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Re: AW: [Inetbib] Informationsmanagement in der eigenen Profession



Lieber Herr Schaarwaechter, Sie irren !

Die von Google indexierte Datenmenge ist weniger vielschichtig als
ein typischer Bibliothekskatalog, und die in Google "unsichtbar"
eingeflossene menschliche Arbeit ist pro Dateneintrag sehr viel
umfangreicher, als was wir fuer unsere Kataloge tun; die indexierte
Datenmenge ist, wenn man jedes Byte als gleichwertig zaehlt zwar viel
groesser, aber fuer den Benutzer ist eben nicht jedes Byte von
gleichem Wert (d.h. "groesser" ist kein Vergleichskriterium, solange
man nicht vom Benutzer aus definiert, welche Wertigkeit den einzelnen
Daten zukommt. Und eben das ist mehr oder weniger unmoeglich).

Ansonsten gebe ich Ihnen allerdings voellig recht, und meine oben
angesprochenen Verbesserungen unterstuetzen auch Ihren eigentlich
geaeusserten Gedanken: Vereinfachungen, Verzicht auf unnoetige
Komplexitaeten, wuerden die Moeglichkeit bieten, in endlicher Zeit
vorzeigbare Ergebnisse zu erreichen.

Mit freundlichen Gruessen,

Meinhard Niebuer

PS:
Verdeutlichungen:
- "unsichtbar eingeflossene menschliche Arbeit"  Google selbst ist
ein automatisches System, das von wenigen Axiomen ausgehend die im
Internet vorgefundenen Linkstrukturen auswertet und davon ausgehend
die Relevanz eines Hits bestimmt. Die Arbeit von JEDEM, der einmal im
Internet einen Link erzeugt hat, geht also in das Google-System ein.
Die Masse machts, die Anzahl der am Internet werkelnden Publikatoren
ist doch etwas groesser als die Anzahl aller deutschen
Titelaufnehmer. Im uebrigen stehen unter den Axiomen die groesseren
der allein auf menschlicher Arbeit beruhenden Webkataloge (Yahoo
etc.), um ueberhaupt einen Anhaltspunkt zu finden. Ohne deren
Praeexistenz waere Google nutzlos.
- "weniger vielschichtig": Das Datenobjekt des Internet ist eine
Hypertextseite, sie hat fuer eine Suchmaschine keinerlei Innere
Struktur, nur Text. In der Naehe eines getroffenen Hits angezeigter
Kontext zeigt dem Benutzer etwas, was er/sie selbst fuer seine
intelligente Relevanzbewertung verwendet, sonst wuerden wir diese
Strukturlosigkeit bei jedem Suchprozess aeusserst schmerzlich zu
spueren bekommen.
Die in Hypertextseiten enthaltenen Links tragen nicht zur
Komplexitaet des indizierten Datenobjekts bei, da sie nicht zur
Indexierung oder Einordnung einer Seite verwendet werden koennen.
Selbst fuer Google, welche das Internet etwas anders sieht, stimmt
das: dort sind die Links der anderen Seiten interessant zur
Relevanzbewertung einer Seite (jedoch nicht die Links, die in der
gerade untersuchten Seite stehen, also ist auch fuer Google das
Internet-Datenobjekt einschichtig, q.e.d.).

Ganz im Gegensatz dazu steht ein in vielfaeltige Kategorien
eingeteilter Eintrag in ein beliebiges Bibliothekssystem, das ist
eine sehr komplexe Sache, wie sie ja selbst ganz richtig beklagt
haben.


From:           	Michael.Schaarwaechter _at__ UB.Uni-Dortmund.de
To:             	Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>
Subject:        	Re: AW: [Inetbib] Informationsmanagement in der eigenen Profession
Date sent:      	Fri, 10 Aug 2001 16:37:23 +0200
Send reply to:  	Internet in Bibliotheken <INETBIB _at__ ub.uni-dortmund.de>
Organization:   	University of Dortmund, Library

