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[InetBib] Fwd: Re: Fwd: Re: Print-Buecher in den USA im Plus






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Betreff:        Re: [InetBib] Fwd: Re: Print-Buecher in den USA im Plus
Datum:  Tue, 19 Jan 2016 11:42:18 +0100
Von:    Klaus Zehnder <klz@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Organisation:   TU Chemnitz, Germany
An:     h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>



Am 15.01.2016 um 17:32 schrieb h0228kdm:

Am 2016-01-15 16:05, schrieb Klaus Zehnder:
Liebe Liste von inetbib,

vielleicht möchte jemand von Ihnen vor dem Wochenende noch etwas
über Prof. Walther Umstätters Thema lesen, ich füge Ihnen meine
Antwort bei.
Bitte aber um Verständnis, dass ich wegen des sehr schnellen
Schreibens einige
grammatische Fehler begangen habe und ein Lektor wohl seine Nase
rümpfen würde.
So mag jener fiktive Lektor lächeln: denn mein Text hätte ihn
personell benötigt! Er
wäre dann noch besser geworden!

Viele Grüsse
K. Zehnder


Sehr geehrter Herr Zehnder,

ich hatte an keiner Stelle meinen persönlichen Pessimismus
ausgedrückt, und es war auch nicht mein Thema. Im Gegenteil, ich frage
mich, wie wir heutige Studierende der Bibliothekswissenschaft für die
absehbare Zukunft fit machen können, und beobachte die Gefahr von
Fehlentwicklungen.

Ich hatte dazu lediglich darauf hingewiesen, dass sich seit
Jahrzehnten, und das mit Recht, viele Bibliothekare und Information
Professionals fragen, wie sich das Bibliothekswesen weiter entwickeln
wird. Diese Hoffnungen gehen sehr weit auseinander, wobei Ihre
Perspektiven ja auch recht vielfältig sind ;-) Dazu gibt es auch
durchaus berechtigte Stimmen, die einen weitgehenden Untergang des
klassischen Bibliothekswesens vorhersehen. Zumal man die Konkurrenz zu
den Archivaren, den Journalisten, Verlegern u. a. sehen muss. Ihren
Worten: „die Arbeitsplatzangst ist schon latent vielfach vorhanden“
entnehme ich, dass wir hier weitgehend übereinstimmen.

Soweit ich es beobachte, gibt es auch in Bibliotheken immer mehr
befristete, und in ÖBs unbezahlte Stellen, und dass Google, ekz und
andere Einrichtungen immer öfter bibliothekarische Funktionen
privatwirtschaftlich anbieten, ist Ihnen sicher auch nicht entgangen.
Dass Herr Delin sogar davon spricht, dass die ZLB auf diesem Wege
„geschlachtet“ wird, zeigt, wo der wirkliche Pessimismus um sich greift.

Als wir vor vierzig Jahren anfingen Online Recherchen für
Bibliotheksbenutzer durchzuführen, und dafür recht Zeitaufwendige
Lehrgänge über Thesauri, Retrievalsprachen und Kostenabrechnungen
brauchten, konnten wir uns noch nicht vorstellen, dass nach zwei
Jahrzehnten ein System wie Google kostenlos und allgemein akzeptiert
uns Informationsvermittler weitgehend überflüssig machen wird.

Die heute auszubildenden Information Professionals und Bibliothekare
brauchen dringend eine Perspektive, und Lehrbücher zu denen Konsens
darüber besteht, was die Absolventen können müssen, und wozu sie auf
dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Die Preußischen Instruktionen sind
es bekanntlich nicht mehr ;-)

Ihr Vorschlag, dass Bibliothekare gebraucht werden um Verträge zu
verhandeln klingt zur Zeit zwar recht vernünftig, wird aber einerseits
immer stärker an die Konsortien abgegeben und andererseits mit
Sicherheit automatisiert.

Siehe dazu auch Lehrbuch des Bibliotheksmanagements S. 192/193 (2011):
"Was die Frage von DC (Dublin Core) und MODS (Metadata Object
Description Schema) angeht, so sei nur daran erinnert, dass MARCXML
mit FRBR-Strukturierung (Functional Requirements for Bibliographic
Records), MADS (Metadata Authority Description Schema), und METS
(Metadata Encoding and Retrieval Standard) arbeitet.

