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Re: [InetBib] Umsetzung des " Rahmenvertrag zur Vergütung im 52a-Rahmenvertrag"?



Sehr geehrter Herr Dr. Salzmann,

ist es wirklich so einfach, wie Sie es darstellen - mit der Verständigung 
zwischen KMK und VG Wort auf den aktuellen Rahmenvertrag sei jetzt alles 
geregelt und es gäbe nur noch ein "entweder/oder"? Dem möchte ich doch ganz 
entschieden widersprechen. 

Schauen wir zunächst einmal auf die Hochschulen: § 3 Abs. 1 des Rahmenvertrags 
schließt den Beitritt von Hochschulen in freier, also nicht-staatlicher bzw. 
nicht-kirchlicher Trägerschaft, explizit aus. Eine Randerscheinung? Von den 401 
Hochschulen in Deutschland sind nicht weniger als 163 in nicht-staatlicher 
Trägerschaft, davon 38 in kirchlicher, die übrigen 125 in freier (Quelle: 
Destatis, Private Hochschulen, 2016). Über 31% aller deutschen Hochschulen 
haben also de facto keine Möglichkeit, dem Rahmenvertrag beizutreten, obwohl es 
keinen berechtigten Zweifel daran gibt, dass auch sie bereit sind, wie alle 
übrigen eine angemessene Vergütung für die Bereitstellung von Werken auf der 
Basis von §52a UrhG zu leisten. Eine andere Form der Vergütung ist ihnen aber 
verwehrt, denn ein alternatives Angebot der VG Wort für diese Zielgruppe ist 
bislang nicht bekannt geworden. 

Sie halten es also also ernsthaft für gegeben und rechtens, dass es einem 
knappen Drittel aller deutschen Hochschulen demnach verwehrt wäre, 
vergütungspflichtige Literatur in digitalen Lernumgebungen bereitzustellen, 
weil es an einem geeigneten Vergütungsmodell mangelt? Das wäre dann aber ein 
gravierender Eingriff in die von unserer Verfassung - unabhängig von der 
Trägerschaft einer Hochschule - garantierte Freiheit von Forschung und Lehre - 
ein unbestritten hohes Rechtsgut - den Sie uns erklären müßten.

Zu dem von Ihnen benannten Angebot "http://www.digitaler-semesterapparat.de": 
ohne Frage ist das ein ganz nettes Angebot, aber auf der Startseite finde ich 
gerade einmal 31 beteiligte Verlage. Der Börsenverein nennt auf seiner 
Startseite aber über 600 aktive deutsche Fach- und Wissenschaftsverlage, und 
das sind nur seine Mitglieder und nur der deutsche Sprachraum. Es ist also 
offensichtlich, dass Ihr Angebot nur einen Bruchteil der wissenschaftlich 
relevanten Literatur anbietet. Insofern stellt weder dieses noch vergleichbare 
Angebote die Wunderlösung auf der Basis "vorrangiger angemessener Angebote der 
Rechteinhaber", für das Sie es hinstellen, und ist schon gar kein Ersatz für 
eine brauchbare Vergütungslösung - weder für Hochschulen in staatlicher, noch 
in kirchlicher, noch in freier Trägerschaft. 

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Böttcher
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bibliotheken privater Hochschulen
dbv - Sektion 4
___________________________________________________________________

Uwe Böttcher
Director Library

WHU – Otto Beisheim School of Management
Campus Vallendar, Burgplatz 2, 56179 Vallendar, Germany
Tel.: +49 261 6509-550 ; Fax: +49 261 6509-559
uwe.boettcher@xxxxxxx ; www.whu.edu
___________________________________________________________________

________________________________________
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> im Auftrag von Dr. Bertram Salzmann, 
Booktex <salzmann@xxxxxxxxxx>
Gesendet: Samstag, 22. Oktober 2016 14:43
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Umsetzung des " Rahmenvertrag zur Vergütung im 
52a-Rahmenvertrag"?

Sehr geehrter Herr Müller,

mit mehreren juristischen Examina sind Sie mir als juristischem Laien weit 
voraus. Trotzdem meine ich, die Situation durchaus korrekt dargestellt zu 
haben: § 52a UrhG erlaubt Hochschulen unter vier Bedingungen die 
Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschütztem Material _ohne_ Genehmigung 
des Rechteinhabers: Die Nutzung darf (1) bestimmte Umfangsgrenzen nicht 
übersteigen, muss (2) zum jeweiligen Zweck geboten sein, darf (3) nicht 
kommerziellen Zwecken dienen und es muss (4) eine angemessene Vergütung über 
eine Verwertungsgesellschaft bezahlt werden.

