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Re: Ontologien in Bibliotheken



Vorab: Eine deutsche Bibliothek, die "Ontologien" in bestimmten Bereichen bereits in praktischer Anwendung hat ist mir z.Z. nicht bekannt.

Diese Thematik ist eher noch in den Anfängen.
Das entscheidende Merkmal von "ontologies" (die Ontologie in der Philosophie ist dabei ein Thema für sich) ist aus meiner Sicht,
dass sie mit dem was wir (Schwarz, I. / Umstätter, W.: Schwarz, I.: nfd Information - Wissenschaft und Praxis 50 (4) S.197-203 1999)
als einen semiotischen Thesaurus bezeichnet haben, verwandt sind.


Der Unterschied ist, dass man einerseits Texte von intelligenten Programmen untersuchen und daraus Ontologies erzeugen
(s. CYC von D. Lennat u.ä.) und andererseits solche Thesauri intellektuell erstellen kann.


Mit Expertensystemen haben sie eigentlich nur sekundär etwas zu tun, weil eine Ontologie radikal konstruktivistisch betrachtet
auch völlig irrationale Begriffswelten darstellen kann.
Expertensysteme sollten dagegen auf Wissensbanken aufbauen, die mit ihren Inferenzmaschinen auch zu brauchbaren Entscheidungen
in dieser Welt führen. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zwischen Wissen und Begriffskonstrukten.


Durch die sog. Ontologies wird ein interessantes Phänomen deutlich. Während Computer bereits seit einem halben Jahrhundert
Information auf der Basis der I. bzw Kommunikationstheorie verarbeiten, ohne die begriffliche Bedeutung eines einzigen Wortes
verstanden zu haben (Information darf nicht mit Bedeutung verwechselt werden - Weaver), beginnen die Maschinen nun mit Hilfe der
programmierten Ontologien auch begrifflich zu verstehen, was sie verarbeiten.


Das ist auch der Sinn eines semiotischen Thesaurus, durch die Relation (Hierarchie, Vernetzung etc.) von Benennungen,
deren begriffliche Bedeutung abzubilden - selbstverständlich sehr viel einfacher bzw. primitiver als unser neuronales Netz (Gehrin).


Wichtig ist noch, dass das amerikanische Militär an diesen Entwicklungen sehr interessiert ist, weil man damit nicht mehr wie bisher nur Zeichenketten aus Dateien herausfiltern kann, sondern auch deren Bedeutung. Die Suche nach "Pornographie" oder "Terror" beschränkt sich nicht mehr nur auf die Suche diese Worte.

Außerdem muss diese Entwicklung der Ontologies auch und insbesondere im Zusammenhang mit XML gesehen werden.

MfG

Umstätter

Bernhard Eversberg schrieb:

On 29 Oct 02, at 8:59, Sabine Boltzendahl wrote:



möchte ich nun die Frage an diese Liste geben, an
welchen
Bibliotheken es Projekte gibt oder geben hat, die Ontologien einsetzen,



Alle tun das, und schon immer, denn jede Klassifikation und jeder Thesaurus ist eine Ontologie in dem Sinne, wie die Informatik das momentan definiert (s.u.)


Sie meinen aber wohl Anwendungen, in denen "intelligente" Programme mit dergleichen Konstrukten hantieren sollen.
Der KI-Forschung, die sich diesen Term zu eigen gemacht hat, geht es natuerlich
um die maschinelle Repraesentation z.B. einer Klassifikation, in dem Sinne,
dass die Maschine in gewisser Weise "versteht", was die Begriffe meinen,
was sie umfassen, wie sie voneinander abhaengen und interagieren. Beispiele, in denen solche Dinge versucht werden, sind das Oldenburger Projekt "Gerhard", das Osnabruecker Projekt "OSIRIS" und das Duesseldorfer Projekt "MILOS". Alle haben gemeinsam, dass eine Indexierung nicht streng algorithmisch arbeitet (d.h. ohne irgendein "Verstaendnis" der Inhalte), sondern eine Datenbasis dazu heranzieht und die Inhalte der Katalogdaten mit Hilfe dieses "Wissens" bearbeitet. Diese Datenbasis und die dazugehoerigen Strukturen und Regeln waeren dann die Ontologie. Der Term ist aber so neu, dass die genannten Projekte ihn, soweit ich sehe, noch nicht verwendet haben.


Ein Zitat aus dem Knowledge Systems Laboratory (Stanford):
"An ontology is an explicit specification of some topic. For our purposes, it is a formal and declarative representation which includes the vocabulary
(or names) for referring to the terms in that subject area and the logical statements that describe what the terms are, how they are related to
each other, and how they can or cannot be related to each other. Ontologies therefore provide a vocabulary for representing and communicating
knowledge about some topic and a set of relationships that hold among the terms in that vocabulary. "
http://ontolingua.stanford.edu/doc/frame-editor/what-is-an-ontology.html


Mir scheint dieser recht neue Zweig der Informatik eine Weiterfuehrung dessen zu sein, was vor einiger Zeit als "Expertensysteme" bezeichnet wurde.


Bernhard Eversberg
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