Dies dient in erster Linie dazu, Eigentums- und Besitzverhältnisse an
Werken (insbesondere bei Musik bzw. Multimediaangeboten) mehr oder
minder automatisch durch SRU (Search/Retrieve via URL) im
accessibility framework zu klären. Das ist in einem modernen
Verlagsrecht eine entscheidende Aufgabe der Bibliotheken."
Sobald aber die Verlage, im Fortgang der Privatisierung, den
Bibliotheken auch diese Aufgabe weg nehmen dürfen, brauchen wir auch
hier neue Ziele.

MfG
Walther Umstätter



-------- Weitergeleitete Nachricht --------
Betreff:     Re: [InetBib] Print-Buecher in den USA im Plus
Datum:     Fri, 15 Jan 2016 15:50:43 +0100
Von:     Klaus Zehnder <klz@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Organisation:     TU Chemnitz, Germany
An:     h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>



Am 15.01.2016 um 14:36 schrieb h0228kdm:
Sehr geehrter Herr Kronenberg,

warum der Verkauf von „2,8 Prozent mehr Printbücher (Stückzahl)“ in
den USA eine „Trendumkehr“ sein soll erschließt sich mir nicht.
Zumindest müsste dann der Bedarf an elektronischen Publikationen
prozentual geringer sein. Ich sehe nur einen seit Jahrzehnten
anhaltenden Trend in der allgemeinen Digitalisierung und im
Publikationsbereich. Es ist aber sicher richtig, dass die Printmedien
nicht von heute auf morgen aussterben werden und insofern eine
„Koexistenz beider Formate“ bestehen bleibt.

Das Dilemma liegt aber an anderer Stelle. Die gedruckten Bücher der
Bibliotheken werden immer weniger gebraucht, und die eBooks bleiben
Eigentum der Verlage und dürfen je nach Vertragsbindung nur begrenzt
genutzt werden. Das entspricht einer juristischen Enteignung der
Bibliotheken. Damit hat das gedruckte Buch in Bibliotheken noch immer
eine Chance, und etliche Bibliothekare hoffen, dass dies noch eien
Zeit lang ihre Existenz sichert.

Die Bibliotheken suchen seit Jahrzehnten mit Recht nach einer neuen
Existenzgrundlage aber ohne Grundkonsenz zwischen Förderer der
Informationskompetenz, Anbieter von 3D-Druckern, MakerSpace, Learning
Alchemist, Lesecafe, Artothek, Ludothek, Seniorenbetreuung,
Leseförderung etc. Die Hoffnung auf das große Revival des gedruckten
Buches, dürfte aber die geringste Chance auf Zukunftssicherung dieses
Berufsstandes haben. Wie hieß es bei W. Goedert, „Der Letzte macht das
Licht aus.“

MfG
Walther Umstätter


Am 2016-01-15 12:32, schrieb Axel Kronenberg:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf „boersenblatt.net“ erschien letzte Woche eine bemerkenswerte
Meldung zum Thema Printbuechermarkt in den USA. Auch die Sueddeutsche
Zeitung griff diese Meldung in ihrem Feuilleton auf (Ausgabe vom 7.
Januar 2016). Hier der Link:

http://www.boersenblatt.net/artikel-jahresbilanz_2015_des_us-buchhandels.1075153.html



Erstaunlicherweise steigt der Meldung zufolge der Absatz von
Printbuechern auf dem US-amerikanischen Markt bereits im zweiten Jahr
in Folge.  Dabei legten gerade die Sachbuecher in 2015 beachtliche 6,6
Prozent zu!

In Deutschland orientiert man sich ja gerne am vermeintlich
progressiveren Marktgeschehen in den USA und hat schnell Sorge um den
„abgefahrenen Zug“, wenn man einen dortigen neuen Trend nicht selber
schnell umsetzt.
Aber zumindest im Bereich des Print-Buchs scheint ein verbreitetes,
subjektives (europaeisches) Empfinden jetzt mehr und mehr durch die
obengenannte  Trendumkehr auf dem amerikanischen Buchmarkt bestaetigt
zu werden: Das Print-Buch wird keinesfalls vom E-Book verdraengt.

Dies bestaetigen auch meine Erfahrungen im bibliothekarischen Alltag:
Selbst wenn das E-Book objektiv sehr viel mehr Vorteile als die
Print-Version bietet, steht eine Tatsache schlichtweg gegen eine
zukuenftige, vollkommene Umstellung auf das E-Book: Die Benutzer
moechten dies nicht!

