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AACR-Umfrage: Nachlese



[Mail geht an Inetbib und Rak-List]

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin vermutlich nicht die einzige, die ihren gestrigen Feierabend mit
den Kommentaren aus der AACR-Umfrage verbracht hat. Hier einige (natuerlich
ganz subjektive) Anmerkungen dazu:

1. Moegen sich die Experten darueber streiten, ob das Ergebnis nun
repraesentativ ist oder nicht. Ich jedenfalls finde nicht nur die absolute
Zahl der Teilnehmer beeindruckend, sondern auch die grosse Bandbreite der
dabei vertretenen Erfahrungshorizonte (von OPL bis Bibliotheksleiter; an
grosser WB, Spezialbibliothek oder OeB... alles dabei!). Besonders wichtig
scheint mir, dass durch das Mittel der Online-Umfrage Meinungen oeffentlich
geworden sind, die sonst nur im Kollegenkreis geaeussert worden waeren.
Fuer mich hat die Umfrage deshalb ihr Ziel, ein aussagekraeftiges
Meinungsbild zu erheben, voll erreicht.

2. Die Verteilung der Pro- und Kontra-Stimmen hat mich nicht sonderlich
ueberrascht, wohl aber die Zahl und Qualitaet der abgegebenen Kommentare.
Das zeigt ueberdeutlich, dass auch 'Normal-Bibliothekare' sowohl willens
als auch faehig sind, sich sachlich und niveauvoll an solchen Diskussionen
zu beteiligen.

3. Der Generalverdacht, die RAK-Anhaenger seien Veraenderungen
grundsaetzlich abgeneigt, wird durch die Kommentare nicht bestaetigt. Nicht
selten werden von diesen sogar weit radikalere Umbrueche gefordert (z.B.
Erarbeitung eines ganz neuen Regelwerks oder Abschaffung der Verbuende).
Auch argumentieren die AACR-Gegner so gut wie nie formalistisch, sondern
fast immer aus der Perspektive der Benutzer.

4. Als wohltuend empfinde ich ueberdies die vorherrschende
realistisch-pragmatische Grundstimmung unter den RAK-Befuerwortern. Den
fuer eine Regelwerksumstellung noetigen Geld- und Personaleinsatz halten
die meisten fuer unverantwortlich; wenn schon, dann solle in Bereiche
investiert werden, die unmittelbarere Vorteile für die Benutzer bringen
(besonders haeufig genannt: Konversion von Zettelkatalogen).

5. Einen Aspekt, den ich mir selbst bisher nicht richtig bewusst gemacht
hatte, moechte ich hier noch einmal hervorheben: Dass wir naemlich, wenn
Rationalisierung das Ziel sein soll, wirklich nicht bis nach Amerika
schauen muessen. Das Problem ist nicht, ein AACR-Katalogisat in RAK zu
ueberfuehren, sondern die Tatsache, dass diese Aktion in jedem Verbund von
neuem durchgefuehrt wird (mit kleinen, aber feinen Unterschieden, versteht
sich)! Genauso aergerlich ist, dass man beim Sacherschliessen zwar ueber
den KVK recherchieren kann, ob der Band bereits in einem anderen Verbund
erschlossen wurde, die gefundenen RSWK-Ketten dann aber nicht einfach auf
Knopfdruck uebernehmen kann. Bei verbesserter _nationaler_ Zusammenarbeit
wuerden sich mit viel geringeren Kosten weitaus groessere Einspareffekte
ergeben als beim AACR-Umstieg.

6. Neue Erkenntnisse zu etwaigen Vorteilen eines Wechsels auf AACR hat mir
die Umfrage nicht gebracht.

Abzuwarten bleibt nun, wie die Entscheidungstraeger auf dem Bibliothekartag
und im weiteren Verlauf des Verfahrens mit den Ergebnissen der Umfrage
umgehen werden. Wird man sie ernst nehmen oder klein reden? Oder anders
gesagt: Ist das deutsche Bibliothekswesen reif fuer demokratische Formen
der Meinungsbildung und Sachdiskussion?

Mit gespannten Gruessen
Heidrun Wiesenmueller

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Heidrun Wiesenmueller M.A.
Wuerttembergische Landesbibliothek  - Abt. Landesbibliographie
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