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Donaueschinger Malaise



Die ZEIT bietet einen Artikel ueber die Gefahr, die den Donaueschinger
alten Meistern droht und laesst kurz auch die Bibliotheksverkaeufe Revue
passieren.

Auszug:

Ausmisten bei Fürstens

Nach und nach verhökern die Fürstenberger ihre Kulturgüter. Jetzt haben
sie auch ihr
einzigartiges Museum geschlossen. Sollen die Bilder verkauft werden?

Von Claudia Herstatt

[...]

Die 74 Tafeln altdeutscher und schweizerischer Malerei des
15. und 16. Jahrhunderts, darunter Werke von Hans
Holbein dem Älteren, Lucas Cranach dem Älteren
und der unvergleichliche Wildensteiner Altar des
Meisters von Meßkirch, sind seit Mitte November
dem Blick der Öffentlichkeit entzogen.

[...]

Nun jedoch soll nach einer Presseerklärung des Fürstenhauses "eine neuer
Weg" eingeschlagen
               werden. Mit zeitgenössischer Kunst der Achtziger und
Neunziger will man die Zahl der Besucher
               erhöhen, die bisher bei rund zehntausend im Jahr
stagnierte. Ein nicht genannter Sammler sei
               bereit, die verwaisten Altmeisterkabinette mit Werken von
Damien Hirst, Jeff Koons, Rosemarie
               Trockel und Fotos der Szenestars Andreas Gursky, Cindy
Sherman und Wolfgang Tillmans
               aufzupeppen. Die Neueröffnung ist für Anfang Juni
vorgesehen. So weit, so offiziell und sehr
               fragwürdig.

               Denn mit dem angekündigten Auftritt zeitgenössischer
Kunst von der Art, wie man sie derzeit
               landauf, landab in privaten und öffentlichen Museen
vorgesetzt bekommt, verknüpft sich die Sorge,
               die seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts im
Familienbesitz befindlichen Gemälde
               könnten verkauft werden. Im Zusammenhang gesehen, ist
diese Vermutung nicht ganz abwegig.
               Denn die hochadlige Familie mit einem geschätzten
Vermögen von über einer Milliarde Mark,
               Besitzer des zweitgrößten Waldgebiets Deutschlands, von
Ländereien in Nordamerika sowie der
               am Ort ansässigen Fürstenberg Brauerei (Werbeslogan:
"Tradition verpflichtet"), versilbert seit
               Beginn der achtziger Jahre nach und nach ihre
Kulturgüter.

               Den Anfang machten 1982 die 20 mittelalterlichen
illuminierten Handschriften, die bei Sotheby's
               4,4 Millionen Mark brachten. Das war, ganz nebenbei, kein
gutes Geschäft, weder für den Fürsten
               noch etwa für den Freistaat Bayern, der ein Jahr später
von einem New Yorker Antiquar das
               Sakramentar des Augsburger Doms für zwei Millionen Mark
und damit für fast das Doppelte des
               Auktionspreises zurückkaufte. Und ein karolingisches
Pontifikale, für 100 000 Pfund
               zugeschlagen, erreichte wenige Jahre später den
sechsfachen Preis.

               1992 erwarb das Land Baden-Württemberg für stolze 48
Millionen Mark Teile der über
               hunderttausend Bände umfassenden Hofbibliothek. 2,3
Millionen blätterte die Landesregierung
               wenig später dann noch für 86 Inkunabeln hin. Weitere 326
kostbare frühe Drucke kamen 1994 in
               London zur Auktion. 1999 wurde die Musikaliensammlung
verkauft, und Christie's entsorgte für
               teuer Geld den Weinkeller des heute über 70-jährigen
Bierfürsten. Als im März 2001 das Land
               Baden-Württemberg nach langem Feilschen für 19 Millionen
die zum Verkauf stehende Nibelungen
               Handschrift C erwarb, die älteste von drei existierenden
vollständigen Abschriften des
               Nibelungenliedes aus dem 13. Jahrhundert in
Gallapfeltinte auf Pergament, wurde bereits offen
               diskutiert, wann denn nun auch noch die Gemälde für den
in der Klatschpresse immer wieder als
               aufwändig beschriebenen Lebensstil der 100köpfigen
Familie herhalten müssten.

--

Volltext unter:
http://www.zeit.de/2002/02/Kultur/200202_fuerstenberg.html

Trotzdem allen ListenleserInnen ein gutes Neues Jahr 2002!
Klaus Graf
http://www.uni-koblenz.de/~graf/#kulturgut


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.