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Re: [InetBib] PokemonGo-freie Zone in Nordenham



Guten Tag,

Zunächst: Argumentiere ich und andere Kollegen für den Kommerz an sich?
Wäre mir neu. Es gab eine Aktion, die Fragen aufwarf und deren Hintergründe
nicht ausreichend geklärt waren. Da gibt es jetzt zwar eine etwas längere
Mail - aber auch bei dieser stehe ich etwas ratlos beim Lesen. Ja, die
Aktionen lassen sich sicherlich besser einordnen wenn man Dinge kennt.
Allein - dieses Wissen hätte eher, offener und auch bei Facebook gepostet
werden müssen. dort fand die Diskussion statt, dort hätte eine Erklärung,
Stellungnahme gut getan.

Nun ist es so, dass die grundlegenden Fragen geklärt werden müssen - und
für ein Spiel, das offiziell erst kurze Zeit verfügbar ist haben Kollegen
in Blogs schon recht gute Beiträge geleistet. Dass man immer noch Dinge
ergänzen kann - das liegt in der Natur des jungen und neuen Angebots.

Ferner: Wer hier bei meinen Beiträgen eine Kluft zwischen "ordentlichen
wissenschaftlichen und stillen" Arbeiten versus Unterhaltungen - die finden
bei Gruppenarbeiten nicht statt? Hmmm - respektive lautes Fun-Gedönse
wittert; nicht ist dem so. Wir müssen uns aber deutlich machen: Die
Bibliothek ist ein Raum, der auf vielfältige Weise genutzt wird.

Zu fragen bleibt auch: Wie kontrolliert man ein solches Verbot? Ist jeder
Jugendliche, der sein Smartphone in die Ludt hält jetzt verdächtig?

Und auf die Frage in welchem Rahmen Bibliotheken erziehen können, sollen
dürfen.... Gibt's da Antworten?

PokemonGo mag gehen, aber die nächsten technischen Entwicklungen stehen vor
der Tür - und was ist, wenn Spiele für GoogleGlass kommen? Verbieten wir
dann den Nutzern ebenfalls den Zugang?

Christian Spliess

Peter Jobmann <peter.jobmann@xxxxxxxxxxx> schrieb am Mi., 20. Juli 2016 um
10:46:

Hallo in die Runde,

mal ganz ketzerisch gefragt:

Wieso wird hier und bei Facebook eigentlich so viel im Sinne der
Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes argumentiert. Mir war schon
bewusst, dass das angesichts des Kaufbuttons der Onleihe und Themen wie
Bestsellerservice etc. eher ein Marketinggag ist, aber aktuell ist doch die
offizielle Lesart des Bibliotheksverbandes, sie findet sich seit Jahren in
beinahe jeder Zuschreibung, die Rolle Öffentlicher Bibliotheken als quasi
letzter kommerzfreier Ort in der Kommune.

Bedauerlich sind bei dieser "Diskussion" insbesondere zwei Punkte:

1. Die Weigerung beinahe aller kommentierenden KollegInnen die Aktion im
Kontext der lokalen Arbeit zu betrachten. Es herrscht offensichtlich die
irrige Annahme, die Kommunikation zwischen einer Bibliothek und der
Stadtgesellschaft beschränke sich auf Schilder an der Bibliothekstür und
damit auch auf Bilder bei Facebook. Ein Blick auf die Homepage der
Stadtbücherei Nordenham ordnet diese Aktion relativ sichtbar und einfach in
einen lokalen Kontext bzw. in bereits bekannte Kommunikations- und
Aktionsformen ein. So betrachtet bleibt es ganz sicher diskussionswürdig,
war ebenso sicher nicht der einfachste Weg, und ist aber noch viel sicherer
mit wesentlich weniger Hektik und Ablehnung zu betrachten.

2. Die gefühls- und marketingorientierte Sichtweise auf bibliothekarische
Arbeit gewinnt weiter an Fahrt. Was sich hier erneut zeigt, ist die
inhaltsleere Glückseeligkeitssucht des wahllos auf jeden Hype
aufspringenden Bibliothekszirkusses. Die Überbetonung der Bibliothek als
Treffpunkt und die damit verbundene Notwendigkeit Hypes nutzen zu müssen um
sichtbar zu sein, ist dabei nur ein Aspekt. Mir ist aber offensichtlich der
Teil der Fachdiskussion entgangen, der die zentrale Aufgabe der Vermittlung
von Informationen als redundant erklärt hat. Die Annahme freie Zugänge zu
Informationen würden ausreichen um Offenheit zu garantieren ist dabei
ebenso überheblich und bildungsbürgerlich, wie es einst gute Literatur
definierende BibliothekarInnen waren. Man kann Verantwortung, Kritik und
Spaß gleichzeitig vermitteln und man darf gernen über den Hype hinaus
Fachliteratur nutzen.

Festzuhalten bleibt: Nordenham hat es geschafft eine Diskussion zu vielen
Punkten auszulösen, die angesichts der Form und des Inhalts der (Facebook-)
Kommentare aus der Bibliothekswelt mehr über uns selbst aussagt, als über
das Spiel. Aber es gab eine Diskussion. Ich werbe dafür sich ehrlich zu
fragen, welche andere Bibliothek überhaupt eine Diskussion angestrengt hat.
Auch die am Pokémon-Hype orientierte Handlungsempfehlung der Fachstelle aus
NRW hat erst auf Nachfrage Links zu Datenschutz etc. betreffenden Seiten in
ihren Artikel eingefügt. Es war also offensichtlich nicht mal Teil einer
möglichen Handlungsstrategie.

Zum Abschluß noch die Frage: wie kommt man darauf die Erklärung einer
Pokémon freien Zone als Ausschluß ganzer Zielgruppen zu werten? Die armen
MusikerInnen, die beim Verbot von Handys in ihren Veranstaltungen quasi
niemanden mehr erreicht. Ich empfehle da ein bisschen mehr Lockerheit.

Es ist nicht in Ordnung, als Bilbiothek unkritisch gesellschaftliche
Entwicklungen zu begleiten. Wir können Standpunkte einnehmen und
Diskussionsflächen bieten, also ein demokratischer Ort sein. Das macht uns
durchaus angreifbar. Ist das ein Problem?

Peter Jobmann



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