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Skandal: UB Eichstaett verhoekert Kapuzinerbuecher (1)



Liebe Listenmitglieder,

am 1. Oktober habe ich hier in INETBIB das Resultat meiner Recherchen
zum skandaloesen Umgang der UB Eichstaett mit der ihr anvertrauten
Zentralbibliothek der Kapuziner vorgestellt.

http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/INETBIB/200210/20021001.html#

Es kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen, dass die
Eichstaetter Vorkommnisse - ebenso wie im Fall Donaueschingen oder NEKB
- die folgenden Kriterien fuer einen Skandal im Bereich des
Kulturgutschutzes erfuellen:

1. keine Offenheit und Transparenz des Verfahrens

2. ein gravierender Verlust schuetzenswerter Buchbestaende, Missachtung
des Provenienzprinzips durch obsoletes "Dublettendenken"

3. keine vorrangige Anbietung an andere Bibliotheken

4. keine detaillierte Ersatzdokumentation exemplarspezifischer Details.

Ich gehe nun auf die Erwiderung von Herrn Littger ein, der sich meiner
unmassgeblichen Meinung nach als absolut ungeeignet erwiesen hat,
Altbestaende zu betreuen.

Littger, Dr. Klaus Walter schrieb am 9. Oktober hier in INETBIB:
> 
> Lieber Herr Schmalor,
> 
> laut INETBIB-Mitteilung eines Dr. Klaus Graf wissen Sie nicht, daß
> die
> UB Eichstätt Dubletten aus dem übernommenen Bestand
> bayerischer
> Kapuzinerbibliotheken verkauft. Das kann ich eigentlich nicht
> glauben,
> haben wir doch wiederholt darüber gesprochen; außerdem habe ich
> den
> Sachverhalt ausführlich in einem Beitrag dargestellt, der im 1.
> Jahrgang (2000) des von uns beiden mitherausgegebenen
> Jahrbuchs
> Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen erschienen ist. Daß man
> an den
> zuständigen Stellen der Bayerischen Staatsbibliothek nichts davon
> wisse, wie es in derselben Mitteilung heißt, trifft nicht zu. Daß es
> in Wolfenbüttel unbekannt sei, bezweifle ich; denn sonst müßten
> sich
> die dortigen Kollegen fragen lassen, warum sie unser Jahrbuch,
> das sie
> ja beziehen, nicht lesen. Daß Dr. Graf den Artikel nicht kennt, wie
> er
> mir telefonisch versicherte, steht auf einem anderen Blatt.

Klaus Walter Littger, Die Übernahme der Zentralbibliothek der
Bayerischen Kapuziner in Altötting durch die Universitätsbibliothek
Eichstätt, in: 
Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. Jahrbuch 1 (2000), S. 133-140

Es trifft nicht zu, dass der Sachverhalt dort "ausfuehrlich" dargestellt
wuerde.

Der Beitrag beginnt mit der Feststellung, dass "Migration" seit jeher
fuer Bibliotheksbestaende typisch sei und die Bestimmung von
Provenienzen massgeblich zu jeder Bibliotheksgeschichte gehoere. In
ungewoehnlichem Ausmasse haetten Kapuzinerkonvente seit einem Dekret
Papst Innozenz X. von 1648 Dubletten und wenig benoetigte Buecher
ausgetauscht haetten, weshalb es schwierig, ja teilweise unmoeglich sei,
fuer einen bestimmten Zeitpunkt den Besitzer eines zwischen
verschiedenen Klosterbibliotheken gewanderten Buchs zu bestimmen.

Littger (L.) geht dann auf die Eigentumsverhaeltnisse ein, denn der
Freistaat Bayern betrachtet alles als sein Eigentum, was ihm durch die
Saekularisation 1802ff. zugefallen ist, also auch Buecher der z.T. bis
heute noch bestehenden bayerischen Kapuzinerkonvente. Aus pragmatischen
Gruenden werden bis 1802 erschienene Buecher, die danach im Besitz eines
sog. "Aussterbeklosters"/Zentralklosters waren, als staatliches Eigentum
der als Depositum von der UB Eichstaett verwalteten Staatlichen
Bibliothek Eichstaett zugewiesen (S. 137).

