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UB Muenster behindert Forschung ueber Adelsbibliotheken



Dass nicht wenige westfaelische Adelsfamilien Eigentuemer wertvoller
mittelalterlicher Handschriften sind, ist bekannt. Im letzten Jahr
erschien in der Reihe der Schriften der Universitaets- und
Landesbibliothek Muenster (Bd. 18) die folgende Publikation:

Handschriftencensus Westfalen, bearb. von Ulrich Hinz, Wiesbaden 1999

In ihr sind in zwei Anhaengen (1 und 3) in Privatbesitz befindliche Hss.
ohne Provenienz aufgefuehrt, die der Autopsie zur Verfuegung standen
(Anhang 1) oder der Forschung bereits bekannt waren (Anhang 3).
Insgesamt wurden 132 Hss. in Privatbesitz mit 17 Verwahrorten ermittelt
(S. XVII). Die Einsichtnahme in die Konkordanz der Nummern mit den
Standorten und Auskuenfte zu den Hss. beduerfen der Zustimmung des
Eigentuemers.

Dass noch nicht einmal die einzelnen Provenienzen getrennt wurden
(selbst bei Auktionskatalogen ist ein Einliefererverzeichnis ueblich)
und Besitzeintraege unterdrueckt wurden, die den heutigen Verwahrort
oder den Familiennamen des Eigentuemers nennen, stellt eine nicht
akzeptable Behinderung der Forschung und insbesondere
provenienzgeschichtlicher Fragestellungen dar. Aus der angegebenen
Literatur - also allgemeinzugaenglichen Quellen im Sinne des
Datenschutzrechtes - kann man ohnehin in den meisten Faellen ersehen, um
welche Sammlung es sich handelt. Die UB Muenster macht sich somit zum
Komplizen der Eigentuemer, die ihr Kulturgut der wissenschaftlichen
Forschung nach Gutduenken zugaenglich machen oder ganz entziehen (die
Faelle des Anhang 3!) und ggf. sich auch nicht scheuen, es unter der
Hand oder auf Auktionen zu verkaufen. Erinnert sei nur an die
Schlossbibliothek Gevelinghausen: Am 16. Mai 1998 versteigerte H. Th.
Wenner in Osnabrueck die
erhaltenswerte Bibliothek des Schloßes Gevelinghausen (Kreis Meschede),
das seit 1796 im Besitz der Familie von Wendt war. "Die Bibliothek, die
wir in dieser Auktion unter der Besitzernummer (595) anbieten", heißt es
im Katalog Nr. 27, S. 7, "wiederspiegelt die historischen und
wirtschaftlichen Interessen einer westfaelischen Adelsfamilie im Wandel
mehrerer Generationen bis etwa 1880. Alte Chroniken, topographische,
juristische Werke, Genealogien sind ebenso vertreten wie seltene
Westfalica oder alte Lehrbuecher des 18. und 19. Jahrhunderts".

Einmal mehr zeigt sich, wie weit wir von einem modernen Kulturgutrecht
entfernt ist, dass der Zugaenglichkeit des Kulturguts jene Bedeutung
zumisst, die ihr zukommt: Kulturgut wird erhalten, damit es zugaenglich
ist!

Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.