Es zeigt sich stattdessen zunehmend, dass es statt eines
Verdraengungswettbewerbs eher eine Koexistenz beider Formate, auch in
weiterer Zukunft,  geben wird.
Somit heisst dies auch fuer die Bibliotheken, dass moderne
Erwerbungspolitik nicht der Verzicht auf Print-Versionen, sondern in
den meisten Faellen die Bereitstellung von E-Book UND Printversion
ist. Ziel einer NACHFRAGEORIENTIERTEN Erwerbungspolitik kann also nur
sein, dass dies in Zukunft der Standard wird.

Mit besten Gruessen,
A. Kronenberg

Dipl.-Kfm. (Univ.) Axel Kronenberg, BibObRat
Universitätsbibliothek Regensburg
Universitätsstr. 31
93053 Regensburg

Sehr geehrter Herr Professor Umstätter,

das sehe ich nicht so pessimistisch, dass der letzte dann sein (nein,
Verzeihung, Sie sprachen von "das" ) Licht ausblasen müßte.

Denn Bibliothekare braucht man nicht nur als Lastesel, um schwere Bücher
zur Kundentheke zu schleppen.
Das Informations- und Datenmanagement ist da schon weiter, ohne dass
Roboter und Automatische Software von irgendeinem
Softwarezentrum der TIB Hannover oder der UB Kiel oder der KIT
inzwischen die Bibliotheksarbeit vollständig übernommen hätten.

Sie wissen das ja alles, aber ich nehme gerne darauf Bezug.

Schließlich muss man die ebook und e-Zeitschriften lizenzieren und
wieder lizenzieren und wieder, man muss Verträge verhandeln und man muss
Daten erschließen. Jede Bibliothek muss entscheiden, was sie an den
weltweit präsentierten Medien haben will. Wie sollte dies eine
zentralisierte Software entscheiden, oder ein bundesweiter
Bibliotheksgeneralfeldmarschall etwa?
Forschungsdatenmanagement ist ein schönes neues arbeitswirksames Thema,
womit man erst angefangen hat, sich zu befassen. Und wissenschaftl.
Publikationen der Lehre und dem Lernen zugänglich machen, harrt auch
noch des Vollzuges.
Auch der § 38 Abs. 4 UrhG verlangt nach einer tiefergreifenden
Ausschöpfung seiner gesetzlichen Möglichkeiten als bisher geschehen.
Es gibt noch viele Baustellen, nützliche Möglichkeiten, in den
"wissenschaftlichen Infrastruktureinrichtungen" in die Zukunft zu
investieren und ob die Lichter dereinst mal ausgehen werden, ohne dass
es an fehlendem Strom liegt (vor 4 Jahrzehnten sagte man, der Strom gehe
irgendwann mal aus, heute fragt sich das niemand mehr, denn Strom ist
einfach immer da), das gilt für home science 2.0 (was macht man zuhause
denn noch, wenn alles die Chips machen?!), industrie 4.0 (könnten
Roboter und automatisierte Lernsoftware auch ein Lerntool für die
Verfälschung von Abgaswerten machen - ohne menschliche Hilfe?) und für
die ganzen Web-Dienste, welche nicht nur automatisiert werden können.
Bundeswehr 8.0? Drohnen, Selbstfahrrobotersoldaten, Star Wars light mit
schöneren Wesen als in diesem amerikanischen Film, in welchem alles
Leben ein Kampf ist, wieder und wieder, diese Denkweise gab es doch
schon mal, warten Sie mal: wann genau?, jeder Deutsche weiss dass ganz
gut,  etc: für die Wartung, Beschaffung, Verkauf und Verschrottung des
Kriegsmaterials benötigt man auch sicherlich in Zukunft viel Personal.
Die Logistik und der Service hat schon immer sehr vielen Menschen Brot
und Arbeit gegeben.
Genauso ist es auch in Bibliotheken. Die Altbestände müssen weiter
gepflegt werden. Bibliotheken sind auch Stätten des Kulturerbes. Und
Bibliotheks-Entscheidungen lassen sich nicht vollständig an die
Kundschaft auslagern, obgleich so mancher dies gerne hätte? Sollen doch
die Kunden selbst entscheiden, was sie wollen, wir kaufen es dann! Wir
müssen es dennoch noch organisieren, müssen recherchieren, wo denn die
fehlende Büchersendung hingegangen ist, wo die pdf-Datei im Internet
steckt, und weshalb die Zentrale Software fristgerecht geliefert hat,
sondern von einem gleichnamigen Autoren die falsche pdf-Datei. Etc. Wir
müssen als Bibliothekare weiterhin kontrollieren, verwalten, lehren,
Gebühren notfalls einziehen oder zahlen. Die Studenten wollen erfahren,
wie sie Informationen finden und überhaupt: immer mehr Informationen
müssen immer aufwendiger verwaltet werden: selbst eine bundesweite Cloud
funktioniert insoweit nicht nur automatisch.

