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Re: [InetBib] Gendern (War: Re: Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag)



Liebe Diskussionsrunde, 

auf der Petitionsseite
https://www.openpetition.de/petition/online/zeitgemaesser-name-fuer-den-bibliothekartag#petition-main
gibt es 200 Kommentare und  26 Pro&Contra-Beiträge, die viele der hier
aufgeworfenen Fragen beantworten. Es lohnt sich, mehr als den
Petitionstext zu lesen. Da erschließt sich die ganze Geschichte eines
Namens und eines damit verbundenen Unwohlseins.  Es gibt auch schon eine
kleine Auswertung der meistvorgeschlagenen Namensalternativen. Das finde
ich spannend. 

Worüber Herr Hartwig eigentlich diskutieren möchte, habe ich nicht ganz
verstanden. Sind es diese Alternativen für den Veranstaltungsnamen? Eine
Umfrage dazu fände ich auch gut. 

Was die geschlechtergerechte Sprache angeht, so ist eben eine
lesenswerte linguistische Schrift erschienen: 

Damaris Nübling: Genus und Geschlecht - Zum Zusammenhang von
grammatischer, biologischer und sozialer Kategorisierung. 2021. ISBN
978-3-515-12686-1. 

Es ist eine Antwort und Gegenposition zu der des Vereins für deutsche
Sprache https://vds-ev.de/, dessen Argumene Herr Hartwig hier
dargestellt hat. 

Viele Grüße aus Berlin 

Jana Haase 

Am 2021-06-28 19:41, schrieb Michael Schaarwächter via InetBib:

Hallo Herr Hartwig,

leider liegen Sie in einigen Punkten falsch, vorher würde ich aber gerne noch 
in Bezug auf die Petition Herrn Brenn zitieren:
"Was sich meinem Verständnis vollkommen entzieht ist, wie die Diskussion am 
"besseren Vorschlag" festgehangen wird, anstatt das Problem als solches als 
ersten Schritt anzuerkennen."

Für Ihre Bemerkung "Allerdings ist die Behauptung, das generische Maskulinum 
lasse allein an Männer denken, eine unbewiesene." genügt der Hinweis auf 
einen von vielen Gegenbeweisen: In
http://www.sprachlog.de/2021/06/18/funktioniert-das-gendersternchen-und-wie/
wird eine betreffende Studie explizit erwähnt, sie ist via Researchgate zu 
finden.

Ihre Bemerkung "Wenn ich sage, "ich gehe zum Bäcker", so denke ich an Frauen. 
Ganz einfach, weil es so selten ist, dass mir Männer Gebäck verkaufen." lässt 
außer Acht, dass ein Bäcker recht selten Gebäck verkauft, das tut nämlich in 
der gefühlt überwiegenden Zahl der Fälle die Bäckereifachverkäuferin.
Da sind Sie selbst in die Falle getappt, die man sehr schön am bekannten 
Beispiel nachspielen kann, welches hier zitiert ist:
https://sciencev1.orf.at/science/news/151120

Der Hinweis "Und nicht zuletzt ist "die" vermeintlich gendergerechte und alle 
inkludierende Sprache äußerst exkludierend aufgrund der Unmöglichkeit ihrer 
Vermittlung." ist einerseits pauschalisierend, zum zweiten Whataboutism [1 
[1]] und drittens in Teilen falsch.

Ich bin kein Weltmeister im Gendern, ich mache sehr viele Fehler und bemühe 
mich dazuzulernen. Aber eine herbeigeredete "Tradition in der Sprache" ist 
für mich doch schon sehr weit hergeholt, wenn doch Sprache an sich ständigen 
Veränderungen unterliegt. Da verbiege ich mich lieber ein wenig beim aktiven 
Versuch, Diskriminierungen zu vermeiden, Diversität zu ermöglichen und 
insofern einfach Menschenfreund zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Whataboutism

Am 28.06.2021 um 18:17 schrieb Falk Hartwig via InetBib: Liebe 
"Bibliotheksmenschen"/"Wissensnavigator*innen"/"Informationsdealer*innen" ...

vielen Dank auch von mir an Frau Gastinger, die mit offenen Worten einer 
Debatte beitrat, um die es zwar viel Geschrei gibt, die im Grunde aber nicht 
wirklich geführt wird.

