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Re: Urheberrecht



Klaus Graf wrote:
> 
> Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bibliotheken
> effizient im digitalen Raum fuer ein
> verbraucherfreundliches Urheberrecht kaempfen. Woran es
> u.a. fehlt, habe ich in Netbib
> 
> http://log.netbib.de/archives/m/200304#78594249
> 
> formuliert.
> 
> Klaus Graf

Lieber Herr Graf,

der äußere Eindruck täuscht. Ich habe Verständnis dafür, daß sich die
zuständigen Verbandsvertreter derzeit nur selten auf Inetbib äußern. 
Sie sind voll mit Terminen eingedeckt, um auf diversen Tagungen die
Position der Bibliotheken darzustellen. Und um der Anzeigenkampagne zu 
52 a mit gleicher Münze zu begegnen, fehlt einfach das Geld - und der
Wille, es in Scheingefechten solcher Art zu vergeuden. Und ob der
"Kampf" im "digitalen Raum" entschieden wird, wage ich zu bezweifeln. 
(Ich konnte lediglich versuchen, meinen bescheidenen Beitrag zur
Information via Inetbib zu leisten.) Effiziente Lobbyarbeit der
Verbandsvertreter findet aber weitgehend hinter den Kulissen statt, im
Rahmen von persönlichen Gesprächen mit Abgeordneten und Vertretern 
anderer Verbände. Und die Allianzen werden durchaus geschmiedet: es ist
kein Zufall, daß die HRK noch einmal dezidiert an die Hochschulrektoren
geschrieben und sich auch öffentlich geäußert hat. Hans-Olaf Henkel,
parteipolitisch unabhängiger und streitbarer Ex-BDI-Chef und seit Mitte
2001 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft (einer der vier großen
Wissenschaftsorganisationen in Deutschland) hat sich gegenüber dem
Bundesjustizministerium dezidiert für die Beibehaltung von § 52 a
ausgesprochen und die Kampagne der Verleger zurückgewiesen. Die
Stellungnahme der Bibliotheksverbände wurde auch vom Hochschulverband 
für Informationswissenschaft mit unterzeichnet. Die IuK-Kommission der
Fachgesellschaften hat sich geäußert. Und schließlich ist es ein 
absoluter Glücksfall, daß wir mit Frau Dr Beger, deren Doppelfunktion 
als Vorsitzende der Rechtskommission des dbv und als Präsidentin der
Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und 
Informationspraxis ein besonders glücklicher Umstand ist und viele Wege
ebnet, eine anerkannte höchst kompetente und eloquente Anwältin für die
Anliegen der Bibliotheken und ihrer Nutzer haben. Aber nicht nur 
Anwältin, sondern auch Mittlerin. Die Art, wie sie in der Öffentlichkeit
(gerade gestern wieder in Stuttgart) auf die (ja nicht in allen Punkten
unberechtigten) Bedenken der anderen Seite argumentativ und 
appellierend eingeht, ist einfach entwaffnend, und es zeigt auch 
Wirkung. Die Front bröckelt schon. 

P.S.: Das Institut für Urheber und Medienrecht nimmt Hinweise auf 
fehlende Stellungnahmen gerne entgegen und baut sie auch umgehend ein. 

Aktuelle News auf urheberrecht.org:

08.04.2003; 20:52 Uhr 
Urheberrechtsreform geht in entscheidende Runde Spannung vor Sitzung 
des Rechtsausschusses. 
Die Umsetzung der EU-Urheberrechts-RL in deutsches Recht geht in die
entscheidende Runde. Am 9.4.2003 findet in Berlin die lang erwartete
Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages statt, in der
nochmals über den von der Bundesregierung ... 
http://www.urheberrecht.org/news/?id=1227&w=&p=1

In ihrem Feuilleton berichtet dfie Neue Zürcher heute über die
Urheberrechtsreform:

9. April 2003, 02:10, Neue Zürcher Zeitung

Die Angst vor digitalem Bücherklau 
Neues Urheberrecht entzweit deutsche Verlage und Regierung 

"Sage niemand, die deutschen Fach- und Wissenschaftsverlage verständen
sich nicht auf Propaganda. Mit grossen Zeitungsanzeigen machen sie
Stimmung. Anklagend heisst es da: «Stellen Sie sich vor, Sie schreiben 
ein Buch und der Staat nimmt es Ihnen einfach weg.» Ein Staat, der
Eigentum wegnimmt? So eine Drohung greift gleichermassen an Herz und
Geldbeutel und mahnt an die unselige Vergesellschaftungspraxis
verblichener staatssozialistischer Systeme. ... 

Der Schluss verdient auch noch zitiert zu werden:

Sodann sind die schamlosen Preissteigerungen bei wissenschaftlichen
Zeitschriften bekannt, mit denen vor allem die grossen medizin- und
naturwissenschaftlichen Verlage seit Jahren die Etats der Bibliotheken
strapazieren. Diese schwarzen Schafe haben am Zerrbild mitgewirkt, das 
von der angeblich parasitären Natur der Wissenschaftsverlage im Umlauf 
ist und das nun der Regierung die Skrupel nehmen mag, wenn sie mittels 
§ 52a digitale Zugriffe auf geschützte Inhalte erleichtert. Für
herzergreifende Propaganda ist es zu spät.

[mehr unter:
http://www.nzz.ch/2003/04/09/fe/page-article8SBFJ.html]

-- 
Bernd-Christoph Kaemper, Dipl.-Physiker, Bibl.-Rat
Fachreferent für Physik und Koordination elektronischer Ressourcen
Universitätsbibliothek Stuttgart, Postfach 104941, 70043 Stuttgart
Tel +49 711 685-4780, Fax +49 711 685-3502, kaemper _at__ ub.uni-stuttgart.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.