lässt sich nahtlos auf andere
Bereiche im Bibliothekswesen übertragen. Ich frage mich auch oft warum das
so formuliert wird. Ergänzen könnte man zu ihren Ausführungen noch dass die
Stelle auf 2 Jahre befristet ist. zwar wird die Entfristung nicht
ausgeschlossen, aber eben nur nicht ausgeschlossen. 
Ein Restrisiko bleibt nach zwei Jahren vor dem Nichts zu stehen. No Way.
Aus meiner Sicht sind manche Stellenausschreibungen letztendlich auch nur
eine Selbstlegitimierung und Möglichkeit der Abgrenzung für einzelne
Abteilungen um zu betonen, welch unersetzliche Leistung dort erbracht wird.

Aus meiner Sicht zur IT in Bibliotheken: Gäbe es im Bibliothekswesen mehr
Open-Source-Produkte im Einsatz, könnte man auch einfacher externe
Dienstleistungen einkaufen/zentralisieren und IT-Abteilungen und
Fachreferenten entlasten. Die könnten sich dann wichtigeren Dingen widmen.
Why??? Ich weiß es nicht....*:'( *

Just my 2 Cents,

Philipp Maass



Am 24.04.2015 um 09:55 schrieb markus schnalke:
[2015-04-23 17:04] Sabine Antz <Antz@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
gerne möchte ich Sie auf das folgende Stellenangebot aufmerksam machen:

Die Universitätsbibliothek Heidelberg sucht zum nächstmöglichen 
Zeitpunkt eine/n

Informatikerin/Informatiker (Kennz.: 3/15)

Nähere Informationen zur Stellenausschreibung finden Sie direkt
unter:http://adb.zuv.uni-heidelberg.de:8888/info/INFO_FDB$.startup?MO
DUL=LS&M1=1&M2=0&M3=0&PRO=17761
Aus der Stellenausschreibung:

Erwartet werden:

- ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Informatik oder eine
   vergleichbare Qualifikation,
- Vertrautheit mit Beschreibungssprachen und Metadatenstandards in
   XML (TEI, OAI-PMH) sowie damit verbundenen Techniken, wie XSLT
   und Xquery,
- fundierte Kenntnisse von aktuellen Webtechnologien und Erfahrung
   mit Webentwicklung,
- versierter Umgang mit relationalen Datenbanken, XML-Datenbanken
   und Suchmaschinentechnologie,
- fundierte Kenntnisse in den Programmiersprache Java, Python und 
PHP,
- ausgeprägte Teamfähigkeit und einschlägige Erfahrungen in der
   Projektarbeit,
- sehr gute Englischkenntnisse

Das sind die *Erwartungen*, nicht die Wuensche, sondern die 
Erwartungen. Ich glaube, hier hat man den Begriff verwechselt, denn 
solche Erwartungen sind in keiner Weise realistisch. Sie sind sogar in 
doppelter Sicht unrealistisch.

Zum einen gibt es Personen die diese Erwartungen erfuellen so gut wie 
gar nicht. Wer bitte hat schon fundierte Kenntnisse in gleich drei 
umfassenden Programmiersprachen? Und ist dazu auch noch versiert in 
zwei Arten von Datenbanken *und* auch noch bei der 
Suchmaschinentechnologie? Nebenbei natuerlich auch noch mit speziellen 
Metadatenstandards vertraut. ... und nicht zuletzt -- falls es also 
tatsaechlich jemanden gaebe, der diese umfassenden und tiefgreifenden 
Kenntnisse haette -- dann soll er auch Teamfaehig sein (also kein 
Freak)! Das ist sowas von unrealistisch! Das ist das reinste 
Wunschbild eines Bewerbers.

Nehmen wir aber an, es gaebe Personen die das alles (zumindest
weitestgehend) bieten koennen ... wer von denen wuerde im 
Bibliothekswesen arbeiten, fuer TV-L 13? In der freien Wirtschaft kann 
man mit derartigen Kenntnissen doppelt soviel verdienen.
Aber das ist gar nicht mal das Wichtigste. Welcher faehige 
Informatiker (der es sich aussuchen kann) wuerde sich gegen (wirklich, 
nicht nur schein-)innovative Projekte, gegen Umfelder die ihn 
verstehen, gegen coole Programmierschuppen, gegen Google-Fridays und 
dergleichen entscheiden ... und das Bibliothekswesen waehlen? (Ihr 
habt ja keine Ahnung wie mich andere Informatiker angeschaut haben, 
wenn ich denen erzaehlt habe, dass ich eine Bibliotheksreferendariat 
mache! Als faehiger Informatiker in der Bibliothek zu arbeiten ist in 
der Wahrnehmung so ziemlich das Unterste was man sich denken kann -- 
ob zurecht oder nicht, ist egal, so ist die Wahrnehmung.)

Also, wer sollte sich also auf so eine Stellenausschreibung bewerben? 
(Ich wuerde es mich schon gar nicht trauen, weil ich mich hoffnungslos 
ungeeignet empfinden wuerde (und das geht sicher vielen Informatikern 
so, da diese tendenziell eher schuechterne Nerds und weniger die 
grossen Selbstmarketingexperten
sind).) Mir faellt nur eine Gruppe ein, die fuer diese 
Stellenausschreibung passen wuerde: Die momentan fuehrenden Personen 
in der Bibliotheks-IT! Aber wuerden sich Leiter oder wichtigste 
Mitarbeiter von IT-Abteilungen von innovativen Bibliotheken bewerben? 
Nein.


Fazit: Diese Stellenausschreibung ist nur ein Beispiel fuer eine Mode, 
die das Unverstehen und die absurde Einschaetzung der Lage der 
Bibliotheken zeigt, und letztlich mehr schadet als hilft.

Ganz ehrlich: So wird das nie was mit Informatikern in den 
Bibliotheken!


markus


P.S.
Es tut mir leid, dass mein Kommentar gerade diese Ausschreibung zu 
treffen scheint. Er hat vielmehr die ganze Reihe gleichartiger 
Auschreibungen zum Ziel.



--
Philipp Maass B.A.
Hochschule für Kunsttherapie Nürtingen
Staatlich anerkannte Fachhochschule der Stiftung für Kunst und Kunsttherapie
Nürtingen University of Applied Sciences
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