"Tradition sollte im Jahr 2021 nicht mehr als ausreichender Grund gelten, das 
generische Maskulinum beizubehalten. Unsere Welt war schon immer diverser.", 
heißt es im Petitionstext.

Auch wenn es in der Petition nicht allein um das Thema Gender geht, dennoch 
eine Bemerkung zum Zitat. Das sogenannte "generische Maskulinum" bezieht sich 
allein auf das grammatische Geschlecht. Dieses ist im Deutschen eine 
besonders schwierige Angelegenheit. Dass Berufsbezeichnungen i.d.R. im Plural 
das männliche Genus verwenden, mag historisch sicher damit zusammenhängen, 
dass einst so ziemliche alle Berufe Männern vorbehalten waren. Allerdings ist 
die Behauptung, das generische Maskulinum lasse allein an Männer denken, eine 
unbewiesene. Fragen Sie auf der Straße Leute, ob diese beim Wort 
"Bibliothekare" Frauen oder Männer vor sich sehen. Im Falle dieses heute so 
weiblich dominierten Berufes (die Leitung sieht der Nutzer i.d.R. ja nicht) 
bin ich mir sicher, dass die meisten der so gefragten an Frauen denken. 
(Vorausgesetzt freilich, die Befragten können mit dem Wort überhaupt noch 
etwas anfangen; kennen diesen Beruf noch) Und prüfen wir es doch einmal bei 
uns selbst. Wird
unsere Vorstellung von der sprachlichen Bezeichnung bestimmt, oder davon, wie 
wir die soziale Realität kennen? Wenn ich sage, "ich gehe zum Bäcker", so denke 
ich an Frauen. Ganz einfach, weil es so selten ist, dass mir Männer Gebäck 
verkaufen. Höre ich Ingenieur, denke ich an Männer, da dieser Berufsstand immer 
noch männlich dominiert ist. In manchen Fällen ist es sicher unentschieden. 
Musiker etwa. Aber dafür gibt es ja die schlichte Selbstverständlichkeit, die 
jeder und jeder (eigentlich) in der Schule lernt: Dass der Plural von Musiker 
eben auch "Musiker" ist, oder "Musikerinnen", sofern es sich eben nicht um eine 
geschlechtlich gemischte oder männliche Gruppe handelt.

Eines der Hauptargumente für das Gendern und inklusive Sprache ist, dass 
Sprache das Denken forme. Nur stimmt das überhaupt nicht. Nur ein Beispiel 
von zahlreichen möglichen: Wollen wir etwa englischsprechenden Menschen 
erklären, sie könnten sich in den meisten Berufen oder Tätigkeiten keine 
Frauen bzw. das weibliche Geschlecht vorstellen?

Und nicht zuletzt ist "die" vermeintlich gendergerechte und alle 
inkludierende Sprache äußerst exkludierend aufgrund der Unmöglichkeit ihrer 
Vermittlung. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten, für Blinde, für Deutsch 
lernende Ausländer ... Ganz zu zu schweigen von den allgemeinbildenden 
Schulen.

Beste Grüße,
Falk Hartwig

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Krieser, Angelika via InetBib [mailto:inetbib@xxxxxxxxxx]
Gesendet: Montag, 28. Juni 2021 17:26
An: inetbib@xxxxxxxxxx
Betreff: Re: [InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag

Liebe Runde,

zum Problem 1:

Auch wenn unser schöner Beruf heute am treffendsten wohl mit 
"Wissennavigatorin" bzw. "Wissensnavigator" bezeichnet werden könnte, spricht 
viel dafür, die Benennung "Bibliothekar/Bibliothekarin" beizubehalten. 
Bibliotheken und das entsprechende Personal gibt es schließlich seit 
Jahrtausenden und  dieser Begriff ist der Öffentlichkeit bekannt und 
vertraut. Die Grundaufgabe, Wissen zu speichern und interessierten Menschen 
bei Bedarf zur Verfügung zu stellen, hat sich seitdem ja auch angesichts der 
neuen virtuellen Welt(en) nicht geändert. Und Bücher dürften in den 
allermeisten Bibliotheken auch noch in Zukunft zu finden sein. 😊

zum Problem 2:

In gendergerechter Sprache müssten wir heute tatsächlich vom 
"Bibliothekar*innentag" reden. Korrekt, aber nicht sonderlich schön, weder in 
schriftlicher noch in mündlicher Rede. Falls der gute alte Bibliothekartag 
tatsächlich so viel Bauchgrimmen bereitet, könnte man auch ganz einfach zum 
"Bibliothekstag" umschwenken. Der wäre aber nicht unbedingt mein Favorit ...

Viele Grüße aus Berlin

Angelika Krieser

[cid:0ca2361d-11ad-4f01-a632-63638a106419]

Angelika Krieser

Bibliothek für Sozialwissenschaften und Osteuropastudien

Fachreferatsassistenz

Garystaße 55

14195 Berlin

Tel.: +49-30-838-52859

E-Mail: angelika.krieser@xxxxxxxxxxxx<mailto:angelika.krieser@xxxxxxxxxxxx>

URL: https://www.polsoz.fu-berlin.de/bibliothek/index.html

________________________________
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> im Auftrag von Armin Stephan via 
InetBib <inetbib@xxxxxxxxxx>
Gesendet: Montag, 28. Juni 2021 15:49
An: INETBIB
Betreff: Re: [InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag

Liebe Frau Sachse,

ich stimme Ihnen zu: Es geht nicht darum, einer Mehrheit gerecht zu werden. 
Es geht darum, eine "ungerechtfertigte sprachliche Einseitigkeit" zu beenden, 
weil Worte immer mehr sind als ein abstrakter neutraler Zeichencode. Sie 
machen unser Denken und unsere Vorstellungswelt sichtbar. Sie sind also ganz 
schön verräterisch, diese Dinger ... ;-)

Ich oute mich jetzt mal ein wenig: Vor die Wahl gestellt zwischen 
"Bibliothekartag" und "Bibliothekarinnentag" würde ich mich inzwischen für 
die weibliche Form entscheiden, weil ich es nur fair fände, wenn nach hundert 
Jahren maskuliner Benennung jetzt mal hundert Jahre die feminine Benennung 
verwendet würde.

Am 28.06.2021 um 10:45 schrieb Jacqueline Sachse via InetBib: Lieber Herr 
Stephan, liebe Frau Wirsing,

wie Herr Stephan begrüße ich die Petition und das Anliegen einer
gendergerechten Sprache. Hierfür sind die Geschlechterverhältnisse
unter den Beschäftigten meiner Meinung nach aber irrelevant. Nach der
Logik würde am Ende noch das Argument aufgebracht, es solle eigentlich
Bibliothekarinnentag heißen. Es geht aber nicht primär darum, einer
Mehrheit gerecht zu werden oder die "Wirklichkeit" abzubilden, sondern
allen Menschen - auch potentiell oder zukünftig Zugehörigen - offen zu
sein und sprachlich niemanden von vornherein auszuschließen.

Beste Grüße
Jacqueline Sachse

Am 28.06.2021 um 10:04 schrieb Wirsing, Eva via InetBib: Lieber Herr Stephan,

auch bei den FaMIs ist der Frauenanteil sehr hoch. 90 Prozent könnte
durchaus auch im mittleren Dienst stimmen. Wir hatten damals nur 5
Jungs in der Berufsschulklasse.

Viele Grüße

Eva Wirsing

Eva Wirsing
Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste / Fachrichtung
Bibliothek

Universitätsbibliothek Eichstätt
Abteilung Benutzung und Service // Abteilung Bestandsentwicklung
Universitätsallee 1, Zimmer 037 (Dienstagvormittag und
Donnerstagnachmittag Zimmer 016)

85072 Eichstätt

Mail: eva.wirsing@xxxxx
Telefon: 08421/93-23079 oder -21488
Internet: http://www.ku.de/bibliothek

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: InetBib <inetbib-bounces@xxxxxxxxxx> Im Auftrag von Armin
Stephan via InetBib
Gesendet: Montag, 28. Juni 2021 09:59
An: INETBIB <INETBIB@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Betreff: Re: [InetBib] Zeitgemäßer Name für den "Bibliothekar"tag

Lieber Herr Schaarwächter,

ein kleines Manko der Petition scheint mir zu sein, dass hier zwei
(berechtigte) Anliegen vermengt werden.

