[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Ordensbibliotheken: Verscherbeln in Knechtsteden, Schenken in Moenchengladbach



"Rund 9000 wertvolle Bücher aus seiner alten
Bibliothek hat der Franziskaner-Orden jetzt der Stadt
Mönchengladbach geschenkt. Die Bände aus der Zeit vor 1800
sollen in der dortigen Stadtbibliothek restauriert und wissenschaftlich
erforscht werden. Noch sei weitgehend unklar, welche Schätze sich in der
völlig ungeordneten Büchersammlung verbergen, so
 Bibliotheksleiter Guido Weyer. [...] Weyer nennt es einen ?Glücksfall?,
dass hier der Altbestand
einer bedeutenden Bibliothek geschlossen der Nachwelt bewahrt
und nicht Band für Band verkauft werde, wie dies derzeit mit der
Klosterbibliothek von Knechtsteden bei Dormagen geschehe." 

http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/getArticleSZ.php?artikel=artikel1761.php

Zur heutigen FAZ-Meldung, die andere Zahlen nennt:
http://log.netbib.de/archives/m/200301#78593424

Erst Ende Dezember wurde mir der Fall Knechtsteden bekannt:

"Bis auf einen kleinen musealen Bestand soll der Altbestand der
Klosterbibliothek der Spiritaner in Knechtsteden verkauft werden. Zum
Tag des offenen Denkmals
2001 hatte es noch geheissen: 'In Knechtsteden durften die Besucher
einen Blick in die alte Bibliothek werfen, die zum ersten Mal wieder der
Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wurde. Die rund 80.000 Bände sollen demnächst
sortiert und wieder für wissenschaftliche Zwecke nutzbar gemacht werden'
(Delrather Pressespiegel). Einmal mehr werden wertvolle Altbestände
undokumentiert aus der Hand gegeben! Auch wenn es sich nicht um eine
Klosterbibliothek
des Ancien Regime handelt, sollte eine Mitgliedsinstitution der AKThB
anders mit ihrem historischen Erbe umgehen."
http://log.netbib.de/archives/m/200212#78593228 (2 Kommentare)

Das Angebot des Spiritaner-Antiquariats ist durchaus bezeichnend:
http://spiritaner.de/antiquariat/antiquariat.html

Zitat: "Sie haben schon ein Buch, vielleicht sogar mehrere? Macht
nichts - Sie müssen es ja nicht lesen, wir haben auch
Dekorationsbücher für Geschäftsräume und Restaurants."

Schon Ende 2001 wurde der Ausverkauf in der lokalen Presse registriert:

http://www.ngz-online.de/ngz/news/dormagen/2001-1222/buch.html

Aus der USB Koeln war dazu nur zu erfahren, dass die Dekanatsbibliothek
Rosellen, ein Depositum, vom Verkauf nicht betroffen ist, sondern
geschlossen erhalten bleibt.

Reinhard Feldmann hat 1989 fuer das Handbuch der histor. Buchbestaende
in Deutschland 3, 1992, S. 220-222 den Altbestand der "Bibliothek des
Missionshauses Knechtsteden" gewuerdigt (200 Titel aus dem 16. Jh., 280
aus dem 17., 920 aus dem 18. und 5700 aus dem 19.). Er schreibt, dass
sie vor allem durch Schenkungen und Nachlaesse vermehrt wurde, im
Klammern steht dabei "Vorbesitzereintraege". Durch die undokumentierte
Zerstreuung  wird einmal mehr bibliotheksgeschichtliches Quellenmaterial
der Forschung entzogen, naemlich die Rekonstruktion der in die
Bibliothek eingeflossenen einzelnen Sammlungen, die moeglicherweise ja
aufschlussreiche Dokumente der Geistesgeschichte darstellen. Dass ein
eigener Mitarbeiter, der aus der Wirtschaft, nicht aber aus dem
Bibliothekswesen kommt, fuer die Liquidierung als "Bibliothekar"
eingestellt wurde, spricht schon fuer sich.

Da dieses Vorgehen sicher nicht im Einklang mit der Nauroder Erklaerung
der Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Theologischer Bibliotheken (AKThB)
steht, habe ich am 29.12.2002 den Vorstand per Mail um eine
Stellungnahme gebeten. Diese ist mir ebensowenig wie eine
Eingangsbestaetigung zuteil geworden.

Der anderweitig erhaltenen Mitteilung, die Verkaeufe seien inzwischen
gestoppt, konnte ich noch nicht nachgehen. Ob ein gravierender Verlust
schuetzenswerter Buchbestaende vorliegt, kann ich derzeit mangels
naeherer Informationen nicht beurteilen, aber was aus den
veroeffentlichten Fakten hervorgeht, stimmt wieder einmal sehr unfroh.

Dr. Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.