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[InetBib] Bibliothek des bedeutendsten Medizinhistorikers aller Zeiten (Karl Sudhoff) wird verscherbelt



Ich bezweifle, dass es in der vergleichsweise kurzen Geschichte der
Medizingeschichte eine bedeutendere Persönlichkeit gibt als den viel
geehrten Karl Sudhoff (1853-1938). Nach ihm ist nicht nur das Leipziger
medizinhistorische Institut, sondern auch eine der führenden
Fachzeitschriften dieses Gebiets „Sudhoffs Archiv“ benannt.

Die von ihm ab 1906 aufgebaute Fachbibliothek wurde 2018 abgewickelt,
was schon schlimm genug ist. Auf der Website ist zu lesen:

„Seit dem 1. September 2018 besteht die Zweigbibliothek
Karl-Sudhoff-Institut als solche nicht mehr. Im Wesentlichen befinden
sich die älteren Bestände (Erscheinungsjahre bis 1937) in der
Bibliotheca Albertina und die neueren Titel in der Zentralbibliothek
Medizin (ab Oktober 2018: Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften) in
der Liebigstraße. Die jeweiligen Standorte sind im Katalog der
Universitätsbibliothek Leipzig unter ub.uni-leipzig.de recherchierbar.

Was dort nicht steht: Am 29. März versteigert Jeschke/Van Vliet in
Berlin Teile von Sudhoffs Bibliothek. Zitat:

„Historiae Medicinae et Historia Naturalis

AUS DER BIBLIOTHEK DES KARL SUDHOFF INSTITUTS

Lose 346-434

Karl Sudhoff (1853-1938) war ein deutscher Arzt und der bedeutendste
Medizinhistoriker seiner Zeit. 1906 erhielt er den Ruf auf ein
Ordinariat für Geschichte der Medizin an der Universität Leipzig.
Gleichzeitig wurde das Institut für Geschichte der Medizin und der
Naturwissenschaften, das seit 1938 seinen Namen trägt, als erstes
medizinhistorisches Institut weltweit eröffnet. Karl Sudhoff betrieb
zeitgleich mit der Gründung des Instituts aus Stiftungsmitteln den
Aufbau einer eigenen Institutsbibliothek und wurde durch seine Studien
über mittelalterliche medizinische Handschriften und die Herausgabe der
bis heute maßgeblichen Paracelsus-Ausgabe weltweit bekannt. Seit dem 1.
September 2018 besteht die Zweigbibliothek Karl-Sudhoff-Institut als
solche nicht mehr. Die vorliegenden Bände haben die eines
Bibliotheksexemplars typischen Merkmale und stammen aus der
Aussonderung der Bestände. Sie tragen alle den einschlägigen
Institutsstempel und sind meist zusätzlich als entwidmete Exemplare von
der Bibliothek gekennzeichnet worden. Zahlreiche Bände haben
persönliche Widmungen anderer Wissenschaftler an Karl Sudhoff oder
eigene Notizen und Vermerke“.

Was für ein erbärmlicher Umgang der Universität Leipzig mit dem
Andenken Karl Sudhoffs! Muss man heute noch des langen und breiten
erläutern, wieso die Bestände der Institutsbibliothek aus der Zeit
Sudhoffs unbedingt als wissenschaftsgeschichtliche Quelle erhalten
bleiben müssten?

Angeboten wird auch Literatur aus der Zeit vor Sudhoff, die auf keinen
Fall hätte ausgesondert werden dürfen, so:

Nr. 348 Arnold, Friedrich. Icones nervorum capitis. Mit 18 von F.
Werner gezeichneten lithogr. Tafeln. Heidelberg, Sumtibus Auctoris,
1834 (in NRW nur in einem Exemplar nachgewiesen)

Ein Widmungsexemplar vom Autor:

Nr. 366 (Albrecht, Franz). Christian Friedrich Samuel Hahnemann. Ein
biographisches Denkmal. Aus den Papieren seiner Familie und den Briefen
seiner Freunde. Von einem seiner Freunde und Verehrer. Leipzig,
Hinrichs, 1851. IV, 139 S. HLwd. mit Bibl.-RSch. [*] 350.- Mit
handschriftlicher Verfasserwidmung auf dem Vorsatz: „Geschenk vom
Verfasser Herrn Finanzdirektor Albrecht in Köthen, datiert 12. Juni
1867…“.

Bei einem Sonderdruck (Nr. 381) heißt es: Nur einmal im KVK nachweisbar
(Deutsche Nationalbibliothek Leipzig).

Die Katalognummern sind häufig Konvolute, in denen wesentliche Teile
nicht beschrieben sind (z.B. Nr. 356 „51 weitere Werke“, Nr. 412:
„Sammlung von ca. 200 medizinische [!] Kleinschriften. 19-20. Jh.“).
Eine Rekonstruktion des ausgesonderten Teils der Institutsbibliothek
anhand des Auktionskatalogs ist also nicht möglich.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.