Da ist zum einen die Problematik der nicht gendergerechten Sprache,
die auf der Website der Petition herausgestellt wird. Eine nahezu
erstaunliche Sache. Im gehobenen Dienst dürfte der Frauenanteil
Richtung
90 Prozent tendieren, man könnte inzwischen mit Fug und Recht von
einem "Frauenberuf" sprechen. Und auch im höheren Dienst geht die
Tendenz eindeutig in diese Richtung. (Bei den FAMIs weiß ich es
nicht.) Alternative Benennungen zu finden, die dem gerecht werden,
scheint mir nicht allzu schwierig zu sein. Die Petitionsseite nennt
ja selber einige naheliegende neutrale Bezeichnungen.

Zum anderen gibt es die von Ihnen angesprochene Denkrichtung, dass
der Begriff "Bibliothekar" der Vielgestaltigkeit unseres
Berufsumfeldes nicht mehr gerecht wird, also veraltet ist. Hier
scheint es mir schwieriger, eine passende und griffige
Begriffsalternative zu finden, wie vielleicht der sachlich ja nicht
unzutreffende Begriff "Informationsveranstaltung" zeigt ...

Ich persönlich möchte mit meiner Unterschrift unter die Petition das
erste Anliegen vorbehaltlos unterstützen. Bei dem zweiten Anliegen
fehlt mir noch eine Idee. Nach meiner Beobachtung sind alle
bisherigen Versuche, unseren Beruf und unsere Institution
umzubenennen, zwar vielleicht eine Präzisierung gewesen, zugleich
aber auch "sperrig" und deshalb einer besseren öffentlichen
Wahrnehmung nicht zuträglich.

Am 28.06.2021 um 09:18 schrieb Michael Schaarwächter via InetBib: Hallo und 
guten Morgen,

in den ersten 24 Stunden gab es bereits 666 Unterschriften, jetzt
stehen wir kurz vor 1000. Das ist ein großartiger Erfolg, aber jede
weitere Stimme zählt und erhöht die Sichtbarkeit der Aktion.

Haben Sie schon unterschrieben?
https://openpetition.de/!rjbtt

Sie können übrigens beim Unterschreiben auch ankreuzen "Mein Name
soll nicht öffentlich sichtbar sein". Vielen Dank für Ihre und Deine Stimme!

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter

Am 23.06.2021 um 13:48 schrieb Michael Schaarwächter via InetBib: Hallo *

"Der 109. Bibliothekartag wurde von Bibliotheksmenschen mit den
unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen besucht. Unser
Berufsfeld besteht, entgegen des Titels der Veranstaltung, nicht
nur aus Bibliothekaren. Im Jahr 2021 diese große Konferenz
weiterhin "Bibliothekar"tag zu nennen, ist daher nicht mehr zeitgemäß."

Es wird Zeit, die Graswurzelbewegungen zusammenzufassen. Es wird
Zeit, den Schwung der Diskussion zu nutzen, und eine Petition ist,
wie ich finde, ein guter Weg, um ein Meinungsbild einzuholen.

Bitte mitzeichnen:
https://openpetition.de/!rjbtt

"Wir sind und können Vielfalt.
Lasst es uns gemeinsam beweisen!"

Vielen Dank für Ihre und Deine Stimme!

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schaarwächter
 --

Mit freundlichen Gruessen
*Armin Stephan*
/Jefe de Biblioteca/
Augustana-Hochschule / Bibliothek
Waldstr. 15
*D-91564 Neuendettelsau*
Tel. 09874/509-300
|
|      ,__o
|    _-\_<,
|   (*)/'(*)

 

Links:
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[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Whataboutism

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.