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Zum Begriff 'virtuell'



Liebe KollegInnen,
kommunikation setzt voraus, dass ueber die Begriffe Klarheit besteht. das war 
schon in der antike bekannt.
deshalb gebe ich das folgende an sie weiter:

> .....
> Der Ausdruck "virtuell" ist im frühen 19.Jhd. vom gleichbedeutenden
> französischen "virtuel" übernommen. Er bedeutet: "der Kraft oder
> Möglichkeit nach vorhanden (ohne jedoch bereits sich wirksam zu
> äußern)"; "fähig, zu wirken."
> In verschiedenen Zusammensetzungen ist das Wort in der Physik
> gebräuchlich: 
> - "virtuelles Bild" ein Bild, daß durch geometrische Konstruktion des
> Strahlenganges entsteht, ein scheinbares Bild); 
> - "virtuelle" Verschiebung (von Kräften) und "virtuelle" Momente in der
> Mechanik.
> - "virtuelles" Teilchen. Das sind Teilchen, die durch ihren Austausch
> die Wechselwirkung zwischen Reaktionspartnern ("reelle Teilchen")
> vermitteln. Eine etwas formalere Definition für Insider: Eine innere
> Linie in einem Feynman-Diagramm wird "virtuelles Teilchen" genannt. So
> ein Teilchen existiert nur für extrem kurze Zeit (wenn überhaupt, d.h.
> eigentlich ist es nur eine theoretische Konstruktion) und ist nicht
> direkt nachweisbar. Vermutlich geht dieser Ausdruck in der
> Quantenelektrodynamik auf R.P. Feynman zurück. 
>
> Herkunft des Adjektivs "vituell" von "vitualis" (tüchtig, (gut)
> beschaffen) aus dem mittelalterlichen Latein. Dieses stammt von
> "virtus", lateinisch für (Mannes-)Kraft, Tugend und wohl auch Fähigkeit;
> "virtus" wiederum von "vir", lateinisch für Mann ab. 
>
> Das Adjektiv "virtualis" wurde wohl auch in der medizinischen
> Fachsprache für Krankheitsursachen und Heilmittel im Sinne von "möglich"
> verwendet, um auszudrücken, daß diese die Fähigkeit haben, eine
> Krankheit zu verursachen oder zu heilen, ohne daß dieser Erfolg jedoch
> mit Sicherheit eintritt.
>
> Möglicherweise durch erneuten französischen Einfluß kommen die
> Bedeutungen "unterschwellig; de facto, so gut wie; eigentlich;
> voraussichtlich" hinzu. Auch das englische "virtual/virtually" hat
> ähnliche Bedeutungen wie "in fact, but not officially; almost, very
> nearly".
>
> Es ist denkbar, daß die Übersetzung des englischen Ausdrucks "vitual
> reality", eine von Computern erzeugte Wirklichkeit, die den Betrachtern
> fast völlig real erscheint, eine neue Facette von Bedeutung hinzufügt,
> die jenen Schwebezustand zwischen "fast ganz wirklich" und "dennoch
> scheinhaft" bezeichnet.
> Eine ähnliche Bildung ist in der Computersprache "virtual memory"
> (deutsch "virtueller Speicher").
>
> Interessant ist vielleicht auch die Übernahme des entsprechenden
> Adjektivs aus dem Italienischen: "virtuos" ursprünglich "kräftig",
> "fähig" heute eher im Sinne von "von besonderer herausragender
> Fähigkeit, Geschicklichkeit", insbesondere im künstlerischen Kontext. 
> -- 
> Dr. Karl Peter Ohly
> Oberstufen-Kolleg - Universitaet Bielefeld
> Postfach 100131, D 33501 Bielefeld

mfg   H.M.
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Tatsachen haben nicht die geringste Bedeutung.



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