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Re: Symposion zum Informationsbegriff



Sehr geehrter Kollege Eversberg,

Sie schrieben:
> Homonyme haben es an sich, dass sie keine "eigentliche" Bedeutung haben.
Aber
> genau genommen hat gar kein Wort eine eigentliche Bedeutung, weil zwischen
> Wort und "Ding an sich" eine unueberbrueckbare Kluft klafft (huch, wie
sich das
> anhoert!).
> Somit ist jeder Streit um Worte in der Tat muessig. Das Symposion kann
> also ganz entspannt philosophieren: man steht nicht unter dem
Erfolgsdruck,
> eine Definition zu finden, die jedem zusagt.

Eine Definition muss nicht jedem zusagen, sie kann aber trotzdem falsch oder
richtig sein, im Sinne dessen, dass sie im Rahmen einer Hypothese zu
richtigen (dann wird die Hypothese zur Theorie) oder falschen Schlüssen
führt. Wenn ich die Bedeutung der Warnung: "Vorsicht Starkstrom" nicht im
Sinne derer verstehe, die sie angebracht haben, sondern meine darin baden
gehen zu können, sind die Folgen klar. Die Definition von Starkstrom prägt
sich damit rascher ein, als die der Information. Wenn mir ein Händler ein
Buch zum zweiten mal verkaufen will und behauptet, dies sei Information,
dann handelt er zwar ahnungslos oder betrügerisch, es hat aber keine so
deutlich sichtbaren Folgen. Volkswirtschaftlich gesehen aber sehr viel
weitreichendere.

Worte sind Namen für Begriffe (sog. Benennungen, diese können auch
hierarchisch verschlüsselt werden, dann sprechen wir allgemeiner von
Bezeichnungen), und Begriffe sind Vorstellungen die wir von den Dingen
haben. Diese Vorstellungen stimmen mit der Realität nur begrenzt überein.
Darum ist es ein wichtiges Charakteristikum bestimmter Definitionen, die
Unschärfe eines Begriffs in die passenden Worte zu fassen ( Ewert, G. und
Umstätter, W.: Die Definition der Bibliothek. Bibliotheksdienst 33 (6) S.
957-971  (1999)). Falsche Vorstellungen können aber nicht nur bei bestimmten
Strömungen verheerende Folgen haben, sondern auch bei Stagnationen im
Bibliothekswesen - wie Sie wissen.

Die sog. "Dinge" gewinnen nun im Object Oriented Programming auch für
Computer eine Bedeutung, weil die von Ihnen angesprochene Kluft durchaus
überbrückbar ist, und zwar über die semiotischen Thesauri. Sie bilden die
Voraussetzung, dass den Objekten in der Semantik (auf der Senderseite)
Bezeichnungen zugeordnet werden, die in der Pragmatik (im Sinne der
Semiotik, auf der Empfängerseite) wieder entsprechend rekonstruierbar sind.
Die Informationstheorie hat diese beiden Seiten absichtlich ausgeklammert
und beschäftigt sich nur mit dem Bindeglied dazwischen, der syntaktischen
Übertragung der Zeichen vom Sender zum Empfänger.

Um Worte kann man nicht nur trefflich streiten, man muss es sogar tun, wenn
man wirklich kommunizieren und ein Problem gemeinsam lösen will, und dass
ist die Aufgabe der sog. Big Science, in der wir heute leben.

MfG

Umstätter




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