Nachdem nun die Bedingungen für die Zahlung der angemessenen Vergütung über 
Verwertungsgesellschaft im abgeschlossenen Rahmenvertrag zwischen KMK und VG 
WORT geregelt sind, kann ich nicht sehen, auf welcher rechtlichen Grundlage 
eine Hochschule _ohne_ den Beitritt zu diesem Rahmenvertrag weiterhin 
urheberrechtlich geschütztes Material _ohne Lizenz durch den Rechteinhaber_ 
(dies kann natürlich neben einer Lizenz über unsere Plattform auch eine 
OpenAccess-/CC-Lizenz oder eine e-Book-Campus-Lizenz sein) öffentlich 
zugänglich machen darf. Oder wie soll ohne einen Beitritt zum Rahmenvertrag 
Ihrer Meinung nach die Bedingung (4) des § 52a UrhG nach einer angemessenen 
Vergütung über eine Verwertungsgesellschaft erfüllt werden?

Den Vorrang angemessener Angebote der Rechteinhaber, wie wir sie auf 
www.digitaler-semesterapparat.de bündeln, hat der BGH in seiner Entscheidung 
vom 28.11.2013 damit begründet, dass in diesem Fall die Voraussetzung der 
Gebotenheit (oben Bedingung 2) nicht erfüllt ist. Er hat dabei auch 
ausdrücklich auf den Unterschied zu § 52b und § 53a UrhG hingewiesen, wo - 
anders als in § 52a - nicht schon angemessene _Angebote_, sondern nur 
_abgeschlossene vertragliche Regelungen_ einen Vorrang begründen. Dieses Urteil 
hat meines Wissens nach wie vor Bestand und ist unbeschadet späterer 
EuGH-/BGH-Urteile zu § 52b(!) UrhG gültiges Recht.

Was den aktuellen Stand der Entscheidungen auf Länderebene angeht, hatte Herr 
Eichler ja bereits vor meinem Posting auf die Entscheidung in Niedersachsen und 
Schleswig Holstein hingewiesen. Ich habe keinen vollständigen Überblick über 
die seitherige Entwicklung in den übrigen Bundesländern. Nach meinem 
Verständnis entscheidet letztlich jedoch jede Hochschule einzeln über den 
Beitritt und weder "die Bundesländer" noch die 
Landes-Hochschulrektorenkonferenzen. Allerdings scheint sich in der Tat ein 
mehrheitlicher, v.a. politisch begründeter Widerstand abzuzeichnen. Dass dies 
zumindest kurzfristig zu Lasten der Lehrenden und Studierenden geht, ist 
offensichtlich. Auch für Hochschulen, die sich dennoch gegen einen Beitritt zum 
Rahmenvertrag entscheiden, versuchen wir mit dem Booktex-Angebot die 
rechtskonforme Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte, die nicht unter 
CC-Lizenzen zur Verfügung stehen, weiterhin zu ermöglichen. Auch hier 
entscheidet ja letztlich jede Hochschule selbst, inwiefern sie davon Gebrauch 
machen möchte. Eine Übersicht über die Hochschulen, die bereits dabei sind, 
findet sich unter http://booktex.de/hochschulnutzer/.

Freundlichen Gruß
Bertram Salzmann
-----
Booktex – Die Seiten, auf die es ankommt.
Booktex GmbH | Industriestr. 2 | D-70565 Stuttgart | Germany
Phone +49 (0)7073 9174 870 | Fax +49 (0)711 - 780 13 76
Geschäftsführer: Dr. Bertram Salzmann
Amtsgericht Stuttgart HRB 750192
www.booktex.de  |  www.digitaler-semesterapparat.de


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Harald Müller [mailto:hmueller.mpil@xxxxxx]
Gesendet: Samstag, 22. Oktober 2016 11:20
An: Dr. Bertram Salzmann, Booktex; inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Umsetzung des " Rahmenvertrag zur Vergütung im 
52a-Rahmenvertrag"?

Sehr geehrter Herr Dr. Salzmann,

leider verstehe ich Ihre Mail nicht so ganz. Obwohl ich mehrere juristische 
Examina bestanden habe, ist mir Ihre Aussage unklar, wonach Hochschulen beim 
Nichtbeitritt zum Rahmenvertrag § 52a UrhG "alle urheberrechtlich geschützten 
Werke ... entfernen" müßten. Könnten Sie mir bitte hierfür eine 
nachvollziehbare rechtliche Begründung liefern.
In § 52a UrhG - einer Schrankenregelung zugunsten von Bildung und Wissenschaft 
- lese ich lediglich eine Pflicht zur Vergütungszahlung über eine 
Verwertungsgesellschaft. Ansonsten enthält der Gesetzestext keine weitere 
Übertragung von Nutzungsrechten an Verwertungsgesellschaften. Man sollte auch 
darauf hinweisen, dass Open Access Publikationen - z.B. mit einer CC-Lizenz - 
weder unter § 52a UrhG, noch unter § 52b UrhG fallen, also voll zum Einsatz 
kommen können (und sollten!).

Die von Ihnen erwähnte Vorrangklausel dürfte vor Gericht schwer durchsetzbar 
sein, nachdem sowohl Europäischer Gerichtshof, als auch BGH sie für nicht 
zwingend erklärt haben.

Sie sollten auch nicht verschweigen, dass bisher bereits vier Bundesländer 
erklärt haben, dem Rahmenvertrag zu § 52a UrhG nicht beizutreten.

