[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Was ist eine virtuelle Bibliothek?



Sehr geehrter Herr Kollege Binder.

Sie schreiben:

> Der Begriff "virtuelle Bibliothek" betont gegenueber den
> Bezeichnungen "elektronische Bibliothek" / "digitale Bibliothek"
> (s.u.) lediglich den Aspekt verteilter Ressourcen.

diese Unterscheidung kann ich nicht nachvollziehen, auch wenn ich sie
wiederholt lese.
Sie scheint mir (wohl ebenso wie Ihnen) nicht besonders vernünftig:

>  In dem Masse, in
> dem verteilte Datenbankkonzepte mehr und mehr eine
> Selbstverstaendlichkeit werden, wird es entbehrlich, durch die Wahl
> der Bezeichnung darauf besonders hinzuweisen.

Seit rund hundert Jahren haben Bibliotheken verteilte Ressourcen, und seit
etwa 25 Jahren
(Einführung des Onlien-Retrievals in Bibliotheken) auch auf elektronischer
Ebene.

Auch wenn ich von dem etwas abwegigen Gedanken (virtuell ist ein Modebegriff
den jeder, der "inn" sein will auch benutzt) schon Kenntnis nehmen durfte,
so scheint mir die
Assoziation von preussisch Koeniglicher Bibliothek und virtueller Bibliothek
nicht
nur idealisiert sondern hochgradig abwegig.

> (Historische Parallele: Im gleichen Sinne wurde schon das System der
> preussischen Bibliotheken bestehend aus Koeniglicher Bibliothek und
> etlichen Universitaetsbibliotheken als "virtuelle" Bibliothek
> idealisiert, die durch den Preussischen Gesamtkatag erschlossen
> wurde.)

Ich stimme mit Ihnen überein, daß der Begriff "digitale Bibliothek" eher
evolutionär als revolutionär ersetz wurde.

> >> "elektronische Bibliothek" vs. "digitale Bibliothek" <<
>
> Der Begriff "elektronische Bibliothek" wurde - nicht abrupt, sondern
> kontinuierlich - durch den Begriff "digitale Bibliothek" verdraengt,
> als die Phase der Prophezeiungen, Spekulationen und Pilotprojekte
> etwa seit 1994/1995 in die Realisierungsphase ueberging. Der neue
> Begriff war eine Praezisierung, nachdem offenkundig war, dass nicht-
> digitale elektronische Informationen praktisch keine Rolle spielen.
> Ein Motiv war dabei sicher auch, den Ballast qualifizierter und
> weniger qualifizierter Diskussionen und Assoziationen abzuwerfen, der
> sich mit dem Begriff "elektronische Bibliothek" verband. Der
> Sprachgebrauch geht dahin, diesen Terminus nur noch dann zu benutzen,
> wenn grundlegende Aspekte elektronischer Vefuegbarkeit angesprochen
> werden oder nicht-digitale elektronische Formen ausdruecklich
> eingeschlossen werden sollen.

Der Grund war aber der, dass es in den achtziger Jahren zunehmend Bücher
gab, in denen die elektronische Bibliothek als eine automatisierte
Bibliothek
beschrieben worden war. Das wurde den neuen multimedialen Gegebenheiten
immer weniger gerecht. Damit tauchte der Begriff Virtuelle Bibliothek auf,
in der
die klassische Bibliothek multimedial abgebildet werden konnte.

> >> Was macht eine "digitale Bibliothek" aus? <<
>
> 1. Eine digitale Bibliothek ist eine Sammlung digitaler
> Informationsobjekte.

Dabei ist meine Frage, die in der allgemeinen Diskussion meist völlig
übergangen wird,
sind in der Digitalen Bibliothek auch digitale Informationsobjekte
eingeschlossen,
die parallel zur elektronischen Form auch gedruckt in der Bibliothek
vorliege?
Oder soll die Digitale Bibliothek neuerdings alle Ausgabeformen auf Papier
ausschließen?

> 2. Eine digitale Bibliothek beinhaltet i.d.R. Meatadaten und ggf.
> "Metastrukturen". Letztere sind Relationen zwischen den
> Informationsobjekten und/oder den Metadaten.

Abgesehen davon, dass das Praefix Meta nicht problemlos ist, wuesste ich
nicht zu sagen,
warum eine Digitale Bibliothek immer Metadaten haben muss, und ob
elektronische oder
virtuelle Bibliotheken keine Metadaten bzw. Metastrukturen haben. Ich habe
Ihr "i.d.R.

natürlich nicht überlesen und gebe Ihnen damit durchaus recht. Trotzdem
scheint mir diese
Ergänzung hier wichtig.

> >> Sind Link-Sammlungen virtuelle Bibliotheken? <<
>
> Wenn die Links auf Dokumente verweisen, die die Benutzer letztlich
> nutzen moechten, ist diese Frage zu bejahen:

Der Punkt, dass "die Links auf Dokumente verweisen" scheint mir wichtig.
Hier sollten wir klar
unterscheiden zwischen einem virtuellen Katalog und einer virtuellen
Bibliothek.
Der Begriff Virtuelle Bibliothek muss zwei Anforderungen gerecht werden:
Erstens dem Begriff
Virtuell und zweitens dem Begriff Bibliothek. Darum erscheint es mir auch so
wichtig, dass wir
klar definieren was eine Bibliothek ist:
"Die Bibliothek ist eine Einrichtung, die unter archivarischen, ökonomischen
und synoptischen
Gesichtspunkten publizierte Information für die Benutzer sammelt, ordnet und
verfügbar macht.

Es ist sicher nicht mehr der Ort an dem man Bücher sammelt.
Es ist aber ebenso sicher keine Linksammlung auf andere Bibliothek.

Ihr Hinweis auf
> Qualitaet und Umfang

und auf  ueberdurchschnittliche Anforderungen, wie Sie sagen, ist bei
professioneller Arbeit der Bibliotheken
sicher richtig. Ihr Vorschlag (bzw. der von Herrn Wolf), nur den Begriff
Bibliothek zu verwenden, wird aber
der differenzierten Sachlage, in der sich das Bibliothekswesen seit langem
befindet (Spezialbibliothek,
Öffentliche Bibliothek, ...) nicht gerecht, und dies bestätigen Sie im
Folgesatz ja auch.

> Ich sympathisiere mit dem Vorschlag von Herrn Wolf, die schlichte
> Bezeichnung "Bibliothek" zu verwenden. Das Problem ist, dass sich
> deren elektronischer Teil meist nicht auf den Standort der
> physischen Bibliothek reduzieren laesst.

Die Bezeichnung "Verbundbibliothek NRW" ist eine Aussage über eine
Verbundarbeit und sicher ein wichtiges Teil einer modernen Digitalen
Bibliothek, es ist aber keine Aussage darüber ob sie rein virtuell oder ob
sie nur elektronisch ist, denn gerade auf die Verbundarbeit war man schon
bei der Elektronischen Bibliothek sehr stolz.


MfG

Umstaetter




Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.