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Re: "Fit in der Bibliothek?" - Online-Tutorial der UB Kassel



Lieber Herr Schmettow, liebe Liste

fuer mich hat Ihre Mail auf mehrere aus meiner Sicht wichtige Aspekte
aufmerksam gemacht, die wir, die wir das 'Geschaeft' 8-) Vermittlung
von Informationskompetenz betreiben, immer im Hinterkopf haben
sollten.

On 17 Dec 2002 at 11:11, Martin Schmettow wrote:
> Erklärungen, wie man die vermutlich historisch bedingten Stolperfallen Ihres
> Rechreche- und Ausleihsystems umschifft, als "Informationskompetenz" zu
> bezeichnen ist vielleicht etwas übertrieben

Dies ist ein wirklich ernstzunehmendes Gegenargument gegen jegliche
Aktivitaeten zur Vermittlung von Informationskompetenz: Deren
Vermittlung sei ueberfluessig, stecken wir "information
professionals" unsere Arbeitszeit lieber in die Verbesserung der
Suchsysteme und Benutzeroberflaechen, dann findet auch jeder das, was
er sucht und was er finden will.

Natuerlich greift dieses Argument etwas zu kurz, denn wir sollten
unsere
Kunden ja auch auf die Nutzung externer Datenbanken vorbereiten, auf
die
wir in der Regel wenig Einfluss haben. Informationskompetenz umfasst
ausserdem
ja nicht nur Retrieval- und Navigationsstrategien. Die Faehigkeit
z.B., erhaltene
Informationen zu bewerten, nimmt einem auch das beste, optimal
indexierte und strukturierte Informationssystem mit der einfachsten
Oberflaeche nicht ab.

Dennoch steckt hinter diesem Argument auch eine weitere
interessante Problematik, die folgendes Beispiel erlaeutert: Bisher
war es
fuer unsere Kunden wichtig zu wissen, welcher
Unterschied zwischen einer selbstaendigen Veroeffentlichung, also
einem Buch oder einer Zeitschrift, und einer bibliographisch
unselbstaendigen Veroeffentlichung, also z.B. einem
Zeitschriftenaufsatz, besteht. Je nachdem, wonach er suchte, musste
der Endnutzer eine andere Datenbank auswaehlen: fuer die Recherche
nach einem Buch z.B. den Bibliothekskatalog, der in der Regel keine
Aufsaetze enthaelt, fuer die Recherche nach einem Aufsatz eine
fachspezifische Aufsatz-Datenbank. Bleibt diese Unterscheidung in
Zukunft weiterhin wichtig, wenn wir einheitliche Benutzer-
Oberflaechen haben, in denen Aufsatzdatenbanken, Bibliothekskataloge
u.a. integriert sind und ueber die die Dokumente lokal oder ueber die
Dokumentenlieferung oder sogar zum Kaufen (Integration einer
Datenbank eines Online-Buchhaendlers) bestellt werden koennen
(Schlagworte: seamless integration, one-stop-shopping) ? Welche
Bereiche von Informationskompetenz bleiben angesichts dieser Zukunft
erhalten, welche werden ueberfluessig ? Solche Fragen sind weitgehend
noch kaum diskutiert, geschweige denn geklaert !

> Vermeiden Sie besserwisserischen Ton! Schon die Fragen wirken z.T. etwas
> spitzfindig formuliert.
[...]
> Benutzern Wissen im Umgang mit Ihrem Bibliothekssystem zu vermitteln, sondern
> dass Sie ihm vor Augen führen wollen, wie wenig er darüber weiss und er sich
> deshalb nicht zu wundern braucht, wenn ihm eine erfolgreiche Recherche nicht
> gellingt.

Ich finde, Vermittlung von Informationskompetenz ist eigentlich ein
falscher Begriff fuer das, was wir treiben sollten: Beratung
(Consulting) zur Verbesserung der Informationskompetenz unserer
Kunden. (Daher halte ich z.B. auch den Begriff Schulung aufgrund
seinem Gleichklang mit der of negativ empfundenen Schule 8-) nicht
fuer gluecklich.) Wichtiger als die Erlaeuterung spezifischer Systeme
ist es, inhaltlich mehr Schwerpunkte auf Konzepte und Strategien
legen. Mehr Selbstbeobachtung zulassen sowie die Entwicklung eines
individuellen Informationsstils ermoeglichen ! Jeder nutzt ein
Informationssystem auf eine spezielle, individuelle Weise ! Notwendig
ist die Reflexion ueber den eigenen Lernprozess und dessen
Fortschritte und damit die Hinwendung zum
Individuum. Es ist dabei helfen, seinen eigenen Informationsstil zu
entwickeln (Wie informiere ich mich eigentlich ?).

Ich wuensche mir ein Tutorial bei dem der Kunde lernt, mit
Datenbanken zu spielen, das heisst, diese zu erkunden (wie ist
Boolesches Retrieval implementiert, welche Suchfelder gibt es ?,
welches Wildcard-Symbol kann wie benutzt werden ? usw. Fuer all
diese Fragen ist ein Bewusstsein zu schaffen !). Dies muss jeder
Nutzende einer Datenbank moeglichst spielerisch herausfinden, in
der Praxis passiert dies durch konkrete Fragestellungen, wobei selten
alle Moeglichkeiten bewust sind. Wichtig ist auch der
spielerische Umgang mit Suchbegriffen (Beruecksichtigung von
Synonymen, Quasi-Synonymen, Oberbegriffen, kontrolliertem
Vokabular usw.), wenn man zur Erkundung einer Datenbank mit Quick &
Dirty-Recherchen anfaengt und spaeter sicher sein will,
dass man nicht allzuviel uebersehen hat. Da ich hier das Spielerische
betont habe, erscheint es mir sinnvoll, hier ein Tutorial mit
spielerischem Charakter einzusetzen, da bei elektronische Angeboten
gerade Computerspiele den meisten Zulauf haben (zumindest bei meinen
Kindern 8-) ).

Ob solch ein Tutorial dann wirklich benutzt werden wird, konkret, ob
ein Diplomand oder ein wissenschaftlicher Mitarbeiter sich dann
wirklich die Zeit nimmt, dieses Tutorial durchzu'spielen', bezweifele
ich allerdings manchmal. Es kaeme aber auf einen Versuch an.

Herzliche Gruesse aus dem Norden
T.H.Thomas Hapke, Subject Librarian for Chemical Engineering
University Library, Technical University Hamburg-Harburg
D-21071 Hamburg, Germany
e-mail: hapke _at__ tu-harburg.de, phone: +49 40 42878-3365,
fax: 40 42878-2527
WWW: http://www.tu-harburg.de/b/hapke/




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