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Re: Kostenverordnungen von Archiven behindern Online-Publizieren



Thomas Argast schrieb in INETBIB:
> 
> Liebe Liste,
> 
> inwieweit die Kostenverordnungen von Archiven (hier am
> Beispiel des Bundesarchivs) das Online-Publizieren
> behindern, möchte ich gerne an einem konkreten Fall
> schildern:
> 
> Im Rahmen einer als Online-Publikation geplanten
> historischen Dissertation wollte ein Autor 2 Reproduktionen
> aus dem Bestand des Bundesarchivs verwenden.
> 
> Das Bundesarchiv wollte vom Autor unter Berufung auf die
> Kostenverordnung (online unter
> http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/b100049f.pdf)
> von ihm für jede Reproduktion 375,- DM - und zwar JÄHRLICH!
> (In der vorliegenden PDF sind noch DM-Gebühren. Die
> Aktuelle Verordnung mit Euro-Gebühren habe ich auf die
> Schnelle nicht gefunden)
> 
> Da eine Disseration vom Ansatz her natürlich dauerhaft
> online zur Verfügung stehen sollte, müßte der Autor nun in
> der Tat jährlich 750,- DM für 2 kleinere Reproduktionen
> zahlen. Das steht in keinem Verhältnis zu den Gebühren für
> eine Druckversion, bei der bei einer Auflage von bis zu
> 3000 Exemplaren lediglich EINMALIG DM 30,- pro Reproduktion
> fällig wären.
> 
> Als Ergebnis hat der Autor selbstverständlich beide
> Reproduktionen aus seiner Arbeit vollständig entfernt. Und
> ob das nun für die Forschung unbedingt von Vorteil ist?
> 

Vielen Dank fuer das instruktive Beispiel. Ich bezweifle natuerlich die
Rechtmaessigkeit und Rechtsgrundlage der Gebuehr, zumal der
Bundesgesetzgeber davon ausging, dass Gebuehren keinen prohibitiven
Charakter haben duerfen (s.u.). Es waere bei ein bisschen Zivilcourage
ohne weiteres moeglich, die Angelegenheit rechtlich zu klaeren. Wenn man
immer klein beigibt, darf man sich wirklich nicht wundern, dass man
immer mehr an solchen Zumutungen geboten bekommt.

Zur vergleichbaren Fallgestaltung in Sachen Reproduktionsgebuehr eines
Archivs (allerdings Pauschalgebuehr fuer eine Seite) siehe die
lesenswerte juristische Ausarbeitung von Frau RA Clausing

http://www.hypernietzsche.org/events/lmu/akten/clausing.html

Auf der Tagung Rechte und Lizenzen des AsKI wurde just heute vormittag
ueber das Thema diskutiert. Bei allem Verstaendnis fuer meine
kulturpolitischen Forderungen sah man in der Diskussion vor allem den
Zwang, Gelder erwirtschaften zu muessen. Meine (wie immer etwas
provokative) Ansicht, also mein heutiges Referat, kann eingesehen werden
unter:

http://www.jurawiki.de/FotoRecht

Ein Teilnehmer der Tagung verwies zutreffenderweise auf das
abgabenrechtliche Kostenueberdeckungsverbot. Man muesste also eine
abgabenrechtliche Betrachtung der im obigen Fall geforderten
oeffentlichrechtlichen Gebuehr vornehmen.

Dazu ein etwas gewaltsam aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat von 1996,
das cum grano salis vielleicht doch in die richtige Richtung weist.

http://userpage.chemie.fu-berlin.de/~maschi/ini/imma.html

"Nach diesem Prinzip [Aequivalenzprinzip] dürfen Gebühren nicht in einem
Mißverhältnis zu der von der Verwaltung zu erbringenden Leistung stehen. 
Nach der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichtes dürfen
"...Gebühren die für die Amtshandlung erforderlichen Kosten nicht
offensichtlich
übersteigen". Wenn das der Fall ist bzw. wenn die Gebühren von
vornherein als zusätzliche Einnahmequelle ausgestaltet sind, dann kommt
nach der herrschenden
Rechtssprechung eine Aufhebung der Gebührenregelung in Betracht.
Besonders sensibel ist die Rechtssprechung dann, wenn Gebühren für
Leistungen erhoben werden, die die Ausübung von Grundrechten - [...] -
betreffen."

Hier waere das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit tangiert.

"Der Kostendeckungsgrundsatz gilt in der Weise, daß die Gebühren 'unter
Berücksichtigung' der Kosten festzusetzen sind...."

Die Amtshandlung des Archivs wiederholt sich ja nicht jedes
Nutzungsjahr, sondern die Genehmigung wird einmal erteilt.

§ 6 BArchG sagt
"Die Gebühren sind unter Berücksichtigung des Benutzungszwecks nach dem
Personal und Sachaufwand, den die Benutzung dem                
Bundesarchiv verursacht, zu bestimmen."

Dazu die amtliche Begruendung, BT-Drucksache 11/498, zit. n. Archivrecht
in BW, S. 196:

"Dabei ist darauf zu achten, daß sich die Gebühren nicht nachteilig auf
die Wahrnehmung der Wissenschafts- und Informationsrechte auswirken".

Die Kostenverordnung liegt mir im Text derzeit browserbedingt nicht vor
http://www.jura.uni-sb.de/BGBl/TEIL1/1997/19972380.1.HTML
, ob dort nicht doch ein Erlass zu wiss. Zwecken moeglich ist, waere zu
pruefen.

Dr. Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/kultjur.htm


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.