Die regionalen Unterschiede sind doch noch sehr ausgeprägt, dass man
nicht alle Bibliotheken nur an einen Cloud-Schlauch einstöpseln könnte,
wie beim Kühemelken.
Trotzdem hilft auf dem Bauernhof der Melkapparat schon weiter. Und so
hilft moderne Technologie auch Bibliotheken weiter. Alles wird
schneller, aber nicht weniger, die Aufgaben verlagern sich, aber werden
nicht viel weniger. Eine zentrale digitale Bibliothek, die ganz
Deutschland mit allen Universitäten und anderen Hochschulen digital und
online beliefert, wird es nie in dieser Weise geben, allein schon wegen
der Bildungs- und Kulturhoheit der Bundesländer, die ihre Bürger nicht
nur nach zentralen automatisch per Software ausgewählten Lernmodulen und
Wissenseinheiten bilden und ausbilden wollen.

Fachleute und Entscheider sind weiterhin gefragt, nehme ich mal an.
Und nicht nur solche, die zentral in Berlin, München, Hamburg und sagen
wir mal Köln sitzen, oder Göttingen und Hannover.
Eine Bibliothek ist auch - und nun kommen wir zu Büchereien, eine
kommunale lokale richtig gehend individuelle Angelegenheit, nicht nur
eine zentrale Gesamtwissensbesorgungs- und Belieferungs-Station über
Smartphones wie Wikipedia etwa.

Und notfalls, wenn es ganz dicke kommt, zieht man halt den weissn
Techniker-Mantel an, bindet sich einen Mundschutz um, läßt sich zum
Medieninformatiker weiter bilden, und stöpselt Datenleitungen ein und
aus und ein und aus und ein. Und guckt, dass immer genug Strom da ist.
Und dass es zu keinen Überschwemmungen kommt oder zu Datendiebstahl oder
zu Datenlöschungen oder zu terroristischen Übergriffen, oder dazu, dass
die Kaffeemaschine nicht mehr läuft.
Auch gibt es Studierenden, die sich nicht nur von einem elearning-Modul
belehren lassen wollen, wie man Informationen sucht und findet, sondern
die sich gerne von richtigen lebenden und atmenden Menschen, die einen
dabei ansehen, sagen lassen wollen. Das Menschsein ist noch nicht
vollständig unmodern oder unbrauchbar geworden. Menschen sind vor allem
für die Lernintensität, und für die Erinnerungsintensität, und für die
MOTIVATION wichtig. Kein Computer und keine Software kriegt so leicht
den Wissenschaftler vom Stuhl wie es ein Projektverantwortlicher Mensch
es life tun kann.

In der Welt von Menschen werden Menschen immer nützlich sein. Und die
Menschen, die anders denken, werden auch irgendwann einmal in Rente
gehen und es werden neue Menschen kommen, die so denken.

Aber zugeben muss man: die Arbeitsplatzangst ist schon latent vielfach
vorhanden, sie schleicht irgendwo immer herum. Auch diese Hektik und der
Zwang, ständig neue Aufgabenfelder für Bibliotheken erschließen zu
müssen, zeigt als Indiz auch zugleich, wie ernst die Angst, den
Arbeitsplatz zu verlieren, und Bibliotheken als Hort der Kultur und der
Moderne zu behalten, schon geworden ist.

Also in Chemnitz wird gerade eine neue Universitätsbibliothek
hergerichtet, und das zeigt, dass "no surrender" angesagt ist. Und wenn
darin nur Wandbildschirme sein sollten mit Touchscreen, so findet sich
darin - käme es so - viel viel Raum, der einen Kultur- und
Wissensatmosphäre atmen läßt und nicht nur den Duft muffiger alter
Bücher, und der einlädt neue Innovationen zu schaffen und Ideen zu
kriegen und Wissen zu lernen.