Er verweist auf die Aufloesung des Wemdinger Konvents 1990, deren
saekularisierte Bestaende in die Studienbibliothek Dillingen abgeliefert
werden mussten, und auf die Aufhebung des Dillinger Konvents 1992, deren
nichtstaatlicher Anteil 1993 von der UB Eichstaett uebernommen wurde:
"In der Universitätsbibliothek Eichstätt nicht Vorhandenes wurde ihr
geschenkweise überlassen, das Übrige durch die Universitätsbibliothek
zugunsten des Ordens verkauft" (S. 134).

Seit 1994 erfolgte ein Abgleich der UB-Bestaende mit der
Zentralbibliothek in Altoetting, die P. Alfons Sprinkart bis zu seinem
Tod am 17.9.1997 betreute (s. auch Artikel Altoetting im Handbuch der
hist. Buchbestaende in Dtl. XI, 1997, 20f., in dem Littger uebrigens
selbst ueber den Bestand des Kapuzinerklosters Eichstaett schrieb). Am
25.6.1999 schloss dann die Bayerische Kapuzinerprovinz einen
Ueberlassungsvertrag mit der Kath. Univ. Eichstaett. Der letzten Endes
in Eichstaett gelandete Bestand, schreibt L., duerfte "nach einer ersten
Aussonderung von Dubletten und stark schimmelbefallenen Bestaenden" gut
300.000 Baende umfassen. Im Abschnitt "Bearbeitung" rechnet L. mit einer
Erschliessung der Bestaende in einem Zeitraum von zehn Jahren durch die
Handschriftenabteilung (Baende vor 1800 nach RAK-Alte Drucke). Nach
nochmaligen Ausfuehrungen zur Eigentumsfrage folgt ein mit "Dubletten"
ueberschriebener Abschnitt, der 15 Druckzeilen umfasst. Den Schluss
bilden Angaben zum Bestand (im OPAC unter Erscheinungsform "aö"
abrufbar), u.a. ca. 80 Inkunabeln, und eine Liste der Kloester der bay.
Provinz.

Was steht nun im Abschnitt ueber die Dubletten? Die ZB Altoetting sei
ein Konglomerat "aus mehreren teilweise deckungsgleichen
Bibliotheksbestaenden aufgehobener Konvente": "Schon der Bibliothekar
der Zentralbibliothek hatte daher zahlreiche Dubletten ausgesondert und
verkauft. Bei der Übernahme der Bibliothek fand sich ein eigener
Dublettenbestand von ca. 40.000 Bänden, die noch während des Umzugs
verkauft wurden. Auch weiterhin werden Dubletten in der Regel
ausgesondert. Der Erlös kommt den Erschließungskosten zugute".

In "Empfehlungen" von 1998 werde davon ausgegangen, dass rund ein
Drittel aus der Zeit vor 1800 stammt, wovon sich in Eichstaett etwa die
Haelfte als Dubletten erweisen duerfte. Bei den neueren Bestaenden liege
dieser bei 70 %. Genauere Schaetzungen seien nicht moeglich gewesen,
vermutlich liege der Anteil "her noch höher" (S. 137f.).

Man muss schon sehr aufmerksam lesen, um aus diesen Ausfuehrungen den
Schluss zu ziehen, dass die UB Eichstaett auch vor 1800 erschienene
Baende als vermeintliche "Dubletten" in grossem Umfang vermarktet. Ueber
das Verfahren bzw. eine vorherige Anbietung an oeffentliche oder
kirchliche Bibliotheken, ueber die Dokumentation der Provenienzen kein
Wort! 

-- Forts. folgt


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