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Re: [InetBib] PokemonGo-freie Zone in Nordenham



Guten Tag,

darf ich in Erinnerung rufen: Sie berufen sich dezidiert auf die Definition
des 3. Ortes - und müssen sich dann an den Kriterien für den messen lassen.
Und das mit dem Shitstorm könnte man regeln, wenn man fundiert auf Kritiken
bei Facebook antwortet - aber waren Sie sich nicht im Klaren darüber, dass
das kontrovers werden wird? Wie dem auch sei...

Stadtbücherei Nordenham <nordenhamerbuecherei@xxxxxxxxx> schrieb am Di.,
19. Juli 2016 um 13:03 Uhr:

Meine Anfrage umfasst zwei Punkte:

   1. Ist es in Ordnung, wenn sich Bibliotheken UNKRITISCH zum Werkzeug der
   Marketingkampagne eines Konzer machen, wobei das Produkt Kostenfallen
   enthält und eine merkwürdige "Sponsoring"-Tour fährt?


Nun, dies ist eine Frage die gestellt werden kann und muss. Jedoch das Wort
"Kostenfallen" bei PokemonGo - haben Sie sich das Spiel mal angesehen? -
ist ein wenig hochgegriffen. Wie so viele andere Spiele in dem Bereich ist
es erstmal kostenlos zu spielen - die Frage nach der Nutzung von Daten
stellen Sie gar nicht, das wäre zum Beispiel aber eine, an der sich eine
kritische Diskussion entzünden könnte. Schade. Es gibt die Möglichkeit
gegen Geld Gegenwerte zu erwerben. Das kennt man aus WOW und anderen
Modellen.
Natürlich kann man überlegen, ob es fair ist wenn jemand eine Menge Geld in
das Spiel steckt und damit die Arenen einfacher besetzten kann. Man kann
auch gerne den ganzen kompletten Ansatz von Spielen kritisieren, die auf
diese Art und Weise funktionieren.
Eine Falle aber wäre es, wenn man ungewollt Geld für etwas ausgibt. Das
nennt man auch Verbrauchertäuschung und das kann man ahnden. Das ist bei
PokemonGo nun nicht so - es ist ganz klar: Dafür zahle ich Geld, das
erhalte ich als Gegenwert.

Nun war es auch bei Ingress - dem Vorläufer, selbe Firma - schon so, dass
Sponsoring-Spots im Spiel gebucht werden konnten. Das wird auch definitiv
kommen und auch das kann man kritisieren - und man kann das verdeutlichen,
in dem man sich mit dem Spiel auseinandersetzt, die Jugendlichen Spieler
bewußt auch anspricht und sich mit ihnen kreativ auf Augenhöhe begibt.

Das aber - und dazu haben Sie immer noch nichts gesagt - ist nur möglich,
wenn die Bibliothek den Spielern den Zugang erlaubt. Wie Sie kritisches
Bewusstsein schaffen möchten, wenn Sie signalisieren, dass die Zielgruppe -
der Sie ja offenbar eine bestimmte kritische Haltung beibringen wollen -
konsequent erstmal den Zugang bzw. die Nutzung nicht bei ihnen machen darf;
das geht meiner Ansicht nach nicht zusammen.



   2. Ist es in Ordnung, dass hier eine Firma UNGEFRAGT und UNAUTHORISIERT
   einen öffentlichen, sicheren Raum - unsere Bibliotheken - zum virtuellen
   Spielfeld erklärt?


Das ist durchaus diskussionswürdig.
Wie bei jeder neuen Technologie und neuen Entwicklung müssen wir vernünftig
abwägen, was nützlich daran ist und welche Fehler man möglichst nicht
machen sollte. Auf PokemonGo-Spieler draufzuhauen, weil sie dem
kommerziellem Gedankengut verfallen sind bringt aber weder Sie noch die
Diskussion wirklich weiter.
Im Gegenteil: Die obige Frage greift ja noch weiter aus: Firmen sind schon
in der Bibliothek vorhanden! Sie haben ihre Produkte durchaus schon
platziert! Oder haben Sie keine Spiele-DVDs zum Ausleihen für Spielekonsole
im Bestand oder gar welche selbst in den Räumen? Impliziert Ihre Haltung
nicht, dass dann auch dieses Sachen kommerziell und damit nicht brauchbar
und nicht in Bibliotheken erlaubt sind? Das Weiterdenken dieser Frage wirft
durchaus grundlegende Problematik auf.

Falls Sie definitive Antworten erwarten: Nein, die habe ich nicht. Die kann
man nach knapp drei Wochen nach Einführung einer neuen Technologie - na ja,
so neu ist das nicht, Augmented Reality gibts schon länger, Ingress als
Spiel seit 2013 - ich würde mich nicht wundern, wenn Sie davon nichts
mitbekommen hätten, die Pokestops im Spiel basieren auf den Ingres-Punkten
und seltsamerweise sind vermehrt kulturelle und wichtige Gebäude als
"Portale" oder jetzt "Pokestops" bei Ingress eingereicht worden...
Jedenfalls, Antworten auf diese Fragen habe ich nicht.

Jedoch: Die Sorgen und Befürchtungen regelt man nicht, in dem man
konsequent ein Verbot ausspricht. Sondern in dem man sich auf Augenhöhe mit
den Jugendlichen begibt.
Ich dachte immer Bibliotheken hätten auch einen Bildungsauftrag - einen
Auftrag, der darin besteht Techniken zu vermitteln und Dinge in
Zusammenarbeit mit Benutzern auf Augenhöhe zu verhandeln. Habe ich mich
geirrt?

Grüße aus dem klimatisiertem Tectrum in Duisburg,

Christian Spließ




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