[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

AW: Gibt es ein Copyright fuer Metadaten?



Liebe Frau Bauer,
das Copyright bei Datenkollektionen von Titeldaten begründet sich nicht aus
der Anwendung eines bestimmten Regelwerkes per se, sondern aus der
"wesentlichen Investition", die in einen Bibliothekskatalog als datenbank
gesteckt wird. Ich zitiere Harald Müller aus dem (noch) zugänglichen
http://www.dbi-berlin.de/dbi_ber/recht/muller.htm :

"Datenbanken gemäß § 87 a Abs. 1 UrhG. Bei ihnen muß als Voraussetzung
erfüllt sein, daß die "Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der
Elemente eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert" (§ 87
a Abs. 1 UrhG). Das Gesetz sieht sie zwar als nicht so hochwertig an [wie
DatenbankWERKE, T.W.], billigt ihnen jedoch gleichwohl einen
urheberrechtlichen Schutz zu, der auch als "sui generis"- Recht bezeichnet
wird. Datenbanken werden also wegen des in ihnen verkörperten
wirtschaftlichen Wertes urheberrechtlich geschützt.
[...]
Bibliothekskataloge, Fahrpläne und Telephonverzeichnisse stellen typische
Beispiele für Datenbanken dar. Sie unterfallen auf jeden Fall der Definition
des § 87 a Abs. 1 UrhG, da ihre Zusammenstellung eine wesentliche
Investition erfordert. Die Auswahl der in ihnen enthaltenen Einzeldaten
erfolgt willkürlich, ohne ein intellektuelles Grundmuster. Es werden
schlichtweg alle verfügbaren Daten erfaßt, gespeichert und wiedergegeben"

Die Investitionen in einen Bibliotheks-/Verbundkatalog (Personal,
Sachmittel, Aufbau und Pflege der Regelwerke, spezielle Software etc)
erfüllen sicher klar die Voraussetzungen einer Datenbank. Die Nutzung
"unwesentlicher Teile" einer Datenbank (also z.B. eines einzigen
Katalogeintrags) ist nach § 87e UrhG in jedem Fall zulässig. Hierzu wieder
H.Müller:

"Vervielfältigung eines unwesentlichen Teils.
Aus § 87 e UrhG ergibt sich die Erkenntnis, daß die Vervielfältigung
unwesentlicher Teile einer Datenbank vertraglich nicht verboten werden darf.
[...] Ansonsten trifft das Gesetz keinerlei weitere Bestimmungen über das
Vervielfältigen unwesentlicher Teile einer Datenbank. Daraus kann
logischerweise nur geschlossen werden, daß das Kopieren von unwesentlichen
Teilen nach dem Willen des Gesetzgebers vollkommen frei erfolgen kann."

Aber selbst "wesentliche Teile" einer Datenbank können nach § 87c UrhG unter
bestimmten Voraussetzungen (wissenschaftlicher u. hoheitlicher Gebrauch)
z.B. kopiert werden. Was das Gesetz nicht genau klärt, ist, was ein
wesentlicher Teil und was ein unwesentlicher Teil einer Datenbank ist. 
Die Verwendung der Daten zu Forschungszwecken sollte i.d.R. den Tatbestand
des wissenschaftlichen Gebrauchs erfüllen.

Soweit einige erste Überlegungen zu Ihrer Anfrage. Beste Grüße aus Frankfurt
und ein schönes Wochenende,
Th.Wollschläger
______________________________________________

Thomas Wollschläger
Die Deutsche Bibliothek
Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main
Koordinierungsstelle DissOnline
Adickesallee 1
D-60322 Frankfurt am Main
Telefon: +49-69-1525-1757
mailto:wollschlaeger _at__ dbf.ddb.de
http://www.ddb.de




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Bettina Bauer [mailto:bauerba _at__ IMS.Uni-Stuttgart.DE]
Gesendet: Freitag, 20. Juni 2003 12:13
An: INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de
Betreff: Gibt es ein Copyright fuer Metadaten?

Liebe Liste,

das Internet bietet zahlreiche Moeglichkeiten bibliographische Daten
zu extrahieren. In welchem Umfang ist dies aber erlaubt? Unterliegt
eine einzelne Titelaufnahme dem Copyright? Tut sie es wenn
Sacherschliessungsinformation beigegeben ist? Ist der Titel als Text
geschuetzt? Dass er in seiner Funktion als Titel in einem gewissen
Masse geschuetzt ist, ist mir klar. Dass er innerhalb einer
bibliographischen Beschreibung veroeffentlicht werden kann ist mir
auch klar, sonst koennte er seine Funktion als Metatext ja nicht
wahrnehmen. Kann er jedoch aus der bibliographischen Beschreibung
herausgeloest verwendet werden, oder leistet die bibliographische
Beschreibung das, was sonst eine Zitierung leisten wuerde? Die
geistige Urheberschaft ist ja durch die Autorenangabe angegeben,
wiewohl gerade der Buchtitel haeufig nicht vom Autor formuliert wird.
Was begr"undet ein Copyright bei Datenkollektionen? - die Anwendung
eines Regelwerkes zur Formalerschliessung? - eines
Sacherschliessungsinstruments? - der Einsatz eines Retrievalsystems?
Die Anwendung eines Regelwerks sollte doch zumindest in der
Formalerschliessung zu identischen Ergebnissen f"uhren, kann dann beim
einzelnen Datensatz von Urheberschaft gesprochen werden?
Was ist also gemeint wenn eine Bibliothek wie z. B. die TIB einer
Liste von Rechercheergebnissen, die man sich per email zuschicken
lassen kann mit dem Vermerk: ''Diese Daten sind
urheberrechtlich geschuetzt. Sie duerfen Dritten in keiner Form
zur Verfuegung gestellt werden.'' versieht?
Wie ist es mit einer Verwendung der Daten zu Forschungszwecken?
Eine Suche in Rechtskommentaren hat mich leider nicht schlauer
gemacht. Vielleicht kann mir die Liste ja weiterhelfen.

Gruss,
Bettina Bauer


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.