> > in der Tat, nein. Aber aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass
> > gemischte Abteilungen (IT-Fachleute und
> > Bibliothekarinnen/Bibliothekare), wie man das z.B. hier an der UB in der
> > EDV-Abteilung antrifft, besser in der Lage sind, benutzerorientierte
> > Dienste zu entwickeln oder an die Praxis anzugleichen, als die geballte
> > IT-Intelligenz eines Rechenzentrums, die sich als peer-group immer
> > selbst die Bestätigung gibt, dass sie das Maß der Dinge ist. ... Jürgen
> > Plieninger
>
> Da haben wir wieder das alte Problem: Die DV-Leute verstehen die
> Anwender (hier: Bibliotheksleute) bzw deren Anforderungen nicht und die
> Anwender verstehen die DV(-Leute) nicht. Es ist wirklich nichts
> aussergewoehnliches in der DV, dass man sich mit der Materie, fuer die man
> arbeitet, auseinandersetzen muss. So muss jemand, der ein System fuer das
> Rechnungswesen einrichtet/betreut, sich auch rudimentaer mit dem
> Rechnungswesen auskennen. Andererseits muss der Anwender mit der DV so
> vertraut sein, dass er die Zusammenhaenge versteht und weiss, "was geht
> und was nicht geht".
>
> Und noch ein Problem: Die Anwender sind oft mehrerer ehemalig wichtiger
> Methoden verhaftet. So werden an die DV-Systeme heute immer noch
> Anforderungen gestellt, die eigentlich nur fuer Zettelkataloge zutreffen.
>
> Um die Sache auf die Spitze zu treiben, ist nicht nur die Thematik eines
> Bibliotheksstemes sehr komplex (und muss zusaetzlich zu den ganzen anderen
> Systemen, die es in Bibliotheken so gibt, von den DV'lern verstanden
> werden) sondern sie ist auch noch von Bibliothek zu Bibliothek
> unterschiedlich. Al(b/p)traum. Wie soll irgendeine Firma ein hochkomplexes
> DV-System fuer Bibliotheken herstellen und in nennenswerter Anzahl
> verkaufen, wenn sich nicht die Bibliotheken mit ihren hochkomplexen Themen
> auf einen Standard einigen koennen? Hier braucht's eine zusaetzliche
> Mediennummer, da reicht eine Signatur. Hier haben wir eine
> Verbund-Katalog-Nummer fuer jedes Medium, dort haben wir zusaetzlich eine
> Bibliothekssystem-interne Nummer, weil die anderen einfach nicht eindeutig
> sind. Ruckzuck hat ein Buch 5 Nummern, die in unterschiedlichen Systemen
> (die alle Daten miteinander austauschen sollen) unterschiedlich behandelt
> werden oder unter den Tisch fallen. Ganz zu schweigen von einer Vielzahl
> von Kategorien - keine Mensch versteht, warum man so viele braucht, um
> Buecher eindeutig zu katalogisieren. Da hoerten wir in Bielefeld auf dem
> Bibliothekartag von Herrn Seiffert (HBZ Koeln), dass von allen diesen
> Kategorien sehr viele gar nicht verwendet werden. Manche nur aeussert
> selten oder nie. Siehe
> http://www.florian-seiffert.de/2001/Bielefeld/index.html Da fragt sich
> doch der effizient arbeitende Mensch, warum hier fuer wenige der Daten
> ueberproportional viel Arbeit investiert wird. Und zwar sowohl von der DV
> als auch von den bibliothekarisch gebildeten Personen. Auf jeden Fall
> stammt hierher der Konflikt, den meine Vorredner geschildert haben. Die
> Leute, die sich hier mit beidem (DV und Bibliothekarischem) auskennen,
> sind zu rar gesaeht. Das liegt (auch) an der Komplexitaet der
> beiderseitigen Thematik.
>
> Es wird tagelang, ach was, jahrelang ueber das Erscheinungsbild eines
> idealen Opacs geredet und der gemeine Benutzer versteht noch nicht mal das
> Wort "Koerperschaft". Geschweige denn den Unterschied zwischen Schlagwort
> und Stichwort. Betrachten wir doch mal Google: Bei einer wesentlich
> vielschichtigeren und groesseren Datenmenge liefert diese Suchmaschine in
> den meisten Faellen mit einem (!!!) Suchfeld befriedigende Ergebnisse.
> Richtig: "Befriedigend". Ich denke, die 100%ige Penibilitaet der
> Bibliotheken koennen wir uns nicht mehr leisten - es sind Loesungen
> gefragt, die schneller und besser daherkommen als die never ending storys,
> die wegen des hohen Anspruches nie fertig werden und daher den
> Benutzern/Kunden/Geldgebern (Steuerzahlern!) weniger bieten als eigentlich
> moeglich. Bitte nicht missverstehen: Ich moechte nicht Google als
> Bibl.-Katalog einsetzen. Aber _aequivalent_ einfache Loesungen - das
> waer's doch.
>
> Was ist die Essenz dieser sehr langen Mail? Kein Patentrezept aber
> vielleicht die Idee einer leichten Umorientierung. Und, dass ich mir mal
> meine Gedanken zu diesem Thema von der Seele geredet habe. ;-)
>
> Ich wuensche ein schoenes Wochenende!
> Mit freundlichen Gruessen,
> Michael Schaarwaechter
>
> --
>  Michael.Schaarwaechter _at__ ub.uni-dortmund.de
>  Germany, Uni Dortmund, Library
>  http://www.schaarwaechter.de , http://www.inetbib.de
>  PGP-Key: http://www.schaarwaechter.de/misc.asc
>
>


Meinhard Niebuer
Hess. Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt
DV-Referat / Fachreferat Informatik
Tel. (+49) 06151 16-5809
Tel. (+49) 06151 16-3282


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