Mit den besten Grüßen

Harald Müller


Am 21.10.2016 um 14:27 schrieb Dr. Bertram Salzmann, Booktex:
Sehr geehrter Herr Dr. Klauß,

wenn Ihre Hochschule dem Rahmenvertrag beitritt, müssen ab 1.1.2017 alle 
auszugsweisen Nutzungen von urheberrechtlich geschütztem Material in 
Lern-Management-Systemen oder Digitalen Semesterapparaten einzeln bei der VG 
WORT gemeldet werden. Die VG WORT hat dafür ein Meldeportal sowie eine 
Schnittstelle für die Integration der Meldemaske in verschiedene 
Lern-Management-Systeme entwickelt. Das Meldeverfahren wurde gegenüber dem 
Testlauf an der Universität Osnabrück im letzten Jahr vereinfacht, sodass die 
Meldung nun weniger aufwändig ist. Für die Nutzungen werden der Hochschule 
von der VG WORT 0,008 EUR je Seite, Teilnehmer und Semester in Rechnung 
gestellt.

Ausgenommen von der Meldung sind Titel, für die es ein vorrangiges 
Lizenzangebot des Rechteinhabers zu angemessenen Bedingungen gibt. Auf diese 
wird auf dem VG-WORT-Meldeportal bei Eingabe einer entsprechenden ISBN 
verwiesen/verlinkt. Zentrale "Sammelstelle" für solche Lizenzangebote ist 
unsere Plattform www.digitaler-semesterapparat.de mit aktuell ca. 47.000 
Titeln von 32 Verlagen. Zusätzlich zur Nutzungsgenehmigung erhält der/die 
Besteller/in hier innerhalb von 5 Minuten ein PDF mit den bestellten Auszüge. 
Außerdem können Auszüge mit bis zu 50% Umfang am Gesamtwerk (sonst nur bis 
max. 12%) genutzt werden sowie auch Auszüge aus Werken, die die Bibliothek 
selbst nicht im Bestand hat (vgl. http://booktex.de/bibliotheken/). Die 
Lizenzpreise je Seite, Teilnehmer und Semester liegen zwischen 0,01 und 0,09 
EUR (vgl. http://www.digitaler-semesterapparat.de/pages/terms).

Hochschulen, die dem Rahmenvertrag _nicht_ beitreten, müssen alle 
urheberrechtlich geschützten Inhalte aus Lern-Management-Systemen und 
digitalen Semesterapparaten, für die keine Lizenz erworben wurde, entfernen. 
Die Möglichkeit einer direkten Lizenzierung von Auszügen über 
www.digitaler-semesterapparate.de besteht natürlich auch in diesem Fall. 
Ebenso kann natürlich aus Semesterapparaten/Lern-Management-Systemen auf die 
Volltexte von E-Books verlinkt werden, für die die Hochschule Lizenzen 
erworben hat.

Zu dem Thema fand am 12.10. an der Uni Duisburg eine Info-Veranstaltung 
statt, deren Vorträge unter 
http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=42243 
eingesehen werden können. Dort finden sich weitere Details.

Freundlichen Gruß
Bertram Salzmann
-----
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Geschäftsführer: Dr. Bertram Salzmann
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxx] Im Auftrag von
Klauss, Henning
Gesendet: Mittwoch, 19. Oktober 2016 10:32
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: [InetBib] Umsetzung des " Rahmenvertrag zur Vergütung im 
52a-Rahmenvertrag"?

Sehr geehrte Damen und Herren,

die UB unserer Hochschule ist von der Hochschulleitung aufgefordert worden, 
einen Vorschlag zu machen, wie der "Rahmenvertrag zur Vergütung von 
Ansprüchen nach § 52a UrhG"
umzusetzen ist.

Möglicherweise ist dieser Rahmenvertrag unterzeichnet worden, weil 
irgendwelche Ministerien hoffen, auf diese Weise finanzielle Verpflichtungen 
von sich auf Hochschulen abwälzen zu können.

Unabhängig von Spekulationen über das Zustandekommen dieses Rahmenvertrages:
Können Sie mir Hinweise geben, wie dieser Rahmenvertrag umgesetzt werden kann?
Oder gibt es Hochschulen, die sich weigern, teilzunehmen?
Wenn ja: Wie ist es rechtlich angesichts der Verpflichtung von Bund und 
Ländern zu bewerten, wenn eine einzelne Hochschule ausschert?


Mit freundlichem Gruß

Dr. Henning Klauß


Stellvertr. Direktor der UB
- Leitung Katalogisierung
- Fachreferent Wirtschaftswiss., Mathematik, Informatik, Medizin und 
Naturwiss.
Anti-Korruptionsbeauftragter der Viadrina klauss@xxxxxxxxxxxxx - Tel: 
0335/5534-3397 - Sekret.-FAX: 0335/5534-3234 P Bitte prüfen Sie, ob diese 
Mail wirklich ausgedruckt werden muss!



--
Dr. Harald Müller
Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft"
EBLIDA Experts Group for Information Law

Mail: mueller@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
       hmueller.mpil@xxxxxx
LinkedIn: http://de.linkedin.com/pub/harald-müller/21/650/885/



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.