Selbst wenn daraus ein Flüchtlingsheim würde, so wollten diese doch auch
was lesen, lernen und sich qualifizieren. Und sie benötigen einen Ort
dafür. Oder wer hat schon erlebt, dass man zuhause, wenn der Kühlschrank
fragt, ob er Brasilianischen Kaffe kaufen darf, weil er doch besser
schmeckt, obgleich der kenianische Kaffe gerade billiger ist, und die
Lampe fragt, ob sie nicht eine neue Lampe erhalten könnte, etwa eine aus
Italien, sie hätte sich eine besonders passende gerade ausgesucht, wer
hätte da nicht den Bedarf, sich eine große ruhige nicht ganz
menschenleere Halle zu suchen, wo er in Ruhe seinen Studien und seinen
Schreibarbeiten nach gehen kann? Und wo er etwa kostenlos sich aufhalten
kann? Und wo nicht geraucht wird? Und wo man Leute findet, die dasselbe
Rechercheprojekt interessant finden?

Ich hoffe, dass Sie jetzt die Zukunft des Bibliothekswesens doch wieder
etwas positiver sehen.


Und verbleibe mit vielen Grüssen


Klaus Zehnder

09111 Chemnitz

Sehr geehrter Herr Professor Umstätter,

vielen Dank für Ihre faktenreiche Antwortmail. Sie sprechen eine
Zukunftsgefahr an, weil Privatverlage den Bibliotheken Aufgaben wegnehmen.

Ich sehe eher die wissenschaftlichen Verlage langfristig in Not,

nicht nur wegen der dort stattfindenden Konzentration, was irgendwann
aus wettbewerblichen Gründen meines Erachtens eine binnenpluralistische
"demokratische" Struktur der entsprechenden Verlage verlangt oder einen
gesetzlich geregelten Zugang zu Verlagsangeboten und Verlagsleistungen,
wobei diese Regelungen international möglicherweise auch durch Verträge
zustande kommen könnte,

sondern vor allem wegen der Open Access-Bewegung und dem Aufkommen von
Eigenverlagen der wissenschaftlichen Bibliotheken, welche sicherlich bei
dem angestrebten Erfolg eine langfristige Konkurrenz für die etablierten
wissenschaftlich publizierenden Verlage sein werden. Die
Max-Planck-Gesellschaft will bekanntermaßen möglichst sämtliche
wissenschaftliche Publikationen in die open access- Wege leiten, was
bedeutet, dass die kommerziellen privaten Verlage wissenschaftliches
Publizieren irgendwann "abschreiben" können.

Wenn es also zwischen den Privatverlagen und den wissenschaftlichen
Bibliotheken eine Konkurrenz gibt, dann braucht man nicht sehr
pessimistisch zu sein als Bibliothekar. Entscheidend sind hier natürlich
nicht nur die Kräfte des freien Marktes, sondern auch die
Positionierungen der öffentlichen Hand.  Open Access geht bisher nur,
wenn öffentliches Geld dafür fließt. Und die Publikationsmodelle sind
bisher nicht kommerziell, was aber auch meines Erachtens durchaus noch
für manche Publikationsbereiche irgendwann kommen könnte.

Es geht um Marktanteile, denn je größer die Marktanteile sind, umso mehr
sind Wissenschaftler geneigt, ihre Publikationen entsprechend zu
investieren, denn bei wissenschaftlichen Publikationen handelt es sich
um eine Investition in mannigfacher Hinsicht. Nicht zuletzt was das
Renommee eines Wissenschaftlers angeht. Je größer der
Verbreitungsbereich seiner Publikationen, und umso bedeutsamer zugleich
das Publikationsorgan im wissenschaftlichen Diskurs, umso bedeutender
sein bibliometrisch meßbarer beruflicher Erfolg.

Ich wollte dies nur mal in die Waagschale werfen, wenn man Privatverlage
am "Gewinnen" und Bibliotheken "auf dem Rückzug" sieht. Je breiter
angelegt die open access- Bewegung ist, umso zukunftsfähiger ist dieser
"Markt" für Bibliotheken. Denn open access-Publikationen laufen über die
Bibliotheken.

Jedoch kann einem schon einmal "Fracksaußen" passieren, als
Bibliothekar, wenn bei manchen internationalen im Wissenschaftsbereich
tätigen Verlagen gestandene ehemalige renommierte Generale und
Verteidigungsminister die Chefs der Anteilseigner sind. Sie wissen
sicher, welche Firma ich dabei meine ;-).


Viele Grüsse

Klaus Zehnder

--
09111 Chemnitz




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