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Re: Antw: digitalisate durch benutzer



Markus Brantl wrote:
> 
> Weitergeleitete Mail vom Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek:
> 
> Sehr geehrte Frau Uhlemann,
> 
> die AG öffentlich-rechtlicher Bildarchive empfiehlt (wie andere kommerzielle Bildanbieter):
> 1. Auflösung 72 dpi
> 2. Nutzungsrecht zeitlich beschränkt (1 Woche; 1 Monat; 3 Monate; 6 Monate; 1 Jahr) und dementsprechend preislich gestaffelt.
> 
> Mit freundlichen Grüßen
> gez. Dr. Reinhard Horn
> Bildarchiv
> Bayerische Staatsbibliothek
> mail: horn _at__ bsb-muenchen.de

Wir haben hier ein Beispiel fuer die nicht hinnehmbare Anmassung der
Bayerischen Staatsbibliothek, die an der Speerspitze derjenigen
marschiert, die der Informationsfreiheit das Wasser abgraben.

Bei einer historischen Karte handelt es sich um ein gemeinfreies Werk.
Nach Paragraph 64 UrhG erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod
des Urhebers. Im angelsaechsischen Raum spricht man von "Public Domain",
bei uns von Gemeinfreiheit.

Bibliotheken koennen keinerlei immaterialgueterrechtlichen Befugnisse an
dem von ihnen verwahrten Kulturgut wahrnehmen. Sie sind gehalten, den
Zugang ausschliesslich an dem zu orientieren, was aus Gruenden der
Bestandserhaltung an Beschraenkungen unerlaesslich ist.

Auch die nach wie vor in Hss.abteilungen so beliebten
Verpflichtungsscheine und Publikationserlaubnisse haben keinerlei
Rechtsgrundlage, wie 1995 ein Rechtsgutachten des DBI klargestellt hat:

http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/handsch1.htm

Ich zitiere:

"Als Ergebnis [...] ist festzuhalten, daß die Verpflichtung, zur
Veröffentlichung einer Handschrift
die Genehmigung der Bibliothek einzuholen, mangels rechtlicher Grundlage
in der Regel unwirksam ist".

Ich verweise ergaenzend auf meinen Diskussionsbeitrag im DB und die
Ausfuehrungen unter:

http://www.uni-koblenz.de/~graf/kultjur.htm
http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/LIB-L/199910/19991022.html#0

Wer ein historisches Kulturgut (hier: eine alte Karte) digitalisieren
und der wiss. Oeffentlichkeit zugaenglich machen moechte, kann sich auf
Kommunikations-Grundrechte berufen (Informationsfreiheit,
Forschungsfreiheit, Pressefreiheit), in die, wie Goedan zutreffend
bemerkt, nicht einfach durch Bibliotheksbenutzungsordnungen eingegriffen
werden kann (auch nicht durch universitaere Satzungen von
Hochschulbibliotheken, wie Thilo meinte):

http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/goedan.htm

Fuer ein fiskalisch motiviertes Abkassieren, wie es die Bayerische SB
vorschlaegt, fehlt die Rechtsgrundlage.

Wenn durch solche jaehrlichen Gebuehren Kulturgut NICHT der
Oeffentlichkeit im WWW zugaenglich gemacht werden kann, entsteht ein
schwerwiegender Schaden fuer die Wissenschaft. Es ist mit den
Grundsaetzen einer freiheitlichen Wissenschaft nicht zu vereinbaren,
dass eine Bibliothek nach Gutduenken entscheidet, welche Objekte von ihr
selbst digitalisiert werden und welche von Dritten gegen horrende
Gebuehren digitalisiert werden duerfen. Es ist zu hoffen, dass sich von
Benutzerseite (gerichtlicher) Widerstand gegen diese schaebige
Kommerzialisierung des Bibliothekswesens in Bayern regt.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.