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[InetBib] Vorschlag "Bibliothekswelt" + Kommentar zur Genderdiskussion



Liebe Mitdiskutierende und Lesende,

zum großen Hauptthema der potentiellen Namensgebung für den bisherigen 
würde ich gerne zwei bis drei Sachen sagen bzw. vorschlagen:

1. Bei "Bibliothekswelt" kann ich das Argument des... "Spaßigen"
Untertons nachvollziehen. Könnte man dem entgegenwirken, indem man den
relativ sperrigen Zusatz "Kongress für Beschäftigte in Bibliotheken
[Jahr]" anbringt? Das würde meiner Meinung nach auch die Dualität
unseres gemeinsamen Berufsumfelds abbilden, weil wir zu ernsten und
wichtigen Aufgaben verpflichtet sind und gleichzeitig (hoffentlich alle)
eine gewisse Freude daran haben. (Außerdem klingt das hochtrabend genug,
dass unsere mehrheitlich deutsches Ego davon gestreichelt wird :-) )

2. Unabhängig von dem (potentiellen) neuen Namen wird es mit Sicherheit
auch dabei bleiben, dass viele von uns im normalen Gespräch weiterhin
von den Bibliothekar(s)tagen reden werden, sei es aus Sturheit oder
schlicht Gewöhnung. Das wird und kann niemand verbieten.

3. Gestern hat die Bundeswehr(!) verlauten lassen, dass sie ihre EPA
nicht mehr "Einmannpackung" nennen wollen, weil das "nicht mehr
zeitgemäß" sei und sie deswegen umbenennen will. (Quelle:
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/bundeswehr-sucht-gendergerechten-namen-einmannverpackung-100.html)



Soviel zum eigentlichen Thema. Jetzt etwas, wo ich lange überlegt habe,
ob ich das überhaupt ansprechen soll. Ich versuche informativ zu sein
und niemanden anzuklagen, aber es ist ein hochemotionales Thema (wie wir
schon gemerkt haben) und insofern tut es mir leid, wenn sich jemand von
diesem Text angegriffen fühlt.

Auf der einen Seite ist mir aufgefallen, dass hier möglicherweise ein
Misgender-Fall aufgetreten ist, der nicht beabsichtigt war (unterstelle
ich), sondern durch eine Eigenheit der deutschen Sprache. Es wurde
während der Diskussion mit und über Nik Baumann als "Frau Baumann"
geredet, was meiner Vermutung nach (und das ist definitiv eine Vermutung
von meiner Seite, wenn ich falschliege kann mich Nik gerne korrigieren)
genau das ist, was nicht gewollt ist. Als Nicht-Binärer
(/Non-Binary/Enby [= NB]) Mensch sind sie[sic] eben nicht eindeutig Frau
Biermann, sondern fallen hier in eine Lücke in der deutschen Sprache
(und an diesem Satz sieht man auch wie kompliziert es ist, nicht
abgebildet zu werden). Jetzt ist einigen bestimmt aufgefallen, dass ich
"möglicherweise" geschrieben habe, weil ich die Schlussfolgerung aus den
Pronomen nachvollziehen kann. Wenn da nur "sie/ihr" stände, hätte ich
das auch eher ignoriert, aber mit "they/them" daneben gehe ich (neben
der Selbstnennung als Enby) davon aus, dass grammatikalisch nicht 3.
Person Singular Femininum gemeint ist, und um diese Unterscheidung zu
machen habe ich in dem Satz vorhin 2. Person Plural benutzt.

Ist das schön? Nein. Ist es notwendig? Aktuell: meiner Meinung nach ja.
Weil es bis dato im deutschen keine Möglichkeit gibt diese Realität(!)
abzubilden, muss man sich aushelfen. Es gibt zum Beispiel die
Möglichkeit das schwedische "hen" als Pronomen zu übernehmen oder das
englische "they" (wo gewisse reaktionäre Kreise übrigens auch wirklich
lange fälschlicherweise behauptet hatten, dass es das Wort in dem Sinne
nie gegeben habe) und auch ein paar deutsche Kunstwörter wie "xier/xies"
oder "sier/sies". Ich bin mir sicher, dass es einige Leute
(wahrscheinlich auch in dieser Mailingliste) gibt, die diese Worte als
"Verhunzung" der deutschen Sprache (oder gar als "Vergewaltigung")
verstehen. Und ich kann nicht sagen, dass ich dieses Gefühl überhaupt
nicht nachvollziehen kann - aber wir als Deutschsprechende müssen eine
Möglichkeit finden, sowas abzubilden. Oder auch den Geschlechtseintrag
divers, der ja bekanntermaßen per Gesetz festgeschrieben ist - nur die
"klassischen" Geschlechter zu haben macht das andere Element der Person
unsichtbar und das ist nur wünschenswert, wenn die Alternative ist, dass
man deswegen ausgegrenzt oder schlimmeres wird.


Zum anderen möchte ich noch auf einen Satz eingehen, der gestern
gefallen ist: "[Das Inklusivitätszeichen] heißt noch lange nicht, dass
man Menschen, die anders sind als man selbst, auch genau so akzeptiert
und angemessen behandelt." Dieser Satz ist faktisch korrekt. Aber das
bewusste Weglassen desselben heißt, dass man sie eben nicht respektiert.
Und das bisschen Mehraufwand den man damit macht um andere Leute mit
einzubeziehen ist gut. Und damit spreche ich jetzt nicht jede Person an,
die nicht daran denkt (aber wenn jemand das liest, der sich davon
angesprochen fühlt, denkt mal drüber nach ;-) ) oder aus Stress oder
sonstwas es vergisst (da zähl ich mich definitiv auch zu). Sondern die
Leute, die im Satz innehalten und überlegen ob sie noch weitere Pronomen
als nur "er/sie/Sie" benutzen und sich dann dagegen entscheiden, zu
denen sage ich: "Macht doch. Jetzt habt ihr schon mehrere Sekunden damit
verbracht, dann könnt ihr auch noch ein paar mehr investieren."

Danke an alle, die sich die Zeit genommen haben, meinen (hoffentlich
nicht zu) wirren Text zu lesen. Auch an alle, die mich in dieser
Diskussion amüsiert, emotional berührt oder genervt haben (wer in welche
Kategorie gehört, darf jeder selbst entscheiden, die meisten werden scho
recht haben :-D ). Und ein besonders großes Dankeschön an die Leute, die
ich mit meinen Ausführungen zum Denken anregen konnte - wiederum, ich
hoffe ich habe niemanden damit verletzt und bin für kritische und
konstruktive Rückmeldungen offen. [Jenachdem wie es umgewandelt wird,
entschuldige ich mich auch für die Formatierung]

In dem Sinne ein schönes Wochenende
Jannik Oyen

(Und weil es einigen Leuten sehr viel bedeutet und es mir nichts
ausmacht es dazuzuschreiben: er/ihn)


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